Wäre es nach dem Versicherungsangestellten Franz Kafka (1883-1924) gegangen, hätte die Welt niemals seine Texte kennengelernt. Sie wären nach seinem frühen Tod vernichtet worden. Doch da sein Freund und Nachlassverwalter Max Brod sich über Kafkas Testament hinwegsetzte, gehören die Romane, Erzählungen, Fragmente und Tagebuchaufzeichnungen, die Kafka eigentlich als Versuche der Selbstfindung schrieb, heute unwiderruflich zum Kanon der deutschen Literatur.
Was wenige wissen: Schon Max Brod hat 1911 erste Texte Kafkas vertont und nach ihm noch viele andere. Kafka selbst hat sich als unmusikalisch bezeichnet: "Ich habe gar kein musikalisches Gedächtnis." Und: "Die gehörte Musik zieht eine Mauer um mich." Etliche Komponisten – es sind über 100 – haben die sprachliche Kraft und die allgemein menschliche Gültigkeit der Texte dennoch zu unterschiedlichsten Werken inspiriert, von der Oper bis hin zum Solowerk für Schlagzeug.
Ein Programm mit je zur Hälfte Rezitation und Musik
Einen kleinen Ausschnitt dieses Schaffens, direkt konfrontiert mit den Texten selbst, stellt die Liedklasse der Musikhochschule Würzburg am 6. Mai im Gebäude in der Bibrastraße vor. Der Leiter der Klasse, Alexander Fleischer, und Klaus Hinrich Stahmer, Komponist und emeritierter Professor der Hochschule, haben Lieder, Klavierwerke, Kammermusik und Solowerke zusammengestellt etwa von Max Brod, Theodor W. Adorno, Ruth Zechlin, Petr Eben, Tzvi Avni, György Kurtág und Jan Müller-Wieland. Es spielen und singen Studierende und Absolventen der Liedklasse und weitere Instrumentalisten. Es sind Ausschnitte eines Konzerts unter dem Titel "Kafka hören", das Anfang April in der Freien Akademie der Künste in Hamburg für Furore sorgte, so Stahmer: "Da war eine Intensität des Zuhörens beim Publikum, das hätten wir selbst vorher auch nicht für möglich gehalten."
Klaus Hinrich Stahmer, sozusagen Fährtensucher für das Programm und Verfasser des umfangreichen Abschnitts "Vertonungen" im Wikipedia-Eintrag über Kafka, hält den Schriftsteller, inzwischen längst weltberühmt wider Willen, im übrigen durchaus nicht für unmusikalisch: "Dass Kafkas Sprache per se hochmusikalisch ist, wird man in der Rezitation des Schauspielers Adam Nümm nach- und miterleben." Erst im Vergleich mit den gesprochenen Texten erschlössen sich dann die Dimensionen der Vertonungen. Es werde eine zusammengewobene und thematisch gegliederte Einheit aus den etwa gleich dosierten Elementen Sprache und Musik werden, sagt der Komponist. "Man steigt wirklich in die Person Franz Kafka ein."
Kafka-Vertonungen: Liedklasse der Hochschule für Musik Würzburg und weitere Instrumentalisten. Theater im Gebäude Bibrastraße. Montag, 6. Mai, 19.30 Uhr. Abendkasse.