
Mozarts "Idomeneo" aus dem Jahr 1781 (ein Jahr vor der "Entführung") war 1931 die erste Oper, die beim Mozartfest konzertant aufgeführt wurde. Deshalb nahm Intendantin Evelyn Meining das Drama mit der hochkomplizierten mythologischen Handlung, das sie für Mozarts beste Oper hält, ins Jubiläumsfestival.

Sehr viele sehr gute Argumente für Meinings Einschätzung lieferten Christophe Rousset und sein fabelhaftes Originalklang-Ensemble Les Talens Lyriques an zwei Abenden im Kaisersaal. Im Grunde muss man die Handlung nicht durchschauen (es geht um jugendliche Liebe, königliche Pflichten und göttliche Eingriffe), denn allein dieses Bad in Farben und Emotionen war beglückend: So viel Lautmalerei, so viel Dramatik, so viel Liebe, so viel Seelenpein, so viel Großmut.
Und so viel pointiertes, schmissiges, süffiges Musizieren: Es schien, als verschwende niemand auch nur einen Gedanken an die Akustik des Saals. Da wurde draufgehalten, dass es eine reine Freude war. Und siehe da: Das war transparent, das war differenziert. Und, angesichts manch dramatischer Klangwolke, wieder der Gedanke: Vielleicht wäre es an der Zeit, in einer der nächsten Mozartfest-Ausgaben das Verhältnis Mozart-Wagner auszuloten.

Gesungen wurde ausnahmslos auf Topniveau: Giulio Pelligra (Idomeneo), Maite Beaumont (Idamante), Judith von Wanroij (Ilia), Lenneke Ruiten (Elettra), Nicholas Scott (Arbace), Matthieu Heim (Stimme/ein trojanischer Gefangener) und das eigens zusammengestellte Vokalensemble des Mozartfests. Besonders interessant neben der spannenden Gestaltung der vielen, vielen Rezitative: Das direkte Nebeneinander von englischer (Scott) und italienischer (Pelligra) Tenorschule.
Musizierspaß nach der Schicksalsschwere der Oper: Die Philharmonix spielen sich von Mozart bis Falco

Die Philharmonix bestehen aus Mitgliedern der Wiener und der Berliner Philharmoniker: Thilo Fechner (Viola), Daniel Ottensamer (Klarinette) und Ödön Rácz (Kontrabass) spielen bei den Wienern, Stephan Koncz (Cello) und Noah Bendix-Balgley bei den Berlinern. Dazu kommen Christoph Traxler (Klavier) und Sebastian Gürtler (Violine). Zusammen bilden sie das virtuoseste, musikantischste, unterhaltsamste Crossover-Ensemble, das man sich vorstellen kann.
Nach zwei Tagen Opera seria, also ernster Oper, erfüllten Philharmonix den Kaisersaal mit Swing und Groove in eigenen Arrangements. Da bildet Bachs C-Dur-Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier die Basis zur "Bohemian Rhapsody", da swingt Benny Goodman zu Dvoraks "Humoreske", da wird die "Tetris"-Erkennungsmelodie zum wuchtigen Kosakenchor.
Die Stücke sind keine Ratespiele à la "Erkennen Sie die Melodie", sondern eigenständige, liebevolle Nachschöpfungen, die manchmal sogar die Originale übertreffen. Stings "Englishman in New York" zum Beispiel. Und Mozarts Requiem mit Falcos "Rock Me Amadeus" zu konfrontieren (im Gedenken an Falcos Unfalltod), das könnte auch schiefgehen. Hier ist es eine hochmusikalische Hommage an beide. Lange, laute, stehende Ovationen.
Reinhard Goebel und die Bamberger: Maximaler Körpereinsatz und holzschnittartiges Musizieren

Reinhard Goebel, einst Pionier der historisch informierten Aufführungspraxis hat dieser Tage zwei Missionen: Er nimmt bewusst Zeitgenossen der Großen, die heute fast vergessen sind, in seine Programme, um zu zeigen, was zu Mozarts und Beethovens Zeiten der erfolgreichere Mainstream war. Und er dirigiert konventionelle Orchester, die sich sonst vorwiegend im 19. Jahrhundert bewegen, mit Repertoire des 18. Jahrhunderts.
Beim Konzert mit den Bamberger Symphonikern im Kaisersaal standen Leopold und Wolfgang Amadé Mozart auf dem Programm. Und Paul Wranitzky, der mit Wolfgang Amadé das Geburtsjahr 1756 teilt. Seine Sinfonie "für den Frieden mit der französischen Republik" entstand 1797 und kam – vorhersehbarerweise – bei Kaiser Franz II. nicht gut an. Das Stück ist echte Programmmusik: Zu hören sind Schachtgetümmel, marschierende Truppen, ein Trauermarsch für Ludwig XVI. und Freudenrufe über den Frieden.

Reinhard Goebel arbeitete sich am Orchester ab, als gelte es, jede Phrasierung einzeln zu formen. Und als liefen die flotten Tempi Gefahr, sofort an Fahrt zu verlieren, sollte er auch nur eine Sekunde nachlassen. Die Bamberger machten durchaus mit, allerdings animierte Goebel sie mit seinem maximalen Körpereinsatz zu eher holzschnittartigem Musizieren.
Eleganz und Strahlkraft kamen deshalb im Wesentlichen von der Solistin: Mirijam Contzen meisterte das hochvirtuose und selten gespielte Violinkonzert KV 271a mit präziser Bravour. Ob das Stück wirklich von Wolfgang Amadé Mozart stammt, ist umstritten. Reinhard Goebel ist sich da – sehr im Gegensatz zu anderen Forschern – sehr sicher.