Das neue Schuljahr ist noch jung, aber es zeichnet sich bereits ab, welche schwarzen Löcher Schulschließungen, Homeschooling, Bewegungsdefizite und vor allem soziale Isolation während des letzten Jahres bei den meisten Kindern und Jugendlichen hinterlassen haben. Die älteren haben Angst, den Anschluss in den Kernfächern verpasst zu haben, viele der jüngeren haben das Lesen schon wieder verlernt.
Die Pädagoginnen Petra Weingart und Bettina Durchholz beobachten das Problem. "Ich sehe bei den Kindern unglaublich viele Verhaltensauffälligkeiten, die unser starres Schulsystem nicht aufzufangen in der Lage sein wird", sagt Durchholz, Lehrerin an der Mittelschule Heuchelhof in Würzburg. Ihr Angebot, um aus dem Corona-Loch zu kommen und das "Trauma" des letzten Jahres zu überwinden: "Learning through the arts" (LTTA), also "Lernen durch die Künste". Im folgenden erklären Petra Weingart und Bettina Durchholz, was es damit auf sich hat.
Was ist LTTA?
Learning through the arts (Lernen durch die Künste), ist ein pädagogisches Programm, das im angelsächsischen Raum seit vielen Jahren im Rahmen eines ganzheitlichen Lernverständnisses angewendet wird. Es möchte durch Methoden aus verschiedenen Künsten das Lernen mit allen Sinnen erfahrbar machen. Freude am Lernen wecken, heißt die Devise – Lerninhalte erleben und erspüren. Während es inzwischen eine große internationale Gemeinschaft gibt, die sich auf Kongressen vernetzt und austauscht, lag Deutschland bis vor einigen Jahren noch im Dornröschenschlaf.
Die Kunstpädagogin Dr. Petra Weingart hat LTTA bei einer Konferenz im kanadischen Toronto kennengelernt, wo sie Ergebnisse ihrer Unterrichtsforschung vorstellte. Sie knüpfte Bande zu LTTA-Künstlern und -Lehrern, die zu einer Lehrerfortbildung nach Würzburg kamen. Die enge Zusammenarbeit mit dem Royal Conservatory in Toronto war geboren.
Wie funktioniert LTTA?
LTTA, getragen durch einen Verein, ist immer eine Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Künstlern und Schulen. Lehrkräfte unterrichten gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern in den Kernfächern der Lehrpläne, die den Schülerinnen und Schülern oft Probleme bereiten. Lehrer und Künstler werden durch den Verein ausgebildet und auf die Zusammenarbeit vorbereitet. Die Schulen wiederum müssen den Rahmen bieten und etwas Geld in die Hand nehmen, um die Künstler zu bezahlen. Viele Schulen in Unterfranken nutzen bereits das LTTA-Programm, und aus Sicht von Weingart und Durchholz dürfen es gerne mehr werden.
Das Prinzip: Verschiedenste Themen werden mit sinnlichen Erfahrungen verknüpft, was ein Lernen und Verstehen mit dem ganzen Körper ermöglicht. Die Lerninhalte werden mit Methoden der Künste erarbeitet. Beispiel Bruchrechnen: Lehrer und Künstler, in diesem Fall ein Tänzer, können gemeinsam als Ursache für Lernschwierigkeiten identifizieren, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht wirklich verstehen, was genau eigentlich ein Bruch ist. Durch gemeinsame Übungen mit dem Tänzer können die Schüler ein Körpergedächtnis für das Prinzip "Bruch" gewinnen. Sie erfahren am eigenen Körper, was ein Bruch ist – durch den Tanz.
Wie kann man LTTA-Lehrkraft werden?
Das LTTA-Programm bietet Workshops für Lehrkräfte und Kunstschaffende an. Die Ausbildung dauert zwei bis drei Jahre. Mentoren-Künstler bilden die Künstler und Lehrer aus, geben ihre Erfahrung und ihr Wissen weiter und zeigen, welche Methoden es gibt, Lernen sinnlich erfahrbar zu machen. Lehramtsstudierende können bereits an der Universität Würzburg in einem Seminar Erfahrungen mit LTTA machen und die Effekte auf die Schüler erleben.
Die Ausbildung koordinieren Bettina Durchholz und Barbara Mahler (LTTA-Mentor Artist). Die Lehrveranstaltungen finden in den Räumen der Mittelschule Würzburg Heuchelhof statt. Personalie am Rande: Petra Weingart hat den Vereinsvorsitz zum September an Bettina Durchholz abgegeben. Die LTTA-Familie wird sie aber nicht verlassen: "Ich werde natürlich weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen."
Kann LTTA in Zeiten von Corona helfen?
Die Corona-Defizite in der Bildung unserer Kinder seien eine große gesellschaftliche und pädagogische Herausforderung für die kommenden Jahre, so Bettina Durchholz und Petra Weingart. LTTA könne ein wichtiger Partner nicht nur für Mainfrankens Schulen sein. Die schwarzen Corona-Bildungslücken könnten nach und nach mit Freude am Lernen und entsprechender Unterstützung durch die Schulen geschlossen werden: Wenn Inhalte begreifbar, erfassbar oder erspürbar würden, stehe das positive Lernerlebnis im Vordergrund, sorge für neue Energie und gute Laune. "Genau die richtigen Zutaten für die Zukunft", sagt Bettina Durchholz.
Schulen, die ins LTTA-Programm aufgenommen werden wollen, und Lehrkräfte, die sich für die Fortbildung interessieren, finden alle Informationen im Netz unter www.ltta.de - nächster Infoabend: 12. November, 14.30 Uhr, Mittelschule Würzburg Heuchelhof.