Was bleibt übrig vom Kulturstaat Bayern nach der Corona-Krise? Ohne bessere Hilfe vom Freistaat nicht sehr viel, warnen Grüne, SPD und FDP im Landtag: "Wenn sich hier nicht dramatisch etwas ändert, werden viele Kulturschaffende diese Krise wirtschaftlich nicht überstehen", befürchtet etwa der frühere Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP).
Denn die Zahlen sind dramatisch: Laut bayerischem Kunstministerium geht man bundesweit in der Kultur- und Kreativ-Wirtschaft für 2020 von einem Umsatzeinbruch von bis zu einem Viertel im Vergleich zum Vorjahr aus. Theater, Film und Musik stürzen demnach beim Umsatz gar um bis zu zwei Drittel ab. Kinos liegen bei minus 60 Prozent.
Künstlerhilfe in Bayern "keinen Deut besser, als im Frühjahr"
Auch die Betroffenen selbst beurteilen ihre Lage durch den zweiten Lockdown, der die Kultur erneut auf Null zurückgefahren hat, dramatisch: Trotz vieler Versprechen der Politik und einer inzwischen fast schon unübersichtlichen Zahl an staatlichen Hilfsprogrammen sei vor allem für Solo-Selbständige "die Situation im Dezember keinen Deut besser als im Frühjahr", kritisierte etwa Bernd Schweinar vom Verband für Popkultur in einer Landtags-Anhörung kurz vor Weihnachten.
Auch Joachim Schulz von der Posthalle Würzburg warnte dort vor schwerwiegenden Folgen des Corona-Lockdowns für die Kultur: "Je länger die Krise andauert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es bestimmte Akteure der Kultur-Szene nach Ende der Krise nicht mehr gibt."
Söders Ankündigungen zur Kulturhilfe mit dürftigem Ergebnis
Eine Entwicklung, die Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eigentlich verhindern wollte: Mehrfach kündigte Söder im vergangenen Jahr dick ausgestattete Hilfsprogramme des Freistaats für die Kultur an. Das Ergebnis der Bemühungen bleibt nach Einschätzung der Betroffenen jedoch bis heute dürftig – auch wenn Kunstminister Bernd Sibler (CSU) beteuert, er setze sich weiter "mit Herzblut dafür ein, die Kunst- und Kulturschaffenden in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen".
Am Besten funktioniert im Freistaat offenbar noch die Förderung der kulturellen Infrastruktur, etwa durch ein "Spielstätten- und Veranstalterprogramm" mit einem Volumen von bislang 7,2 Millionen Euro oder eine eigene bayerische Kino-Hilfe. Beide Programme, die Fixkosten staatlich abfedern sollen, wurden bereits bis zum 30. Juni 2021 verlängert.
Erst Künstlerhilfe in Bayern im Frühjahr eine "Fehlzündung"
Kaum Unterstützung kommt allerdings bis dato bei den Künstlern selbst an, vor allem bei den Solo-Selbständigen: Die erste "Künstlerhilfe" von maximal drei Mal tausend Euro im Frühjahr 2020 habe Söder selbst in einem Gespräch mit Kulturschaffenden als "Fehlzündung" bezeichnet, berichtete Schweinar. Zu kompliziert, zu viele Einschränkungen und Abzüge, lautete die Kritik. Unter dem Strich stehen rund 7700 Anträge mit einem Fördervolumen von 19,3 Millionen Euro – sowie die Gefahr von Rückforderungen des Freistaats für einen Teil der Empfänger.
Verbesserung versprach ein Ende Oktober angekündigtes "Solo-Selbständigen-Programm", das für Oktober bis Dezember Einbußen im Vergleich zum Vorjahr mit einem "fiktiven Unternehmerlohn" von bis zu 1180 Euro ausgleichen soll. Doch auch hier hakt es im Detail: Die Beantragung war erst ab 18. Dezember möglich – drei Tage, nachdem die Opposition mit einer Anhörung zum Thema im Landtag mächtig Druck gemacht hatte.
Hilfe für Solo-Selbständige: Erst 400 Anträge bewilligt
Eine Verlängerung ins neue Jahr steht zudem noch aus – trotz anders lautendem Kabinettsbeschluss aus dem Oktober. Und auch die Auszahlung kommt nur schleppend voran: Erst 400 von 2700 Anträgen seien bewilligt, teilte Kunstminister Sibler kürzlich mit. Schätzungen gehen von bis zu 80 000 antragsberechtigten Solo-Selbständigen in Bayern aus.
"Die Künstlerhilfen des Freistaats funktionieren bislang nicht", kritisiert deshalb der unterfränkische SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib. Und ohne Druck von außen bewege sich das Sibler-Ministerium schlichtweg nicht. Sibler habe die Corona-Probleme der Künstler bis heute nicht verstanden, kritisiert auch Kultur-Lobbyist Schweinar: Und der von Söder vollmundig formulierte politische Wille, den Kulturschaffenden zu helfen, "zerbröselt in der Verwaltung".
"Sechs-Punkte-Katalog" der Opposition im Landtag
Grüne, SPD und FDP wollen deshalb erneut im Landtag Druck machen: In einem "Sechs-Punkte-Katalog" fordern sie von der Söder-Regierung unter anderem eine Verlängerung des fiktiven Unternehmerlohns, einen staatlichen Ausfall-Fonds für coronabedingt abgesagte Kulturveranstaltungen oder staatliche Unterstützung für den "Re-Start" der Kultur nach der Krise.
"Wenn wieder geöffnet werden kann, muss die Kultur einer der ersten Bereiche sein", fordert zudem SPD-Kultursprecher Halbleib. Klare Rahmenbedingungen dafür wie Hygiene-Vorgaben, digitale Besucher-Registrierung oder flexible Regeln für die Publikums-Größe müssten von Sibler jetzt schon vorbereitet werden: "Doch da sehe ich bislang nichts und das macht mir große Sorgen", kritisiert Halbleib. "Ich fürchte, dass die Söder-Regierung hier leider erneut zu Lasten der Kultur die Zeit verschläft."