Alles, was nicht hinter Glas ist, darf angefasst werden: Die neue Ausstellung "Zeitreise Mittelalter" im Museum für Franken auf der Würzburger Festung Marienberg ist eine Familienausstellung. Das heißt, neben originalen Exponaten aus der Zeit zwischen 1000 und 1500 gibt es jede Menge Mitmach- und Ausprobierstationen, kinder- und jugendgerechte Erklärungen und anschauliche Illustrationen.
Das Kuratorenduo Veronika Gänslein und Benjamin Spies hat für die 1000 Quadratmeter große Schau eine schlüssige Reihenfolge gefunden: Es geht vom Land in die Stadt, dann auf die Burg und schließlich in die Kirche und ins Kloster. Besucherinnen und Besucher durchlaufen so die sogenannte Ständepyramide und erfahren quasi ganz nebenbei, wie die Gesellschaft des Mittelalters hierarchisch aufgebaut war.
Bewusst haben die Kuratoren vieles weggelassen. Es geht nicht um Kriege und Kreuzzüge, niemand muss sich Herrschernamen merken. Er geht um das ganz normale tägliche Leben der Menschen verschiedener Stände. Dabei werden weder Seuchen wie Pest oder Lepra ausgespart, noch die Tatsache, dass Kinder keinerlei Mitspracherecht über ihren Lebensweg hatten.
Folgende fünf Punkte dürften Kinder begeistern und bei Erwachsenen für den einen oder anderen Aha-Effekt sorgen:
1. Rauskriegen, was die Menschen im Mittelalter gegessen haben
Viele Menschen wissen, dass Tomate oder Kartoffel aus Südamerika stammen und deshalb in Europa im Mittelalter unbekannt waren. Aber die Aubergine? Oder die Zitrone? Hier können Besucherinnen und Besucher einen Tisch decken, wie er im Mittelalter ausgesehen haben könnte. Es stehen allerhand Lebensmittel zur Auswahl, vom Fisch bis zur Eiswaffel. Welche richtig sind, sagt der Tisch: Passende Speisen nimmt er an, falsche stößt er ab.
Wissenswert auch für Erwachsene: Schon im Mittelalter kannte man Schnellkochtöpfe, wie ein Beispiel um das Jahr 1200 zeigt.
2. Geschichten hören oder Redewendungen entschlüsseln
Menschen aller Zeitalter lieben Geschichten. Und natürlich gab es bereits im Mittelalter Märchen, die Eltern ihren Kindern erzählten. Im kuschelig eingerichteten Märchenturm kann man sich welche anhören – etwa von der Königstochter in der Flammenburg oder vom Froschkönig.
Wissenswert auch für Erwachsene: Viele Redewendungen haben ihren Ursprung in mittelalterlichen Gepflogenheiten. Zum Beispiel "Die Kurve kratzen", also schnell verschwinden: In den engen Gassen der Städte schrammten oft Fuhrwerke an Hausecken. Um das zu verhindern, wurden Kratzsteine an die Ecken gestellt.
3. Eine Ritterburg bauen und wie ein Burgkind spielen
Ein Kran und Flaschenzüge in Originalgröße zeigen, wie einst die schweren Steine für den Burgenbau bewegt wurden. In etwas kleinerem Maßstab können Kinder selbst ganze Burgen zusammenstellen – aus Holzelementen oder, dank einer Kooperation mit dem Hersteller, im Sandkasten mit Playmobil-Teilen. Kinder, die auf der Burg aufwuchsen, hatten es leichter als solche auf dem Land, zumindest, bis sie sechs Jahre alt wurden und zur Ausbildung fortgeschickt wurden. Immerhin: Sie hatten allerhand Spielsachen wie Kreisel oder ein Kegelspiel, die auch benutzt werden dürfen.
Wissenswert auch für Erwachsene: Schon vor 2500 Jahren lebte ein keltischer Fürst auf dem Würzburger Marienberg, auf dem heute die Festung steht. Die Ausstellung zeigt Funde, die das belegen.
4. Der Zauberharfe eine mittelalterliche Melodie entlocken
Im Mittelalter war Musik allgegenwärtig. Die Menschen sangen daheim, auf dem Feld, bei der Prozession, in der Kirche. Und sie spielten Instrumente, die heute ziemlich exotisch aussehen. Für die Zauberharfe, die die Bamberger Musikerfamilie Spindler entwickelt hat, braucht es aber keine Vorkenntnisse: Ein Blatt Papier unter den Saiten zeigt, wo gezupft werden muss, damit eine mittelalterliche Melodie entsteht. Das kann jedes Kind.
Wissenswert auch für Erwachsene: Wissenschaftler haben ein Fragment untersucht, das in einer Würzburger Mittelalter-Latrine gefunden wurde. Wie sich beim Nachbau herausstellte, war es keine Flöte oder Pfeife, wie zunächst angenommen, sondern Teil einer Plater – eines Rohrblattinstruments mit Balg, das besonders laut war, damit es auch im Wirtshauslärm gehört wurde.
5. Behelmt wie ein Ritter oder prachtvoll ausstaffiert wie ein Fürstbischof
Schon im Mittelalter machten Kleider Leute. Während heute Markenkleidung vor allem Wohlstand und Modebewusstsein zeigen soll, war damals klar nach Ständen geregelt, wer was tragen durfte. Je höher die Stellung, desto feiner die Stoffe. An einer Taststation kann man ausprobieren, wie unterschiedlich kratzig oder weich sich Stoffe anfühlten. Klarer Favorit in Sachen Kuscheligkeit: Yakwolle. Kinder können Hauben oder Helme aufprobieren, und wer mal so richtig prunkvoll daherschreiten will, kann das nachempfundene Gewand eines Fürstbischofs anlegen.
Wissenswert auch für Erwachsene: Ritter in voller Rüstung waren gar nicht so unbeweglich, wie man denkt – vorausgesetzt, die Rüstung passte perfekt. Bei einem Test-Wettrennen zwischen einem Feuerwehrmann in voller Montur, einem Soldaten mit Marschgepäck und einem Menschen in Ritterrüstung über einen Hindernisparcours belegte der Ritter immerhin Platz zwei hinter dem Feuerwehrmann.
Museum für Franken: Familienausstellung "Zeitreise Mittelalter", bis 15. Mai 2022. Öffnungszeiten Oktober bis März: Di.-So., 10 bis 16 Uhr. April bis September: Di.-So. von 10-17 Uhr. Weitere Informationen unter www.museum-franken.de oder unter Tel. (0931) 205940. Es gilt die 2G-Plus-Regel für alle Personen ab dem Alter von 12 Jahren und 3 Monaten. Personen mit dritter Impfung (Booster) brauchen keinen Test (Stand 17. Dezember).