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SCHWEINFURT
Malias musikalische Reisen ohne Aufpasser
Nachsommer Schweinfurt: Ihre leicht angeraute Stimme hat die Wärme und die Tiefe einer Billie Holiday oder einer Nina Simone. Doch Malia setzt sie für weit mehr ein als nur die Pflege dieser Denkmäler des Jazz.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 27.04.2023 02:13 Uhr

Als die 1978 in der ostafrikanischen Republik Malawi geborene Malia zum ersten Mal im Radio die Stimme von Billie Holiday hörte, war es um sie geschehen. Die Musik eröffnete ihr eine vollkommen neue Welt. Prompt brachte Malia sich selbst 20 Jazz-Standards bei, engagierte einen Pianisten und trat in ihrer Wahlheimat London in Kneipen auf. Das war vor ungefähr 15 Jahren. Heute ist Malia mit ihrem leicht angerauten Timbre selbst eine der ausdrucksstärksten und vielseitigsten Sängerinnen der Jazzwelt. Beim Schweinfurter Nachsommer wird sie am Donnerstag, 22. September, im Trio einen Querschnitt aus ihrem musikalischen Schaffen präsentieren.

Frage: Der Schweinfurter Nachsommer steht unter dem Motto Grenzüberschreitungen. In welcher Weise, würden Sie sagen, überschreiten Sie in Ihrer Arbeit Grenzen?

Malia: Als Menschen begegnen wir immer wieder anderen Menschen, die uns beeinflussen, die unserer Arbeit neue Richtung geben. Ich bin immer sehr offen, wenn ich anderen Musikern begegne, anderen Richtungen. Ich mag es nicht, mich auf ein bestimmtes Genre zu beschränken. Insofern überschreite ich Grenzen, aber im Grunde geht es immer darum, mich selbst herauszufordern. Weniger Angst zu haben und emotionale Grenzen zu überschreiten. Wenn ich Angst habe, etwas Bestimmtes zu tun, dann tue ich genau das.

Wie sieht denn eine solche Selbstüberwindung in der Regel aus?

Malia: Wenn es zum Beispiel darum geht, bestimmte Musiker zu fragen, ob sie mit mir arbeiten wollen. Man muss sie ansprechen, treffen, reden. Bei Boris Blank hätte ich vielleicht gedacht, oh, der macht elektronische Musik, ganz anders als meine, der will bestimmt nicht mit mir arbeiten. Er ist schon mit Yello beschäftigt. Aber ich wollte schon immer ein elektronisches Album machen, also habe ich Kontakt aufgenommen und einen Vorschlag gemacht. Und das mache ich die ganze Zeit. Wir haben dann das Album „Convergence“ gemacht. Manchmal klappt es auch nicht, immer aber ist es eine Reise.

Es ist tatsächlich eine weite Reise von den Klassikerinnen wie Sarah Vaughn, Nina Simone oder Billie Holiday zur Elektronik. Aber das Album klingt trotzdem nicht steril – als hätten Sie es geschafft, die Elektronik mithilfe des Jazz lebendig zu machen.

Malia: Man bringt immer seine Persönlichkeit mit. Und jeder hat seine ureigene Identität. Jetzt gerade mache ich ganz andere Sachen. Im September kommt ein Album mit afrikanisch-europäischen Klängen. Aber das bin eben immer ich mit meinem Jazz-Background, die versucht, musikalisch zu reisen und Landschaften für meine Musik zu entdecken. Meine Stimme wird immer bleiben, wie sie ist – und das ist natürlich ein zentraler Punkt.

Traditionellerweise sind die Grenzen um den Jazz herum ziemlich undurchdringlich – wie frei können Sie arbeiten, wie frei können Sie sich innerhalb der Communities bewegen?

Malia: Ich fühle mich in keiner Weise eingeschränkt. Es geht immer um Musik. Auch die Plattenfirma macht mir da keinerlei Vorschriften, etwa nach dem Motto, dies oder das würde sich in diesem oder jenem Land nicht verkaufen. Die Vorstellung stilistischer Grenzen wird immer auf den Musiker projiziert, aber das hat für mich keine Bedeutung. Um es so zu sagen: Ich habe keinen Aufpasser oder Richter, der mir sagt, was ich darf und was nicht.

Auf politischer Ebene erleben wir gerade das Gegenteil – geschlossene Grenzen, Nationalismusbewegungen in fast allen Ländern, Brexit. Hat das Einfluss auf Sie als Künstlerin?

Malia: Geschlossene Grenzen sind ja erst mal nur die physische Seite. Ich glaube, es gibt sehr viele Menschen, die ganz anders empfinden, von denen wir aber nicht viel hören. Wir hören immer nur die negativen Dinge. Aber wenigstens in Europa begegne ich diesen negativen Menschen kaum. Ich denke, die allermeisten Menschen zumindest in Europa sind ihren Mitmenschen und anderen Kulturen gegenüber sehr offen eingestellt.

Natürlich haben wir derzeit einige Turbulenzen, aber ich glaube trotzdem nicht, dass die meisten Menschen ihre Herzen verschließen, wenn sie wieder einmal lesen, dass jemand 20 Menschen umgebracht hat.

Ein Song auf dem Album mit Boris Blank – „Raising Venus“ – ist ein typische Beispiel für das, was ich britischen Rhythm & Blues nennen würde. Und er klingt sehr deutlich nach James Bond. Ich finde, Ihre Stimme wäre perfekt für den nächsten James-Bond-Song – wäre das ein Traum für Sie?

Malia: (lacht) Das ist ein Traum, seit ich Shirley Bassey mit „Diamonds Are Forever“ gehört habe, als ich sehr jung war. Da habe ich sofort gerufen, ich will singen! Ich habe denen sogar geschrieben, damals vor 20 Jahren: „Können Sie mich bitte in Betracht ziehen für den nächsten James-Bond-Song?“ Aber ich habe nie eine Antwort bekommen. Die haben mich völlig ignoriert.

Der aktuelle Song ist also nicht als erneute Bewerbung gedacht?

Malia: Nein, nein, nein. Ich bin glücklich mit dem, was ich jetzt mache. Aber ich liebe diesen Ton, die Aura, die sie der James-Bond-Musik geben.

Es ist also kein Zufall, dass diese Stimmung in den Song geraten ist?

Malia: Boris liebt es, sehr dramatische musikalische Landschaften zu entwerfen. Das ist seine Stärke. So kam das ganz natürlich zustande. Bei solchen Songs kann ich dann sehr launisch und dunkel auftreten.

Ihre Version des Standards „Fever“ dagegen klingt, als hätten Sie bewusst das Drama rausgenommen.

Malia: Da habe ich versucht, ein bisschen verspielter zu sein. Die Version von Peggy Lee, die ich kenne, ist sehr einfach, sehr reduziert. Ich wollte einfach meine eigene Version machen.

In neues Album „Malawi Blues/Njira“ wird sich mit ihrer afrikanischen Herkunft befassen?

Malia: Ja, teilweise. Ich wollte es eigentlich in Malawi aufnehmen, aber all die Musiker und Techniker dort hinzubringen, die Kosten für Hotels und so weiter, das wäre zu teuer geworden. Also versuchte ich es, so gut es ging, hier. Als Zyklus meiner gesamten musikalischen Laufbahn und meines Lebens. Eine Reise, die beide Welten verbindet und in Musik fasst.

Und dieses Programm werden Sie in Schweinfurt spielen?

Malia: Wir werden einige verschiedene Sachen bringen. Die Veranstalter hatten ein Konzert mit einem anderen Programm gesehen, das ihnen gefallen hat, also werden ich darauf einiges bringen. Aber ich singe grundsätzlich immer meine Lieblingssongs, und darunter werden auch welche aus dem neuen Album sein.

Schweinfurter Nachsommer: Malia & Trio, Do., 22. September, 19.30 Uhr, SKF Halle 411, Schweinfurt. Karten unter Tel. (09 31) 60 01 60 00 und im Netz unter www.nachsommer.de

 
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