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Würzburg/Karlburg
Lenssen: "Der Geist von Karlburg wird zerstört"
Aus für das diözesane Museum im Landkreis Main-Spessart. Der frühere Kunstreferent Jürgen Lenssen kann die Bistums-Entscheidung nicht nachvollziehen. Was er befürchtet.
War bis 2017 Kunstreferent der Diözese Würzburg: Domkapitular em. Jürgen Lenssen.
Foto: Archivbild Daniel Peter | War bis 2017 Kunstreferent der Diözese Würzburg: Domkapitular em. Jürgen Lenssen.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:41 Uhr

Der kleine Ort Karlburg hat eine große Geschichte. Heute gehört er zu Karlstadt am Main, ist jedoch weit älter als die um 1200 gegründete Stadt.  Im frühen Mittelalter war Karlburg ein sogenannter Zentralort, ein Verkehrsknotenpunkt mit Furt und Hafen. Zudem kreuzten sich dort wichtige Überlandrouten. Archäologische Funde wie reich verzierte Sporen und Gürtelbeschläge zeugen davon, dass sich dort die Elite versammelte. Gold- und Silberstücke weisen auf eine Goldschmiedewerkstatt hin, deren Produkte sich nur die Reichen leisten konnten.

Eine Kreuzfibel mit Glaseinlagen aus der Zeit um 800. Sie wurde bei einer archäologischen Grabung in Karlburg gefunden.
Foto: Andreas Bestle | Eine Kreuzfibel mit Glaseinlagen aus der Zeit um 800. Sie wurde bei einer archäologischen Grabung in Karlburg gefunden.

Auch für das Bistum Würzburg war Karlburg ein besonderer Ort. Als vom 6. bis 10. Jahrhundert geistige Strömungen die Welt veränderten, aus Heiden Christen wurden, entstand dort ein erstes Zentrum des frühen Christentums in der Region - noch vor Gründung des Bistums 742. Wo sich heute in Karlburg die Kirche befindet, werden das einstige Kloster - eines der ersten in Mainfranken - sowie der Königshof vermutet.  Hinweise dazu liefern archäologische Bodenfunde  wie Scheibenfibeln mit einem Kreuz in der Mitte, die als "Typ Karlburg" bezeichnet werden. Alle getauften Heiden erhielten dieses Kreuz als neues Zeichen ihres Glaubens erhielten.

Eben den frühen Christen in der Region war die Ausstellung in den beiden Räumen innerhalb der Kirche, direkt am historischen Ort, gewidmet. Die Geschichte des Museum, das erst 2017 eröffnet worden war, ist nun plötzlich zu Ende gegangen. Das bischöfliche Ordinariat in Würzburg hat das Aus verkündet. Für den ehemaligen Kunstreferenten der Diözese, den emeritierten  Domkapitular Jürgen Lenssen, ist das nicht nachvollziehbar. Das Karlburger Museum war sein letztes Projekt, bevor der heute 72-Jährige in den Ruhestand ging.

Die Illustration war Teil der Ausstellung 'Frühes Christentum in Franken' und zeigt Karlburg im Mittelalter. Heute gehört der Ort zu Karlstadt auf der gegenüberliegenden Mainseite.
Foto: Christine Jeske | Die Illustration war Teil der Ausstellung "Frühes Christentum in Franken" und zeigt Karlburg im Mittelalter. Heute gehört der Ort zu Karlstadt auf der gegenüberliegenden Mainseite.

Frage: Sie haben das Karlburger Museum aus der Taufe gehoben. Jetzt soll dort Schluss sein. Wie geht es Ihnen jetzt?

Jürgen Lenssen: Vor allem bin ich sehr erstaunt über die Begründung für die Schließung, die ich übrigens aus der Zeitung erfahren habe. Es wird mit Wasserschäden argumentiert. Diese waren jedoch nicht im musealen Einbau, sondern am Dach der Kirche. Sie sind nach Auskunft des Architekten längst behoben. Also kann das keine Begründung mehr sein. Die Schließung wurde außerdem im Ort trotz mehrfacher vorausgegangener Anfragen nicht kommuniziert. Mit dem Würzburger Domkapitel wurde auch nicht geredet. Entschieden hat das die Ordinariatskonferenz des Generalvikars.

Eigentlich spielt Karlburg für die Geschichte des Bistums Würzburg eine wichtige Rolle.

Lenssen: Wir haben hier wirklich die frühesten archäologischen Funde zum Christentum in der Region. Das war der Anlass, die frühe Geschichte des Bistums in Karlburg - am Ort - zu dokumentieren. Die Ausstellungsstücke repräsentierten das klösterliche Leben und die Aufgabe des Klosters.

Was verliert die Diözese durch die Schließung?

Lenssen: Der Geist von Karlburg sollte präsentiert werden - und wird jetzt zerstört. In der diözesanen Museumslandschaft wird nun die Frühgeschichte der Diözese ausgeklammert – als ob es sie nicht gegeben hätte. Die Besonderheit des Konzepts zeichnet sich ja dadurch aus, die Geschichte der Diözese nicht in einem zentralen Haus zu dokumentieren. Vielmehr sollte sie sich innerhalb der Diözese an mehreren Stellen widerspiegeln. Die jeweiligen Museen sollten zwischen Ort und Präsentationsstücken eine Verbindung schaffen. Zum Beispiel Oberschwappach: Dort wird im Schloss barocke Kunst in barocken Räumen gezeigt. In Gerolzhofen gotische Kunst in gotischen Räumen. Wenn ein Museum wegfällt, wie jetzt das in Karlburg, wird damit ganze dezentrale Museumskonzept, das von dem verstorbenen Bischof Paul-Werner Scheele mit getragen und unterstützt wurde, in Frage gestellt.

Die im Boden eingelassenen Gräber aus der Merowingerzeit (um 600) waren die Hauptattraktion im Museum in der Karlburger Pfarrkirche St. Johannes d. Täufer.
Foto: Günter Roth | Die im Boden eingelassenen Gräber aus der Merowingerzeit (um 600) waren die Hauptattraktion im Museum in der Karlburger Pfarrkirche St. Johannes d. Täufer.

Was geschieht jetzt mit den Ausstellungsstücken in Karlburg?

 Lenssen: Die merowingischen Gräber, die für viel Geld rekonstruiert wurden, werden wohl zugeschüttet. Im Stadtmuseum in Karlstadt, das gerade neu konzipiert wird, ist für die Karlburger Stücke kaum Platz. Es soll Überlegungen geben, Teile der Karlburger Präsentation ins Museum für Franken zu verlagern. Nur: Wir geben damit unsere eigene Frühgeschichte als Diözese aus der Hand. Und das halte ich für katastrophal.

Das Bistum befindet sich auf Sparkurs. Könnte das der Auslöser für die Schließung sein?

Lenssen: Der Unterhalt von Karlburg war sehr gering. Er belief sich auf einige Tausend Euro im Jahr. Das wöchentliche Gehalt eines Finanzberaters der Diözese ist höher als die Kosten von Karlburg. Es wird auch damit argumentiert, dass die personelle Situation des Kunstreferats ausschlaggebend für die Schließung war. Es gab aber noch nie so viele Mitarbeiter wie heute. Das kann es also auch nicht sein.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der diözesanen Museumslandschaft aus?

Lenssen: Es wird einem Angst, wenn das Museumskonzept, mit dem Würzburg innerhalb der Diözesen einzigartig war, jetzt wohl auf dem Prüfstand steht. Vielleicht läuft alles auf ein zentrales Museum hinaus - wie in den anderen Diözesen. Aber dann ist der Charme, und nicht nur, dann ist das Konzept des Museums, das ja gerade für viele andere und nicht nur kirchliche  Museen beispielgebend war, zerstört. Wir sind  bewusst auf die Dörfer gegangen, um damit auch deren Identität zu steigern. Man enttäuscht auch alle, die sich örtlich engagiert haben. Also: Der ideelle Schaden ist immens.

Stehen noch mehr diözesane Museen auf der Kippe?

Lenssen: Dafür gibt es bereits deutliche Anzeichen. Vor wenigen Tagen hat der Kunstreferent erst auf telefonische Anfrage hin dem Verein der Freunde der Kartause Astheim mitgeteilt, dass es dort keine Ausstellungen mehr geben wird und keine Investitionen mehr getätigt werden - ähnlich in Tückelhausen. Karlburg so scheint es, ist der Anfang vom Ende.

Die Pressmodel aus Karlburg (um 700) wurde für die Herstellung von Goldblechanhängern verwendet. 
Foto: Museum Karlburg | Die Pressmodel aus Karlburg (um 700) wurde für die Herstellung von Goldblechanhängern verwendet. 

Der Sparkurs der Diözese macht sich auch bei anderen Projekten bemerkbar, etwa bei Bauzuschüssen.

Lenssen: Aus den Gemeinden hört man von Absagen, obwohl es bereits eine schriftliche Zusage von der Diözese gab: Es besteht keine Verlässlichkeit mehr. Das konnte zum Beispiel die Kirchengemeinde in ihrer Sorge um den Erhalt der Kunigundenkapelle bei Burgerroth - ein einzigartiges Kleinod romanischer Kunst - erfahren. Und es ist nicht nachvollziehbar, woher die Anstöße zu diesen Unzuverlässlichkeiten kommen. So etwas kannten früher nur absolutistische Staaten. Ich dachte, aber da bin ich wohl zu kindlich in meinem Glauben, dass das überwunden sei.

Zeichnet sich durch die finanziellen Schieflagen in etlichen Diözesen ein Kulturverlust in der Kirche ab?

Lenssen: Es hat den Anschein, dass für das kirchliche Handeln nur noch wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend sind. Wenn ich nur auf die Wirtschaftlichkeit schaue, hat Kultur keinen Ort mehr. Es geht nur noch um die Dinge, die sich rechnen. Damit mindert man aber damit den kirchlichen Auftrag, der Lebenskultur miteinschließt. Die Kirche war immer Kultur- und Bildungsträger. In ihren Sakralräumen lenkte sie durch deren künstlerische Ausstellung den Blick auf Vergangenheit und Zukunft. Bischof Paul-Werner sprach diesbezüglich von der uns aufgetragenen Kulturdiakonie. Von diesem pastoralen Auftrag, den er förderte, sind wir mittlerweile weit entfernt. Die Diözese nimmt sich nicht nur mit der Schließung von Karlburg die Präsentation der geschichtlichen Wurzeln, aus denen heraus sie gewachsen ist. Das ist ein kulturloser und geschichtsloser Blick. Ich kann ihn nur auf eine Kurzsichtigkeit zurückführen. Aber das ist nicht nur ein kirchliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Man bevorzugt leider das niedrige Niveau.

 
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