Eiserne Schwerter, bronzene Fibeln, feuervergoldete Sporen, reich verzierte Gürtelbeschläge und anderer glänzender Zierrat, Münzen, Anhänger, Gefäße aus Keramik, Reliquiare aus Gold, Webbrettchen aus Horn, Knochenreste, Muscheln, Kämme und vieles mehr – rund 2000 Objekte werden in den Vitrinen der Würzburger Ausstellung präsentiert, stumme Zeugen einer fernen Zeit. Geschichte wird jedoch erst lebendig, wenn man die Ausstellungsstücke „zum Sprechen bringt“. Dr. Helge Zöller, Archäologe am Mainfränkischen Museum und Leiter der Ausstellung „Eine Welt in Bewegung“, weiß Bewegendes zu berichten von der großen Vergangenheit des kleinen Ortes Karlburg.
Legenden haben einen wahren Kern, heißt es. Karlburg ist gleich mit zwei dieser sagenhaften Geschichten verbunden. Zwei Frauen stehen im Mittelpunkt. Die heilig gesprochenen Gertrud von Nivelles, Tochter des karolingischen Hausmeiers Pippin der Ältere, soll sich in der Siedlung am Main vor einem ungeliebten Heiratskandidaten versteckt und Mitte des 7. Jahrhunderts dort ein Kloster gegründet haben. Stimmt dies, dann wäre das Kloster eines der ersten in Mainfranken gewesen.
Ein Jahrhundert später war es der fromme Wunsch der seligen Immina, im Kloster Karlburg ihren Lebensabend verbringen. Sie war die Tochter des letzten in Würzburg greifbaren Amtsherzogs, Heden II., sowie Enkelin von Gozbert und von Gailana, die als Mörderin der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan traurige Berühmtheit erlangte; deren zweifelhafter Ruf ist nicht zweifelsfrei belegt.
Zumindest hinter Imminas Geschichte könnte ein wahrer Kern stecken, denn in der Lebensbeschreibung von Burkard, erster Bischof von Würzburg, steht geschrieben, dass Immina ihn um einen Tausch gebeten habe: Kloster Karlburg gegen ihre Besitzungen auf dem Würzburger Marienberg. Ob dieser Handel tatsächlich freiwillig geschehen ist, gilt als umstritten. Helge Zöller meint, dass es Begehrlichkeiten des Bischofs gab, an exponierter Stelle zu residieren. Deshalb musste Immina aus Würzburg weg. Da sie nicht irgendwer war, bot man ihr auf Lebenszeit Karlburg an. Eine weitere Legende besagt, dass um 688/689 in der Nähe Karlburgs, in Mühlbach, der fränkische Hausmeier Karl Martells, der Großvater Karls des Großen, geboren wurde – in einer Mühle. „Das ist wohl eher volkskundlicher Glaube“, sagt Zöller.
Als glaubhaft gilt allerdings, dass die Karolinger dem 741/742 gegründeten Bistum Würzburg gewogen waren. Karl Martells Sohn Karlmann schenkte ihm zur Erstausstattung unter anderem die Siedlung Karlburg. „So war es erst möglich, Immina ein ihrem Stand entsprechendes Tauschobjekt anzubieten“, sagt Zöller. Später kam noch die zum Siedlungskomplex gehörende Höhenburg Karlsburg dazu. Sie wurde dem Bistum von Karlmanns Bruder Pippin der Jüngere übereignet, der mit Hilfe Bischof Burkards die Merowinger vom Königsthron vertrieb und nun alleine das Frankenreich regierte. Auch der berühmteste Karolinger, Pippins Sohn Karl der Große, weilte nachweislich öfters in Würzburg.
Die Geschenke der Karolinger ans Bistum bestätigen königliche Urkunden. Archäologische Urkunden sind dagegen nicht aus Pergament. Es sind die vielen Bodenfunde. Sie belegen: Karlburg hatte tatsächlich eine große Vergangenheit, war ein frühmittelalterlicher Zentralort. Dort traf sich die Elite, die Wegbereiter der damaligen Welt. Davon zeugen beispielsweise Überreste von reich verzierten Sporen und Gürtelbeschlägen. Gold- und Silberstücke weisen auf eine Goldschmiedewerkstatt hin, deren Produkte sich nur die Reichen leisten konnten. Archäologisch nachgewiesen sind auch Grubenhäuser, in denen beispielsweise Webstühle standen. In Karlburg blühten Handwerk und Handel. Und Karlburg war ein Verkehrsknotenpunkt.
Es gab eine Furt, einen Hafen. Der Main war ein wichtiger Transportweg. Zudem kreuzten sich dort Überlandrouten. Es war damals eben eine Welt in Bewegung – nicht nur, was die Mobilität betrifft. Im frühen Mittelalter, in der Zeit vom 6. bis 10. Jahrhundert, kam es zu grundlegenden Veränderungen in Politik, Kultur und Gesellschaft, zu geistigen Umwälzungen. Aus Heiden wurden Christen. Das zeigen die Scheibenfibeln mit einem Kreuz in der Mitte, die als „Typ Karlburg“ in die Geschichte eingingen und die alle getauften Heiden als neues Zeichen ihres Glaubens erhielten.
Die reichen Funde, das Glück der Archäologen, beruht auf einem Unglück. Karlburg wurde um 1236 von den Rieneckern Grafen niedergebrannt, der Großteil der Siedlung nicht wieder aufgebaut. Das erleichtert Grabungen. Die Ausmaße des heutigen Ortes nehmen lediglich ein Viertel des ursprünglichen ein. Wo sich heute die Kirche befindet, wird das einstige Zentrum mit Kloster und Königshof vermutet.
Karlburg hat sich von der Zerstörung durch die Rienecker nicht wieder erholt. Aber die Erinnerung daran, ebenso an die große Zeit des Ortes, blieb noch lange erhalten. Heute gehört Karlburg zu Karlstadt, eine Stadtgründung um 1200 auf der gegenüberliegenden Mainseite, als Bollwerk gegen die Rienecker Grafen. Den Karlburgern hat das nichts genutzt. In der Ausstellung ist das Stadtsiegel von Karlstadt zu sehen, an dem auch das Karlburger hängt.
Im Blickpunkt
Zentralorte Karlburg und Balhorn Neben Karlburg ist aufgrund enger Verbindungen und Gemeinsamkeiten Balhorn Gegenstand der Würzburger Ausstellung. Balhorn, bei Paderborn am Hellweg gelegen, ist ebenfalls ein bedeutender frühmittelalterlicher Zentralort. Öffnungszeiten der Ausstellung im Mainfränkischen Museum: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr (bis 16. November), Tel. (09 31) 2 05 94 - 0 bzw. 20 594 39; im Internet: www.eine-welt-in-bewegung.de