
Sie spielen wieder, die Maßbacher. Und wenn man nicht wüsste, dass die Zeitrechnung in den vergangenen eineinhalb Jahren ziemlich durchgeschüttelt wurde, könnte man meinen, es sei nur ein kurzer Traum zwischen gestern und heute gewesen. Die liebgewonnenen Turbulenzen auf der Freilichtbühne, das Gelächter und Gekicher des Publikums, begleitet von den Arien der Amseln – alles ist wieder da, in und um Ray Cooneys Farce "Lügen haben junge Beine" ("Caught in the Net").
Das 2001 uraufgeführte Stück, hier in der Inszenierung von Augustinus von Loë (Bühne: Patrick Schmidt, Kostüme: Jutta Reinhard), ist die Fortsetzung von Cooneys Welterfolg "Taxi Taxi", der bereits in Maßbach zu sehen war. - Es ist das alte Lied: Im Grunde ihres Herzens ist eine gut komponierte Farce oft eine wahrhaftige Tragödie. Man muss sich allerdings als Betrachter aus der vom Verstand geleiteten ersten Wirklichkeit ausklinken. Wer das nicht tut, gerät in Gefahr, die Ereignisse als unendlichen Reigen von Gags und Kalauern abzutun.
Perfekte Eskalationsspirale
Aber das, was oberflächlich als purer Nonsense erscheint, wird bei Cooney zu einem kleinen Meisterwerk. Vorgeführt wird die perfekt konstruierte Eskalationsspirale männlichen Irrsinns in Folge einer sorgsam gepflegten Lebenslüge. Das Ganze ereignet sich auf einer pfiffig eingerichteten Bühne, die das synchrone Spiel zweier Handlungsstränge erlaubt. Für die Schauspieler ist die Handlung eine immense Herausforderung, sich die Bälle nonstop punkt- und sekundengenau zuzuspielen und das Gegenüber zu verbalen und physischen Höchstleistungen zu animieren. Wie bei einem professionellen Tischtennismatch. Und die Maßbacher beherrschen ihr Metier.
Der Londoner Taxifahrer John (Ingo Pfeiffer) ist mit zwei Frauen gleichzeitig verheiratet. Er hat mit der einen (Anna Katharina Fleck) ein heranreifendes Töchterchen (Dorothee Höhn), mit der anderen (Hannah Baus) ein ebensolches Söhnchen (Yannick Rey). Niemand ahnt etwas von Papas Verstrickungen. Nur Johns Freund und Untermieter Stanley (Ludwig Hohl) in Familie Nummer eins weiß Bescheid. Und gerät als Nothelfer zusammen mit John in wahnsinnige Situationen, als sich die Kinder via Internet kennenlernen und in den Wohnungen ihrer Eltern treffen wollen. Zusätzlichen Stress bringt Stanleys Mom (Angela Koschel-de la Croix).
Alternative Realität
In der Realität würde ein derartiges Doppelleben unweigerlich zu Herzinfarkt oder Bewusstseinsspaltung führen. In der Wirklichkeit einer Farce endet es mit einem theatralisch-komödiantischen Höhepunkt, der hier natürlich nicht verraten wird. Zwar spielt das Stück noch in den Nullerjahren digitaler Kommunikation, doch Cooney kennt die Eigendynamik falscher Nachrichten: Das zähe Bemühen vieler Menschen, sich in den Echokammern alternativer Realität einzurichten. John und Stanley sind da so etwas wie Prototypen der Verbreitung von Fake News.
Die Farce ist bis zum Ende der Saison auf der Freilichtbühne zu sehen. Infotelefon: 09735-235. www.theater-massbach.de