Ein raffiniert vielschichtiges Bühnenstück und zwei Schauspieler, die das Publikum mit jeder ihrer perfekt sitzenden Gesten, jedem emotionsgeladenen Blick und einem ungekünstelten Dialog in ihren Bann schlagen. 60 Minuten, in deren Fokus Political Correctness, gesellschaftlich relevante Ressentiments samt ihren fatalen Auswirkungen und eine brüchige Paarbeziehung stehen: Mit "Die meisten Afrikaner können nicht schwimmen" von Autor Holger Böhme, deren Premiere begeisterte, präsentiert das Torturmtheater in Sommerhausen ein Werk der Extraklasse. Spannend. Temporeich. Entlarvend. Regie führt Oliver Zimmer.
Minibühne wird zum Studio
Die Minibühne im Theaterfoyer wird zum Studio für eine Live-Sendung, in der Menschen in Gewissensnot "vor richtigen Menschen" ihre Geschichte erzählen und sich dann dem Urteil des Publikums stellen können. Im Scheinwerferlicht stehen diesmal Anja (Katharina Friedl) und Michael (Armin Hägele). Ein scheinbar ganz normales Paar; sie mehr, er weniger aufgeregt wegen der völlig neuen Situation, die der Wahrheitsfindung – und Absolution für ihr Handeln – dienen soll. Bei ihrer weit- und abschweifenden Vorstellung geben sich die Mittdreißigerin (studierte Soziologin auf Selbstfindungssuche) und der Anfang 40-jährige Architekt noch leicht und locker, präsentieren demonstrativ Harmonie und (paar-)typisches Verhalten, indem sie sich immer wieder gegenseitig ins Wort fallen.
Schwerer Seelenballast
Doch der Ton wird schärfer, aggressiver, je näher sie dem "schwierigen Teil" ihrer Geschichte kommen, von der sie ein "wahrheitsgetreues" Bild vermitteln: dem (leichen-)schweren Seelenballast, den sie bereits monatelang seit einem Segeltörn im Mittelmeer mit sich herumschleppen.
Dabei sollte es ein harmloser Ausflug werden, für Michael gar so etwas wie eine "Hochzeitsreise". Aufgrund eines Notrufs retten sie drei schwarze Schiffbrüchige. Quasi eine Bauchentscheidung, ohne langes Überlegen. Doch schnell kriecht den "zwei kultivierten Westeuropäern" die Angst in Eingeweide und Hirn. Sind ihre Passagiere – wahrscheinlich Afrikaner – tatsächlich Flüchtlinge? Oder Schlepper, die sich ihrer Retter entledigen wollen? Dafür sprechen laut Michael "zwar keine Beweise, aber viele Ungereimtheiten".
Vor dem Publikum ergeht sich das Paar in zig fadenscheinigen Begründungen für seine zur Panik gesteigerte Angst und den Entschluss, die Yacht bewusst auf ein Riff auflaufen zu lassen. Es rettet sich – mit Kreditkarten im wasserdichten Beutel – ans Ufer und überlässt die drei Schwarzen ihrem Schicksal. Das müsste der Tod im Meer gewesen sein, denn "die meisten Afrikaner können nicht schwimmen", mutmaßt Anja.
"Wir hatten keine Wahl. Wir oder sie." Oder doch? Denn von Gewissenbissen gebeutelt, rückt sie damit heraus, dass ihre "gemeinsame Entscheidung" auch auf einer Lüge beruht. . .
Karten unter kartenbestellung@torturmtheater.de, an Spieltagen (Di. bis Sa.) ab 16 Uhr unter Tel.: (09333) 268. Bis 26. September auf dem Spielplan.