Eine gute Idee: ein Konzert nur mit dem Chor des Mainfranken Theaters. Jenem Ensemble also, das in jeder Würzburger Opernaufführung dank seiner Spielfreude und Vielseitigkeit eine eigene Attraktion ist (so denn ein Chor vorgesehen ist). Nun also ein ganzer Abend ohne Schminke, ohne Kostüme, ohne Bühnenbild, ohne Handlung und ohne Schauspielerei.
Korrektur: fast ohne Schauspielerei. Denn als beim Ausschnitt aus "My Fair Lady" die Pferde auf der Galopprennbahn nicht nur musikalisch, sondern auch per Zuspielgeräusch vorbeirasen, wenden alle die Köpfe langsam von links nach rechts, und man sieht förmlich die Rasenstücke unter den Hufen fliegen.
Sören Eckhoff kehrt als Chordirektor nach Würzburg zurück
Aber es geht eben sehr gut ohne Opernbühne, wenn auch das gelegentlich etwas unsichere Klavierspiel von Anton Lee-Stein das Fehlen des Orchesters nicht ganz aufwiegen kann. 24 Sängerinnen und Sänger präsentieren an fünf Abenden vor dem roten Vorhang in der Blauen Halle 75 Minuten lang Hits aus Lied, Musical, Operette und Oper – übrigens unter Verzicht auf den berühmtesten aller Opernchöre, den Gefangenenchor aus Verdis "Nabucco". Es dirigiert Sören Eckhoff, der in dieser Spielzeit als Chordirektor und Kapellmeister ans Mainfranken Theater zurückkehrt. Er hatte diese Funktion schon einmal, von 1991 bis 2001, inne, bevor er 20 Jahre lang unter anderem an der Bayerischen Staatsoper in München wirkte.
Es ist eine unterhaltsame Mischung mit einem dramaturgischen Bogen, der sich vom beseelten Ernst der Chorlieder von Schumann und Brahms über die Doppelbödigkeiten eines Jacques Offenbach und den unbekümmerten Überschwang der Operetten von Ralph Benatzky oder Carl Zeller ("Schenkt man sich Rosen in Tirol") bis hin zu den Szenen bei Verdi, Puccini, Donizetti, Wagner und Carl Maria von Weber spannt – mal dramatisch, mal intim, mal triumphierend.
Die Akustik der Blauen Halle bleibt ein Kuriosum: Sie hilft und hilft auch wieder nicht, denn die Stimmen sind zwar sehr präsent, der Chor als ganzer klingt transparent, aber Nachhall gibt es so gut wie keinen. Sören Eckhoff setzt mit eher kleinen, präzisen, sprechenden Gesten auf entspanntes Singen und vermeidet es, die Trockenheit des Saals mit mehr Anstrengung kompensieren zu wollen.
Morgens um 3 Uhr auf dem Bahnsteig in Bologna
So kommen denn auch gute Intonation, differenzierte Dynamik und vor allem ein musikantisches Miteinander zu Geltung, wie man es eben von der Opernbühne her kennt. Schön auch, dass die gelegentlichen Solopartien der Tosca (Hiroe Ito), des Raimond (aus "Lucia di Lammermoor": David Hieronimi) und des Steuermanns (aus "Der fliegende Holländer": Kenneth Beal) sozusagen mit Bordmitteln bestritten werden können.
Dass dieser Rundumschlag sich zu einem organischen Ganzen fügt, ist auch der Moderation von Sören Eckhoff zu verdanken, der geschickt biografisch und werkgeschichtlich Wissenswertes einstreut, etwa die Geschichte, wie Guiseppe Verdi seinen späteren Librettisten Arrigo Boito kennenlernte: am 20. November 1871 um 3 Uhr morgens auf dem Bahnsteig in Bologna. Beide hatten der ersten Aufführung einer Wagner-Oper ("Lohengrin") in Italien beigewohnt.
Die weiteren Aufführungen: 16., 22. Oktober, 3. Dezember, 19.30 Uhr; 21 November, 18 Uhr. Theaterfabrik Blaue Halle, Dürrbachau. Karten: www.mainfrankentheater.de, Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de