
"Vergiss, was du aus dem Alten Testament über Noah und seine Arche in Erinnerung hast." Das ist der erste Gedanke, der einem durch den Kopf schießen könnte, wenn man als Erwachsener auf der Freilichtbühne des Theaters Schloss Maßbach drei Pinguine in Trainingsanzügen und mit Baseballmützen über die antarktische Bühne watscheln sieht, während sie ganz und gar kindlich über die Existenz Gottes philosophieren.
Ulrich Hubs seit 2005 mit großem Erfolg landauf landab gespieltes, preisgekröntes Stück für Kinder ab sechs, "An der Arche um acht", soll die Kleinen in diesem Maßbacher Theatersommer entzücken. Und das tut es in der Inszenierung von Daniela Scheuren auch (Bühnenbild: Robert Pflanz, Kostüme: Daniela Zepper).

Sicher wegen des Vergnügens, mit dem Jonas Stüdemann, Yannick Rey und Benjamin Jorns in die Rolle von Pinguin 1, 2 und 3 schlüpfen und Silvia Steger in die der Taube, der sozusagen das Fahrgastmanagement auf der Arche obliegt. Natürlich sorgen auch die hiphoppigen Schlagersongs (musikalische Leitung: Ingo Pfeiffer), mit denen sich die Pinguine gegen die Düsternis rüsten, für gute Laune.
Die Geschichte löst in den Kindern unmittelbare Emotionen aus
Freudige Aufmerksamkeit ist aber auch spürbar, weil die Geschichte in den Kindern etwas berührt, das viele Erwachsene mühsam aus verborgenen Nischen hervorkramen müssen: Fantasie, Fabulierlust, und Freude am Spiel mit Gedanken, Worten und Situationen. Die drei Fs könnten als magischer Dreiklang dem Schutz kindlicher Welten dienen, sollten Erwachsene mit normativen Erwartungen die Freiheit des munteren Gedankenverknüpfens bedrohen.

Wie war das denn, als man biblische oder auch Geschichten aus anderen Weltreligionen voller Staunen in die eigene Abenteuerwelt setzen konnte? Als man sich seine Bilder eines himmlischen Wesens, ob freundlich oder strafend, selbst zusammenkritzelte? Als man Mitleid für Mensch und Tier empfand, für die auf der Arche kein Platz war? Als man keinerlei Ahnung von theologischer Symbolik hatte und trotzdem tief in sich eine Sehnsucht nach Geborgenheit, Freundlichkeit und Gerechtigkeit spürte? In diese Zeit – Vorsicht, Pathos! - kindlicher Unschuld führt uns Ulrich Hub. Mit Ironie und vor allem mit Liebe zu seinen Figuren, die hoffnungsvolle Leidtragende sind.
Ein glückliches Ende, ein vielversprechender Neuanfang und eine Riesenüberraschung
An der Arche kurz vor dem letzten Check-In-Termin: Es regnet in Strömen, die Sintflut naht, der Platz ist arg begrenzt. Von jeder Gattung dürfen nur zwei an Bord. Die überforderte Taube vergibt die letzten Tickets an zwei Pinguine. Was aber wird aus Pinguin 3, den seine Freunde niemals im Stich lassen würden - trotz aller Kabbeleien? Gewieft, wie Pinguine nun mal sind, wird er an Bord geschmuggelt. Ein ganz schön mutiges Unterfangen! Gut, dass die Maßbacher Arche trotz blindem Passagier nicht ins Schwanken gerät.
Ein glückliches Ende, ein vielversprechender Neuanfang und eine Riesenüberraschung für die Pinguine. Der Himmel klart auf. Der Regenbogen leuchtet, für die einen hochsymbolisch, für die anderen einfach nur zauberhaft. Es gibt Hoffnung auf eine freundliche, gerechte Welt. Die Hubschen Lebewesen berühren in ihrer Naivität, Wahrhaftigkeit und, ja, auch Fehlbarkeit das junge Publikum unmittelbar. Ohne dass es den Kindern bewusst sein muss, verhandelt die Geschichte Grundwerte des Christentums – wie die jeder Religion, die auf Humanismus baut – in ihrer ursprünglichsten Form. Und genau das beflügelt das Geschehen auf der Maßbacher Arche, mit Fantasie, Fabulierlust und Freude am Spiel mit Gedanken, Worten und Situationen.
Vorstellungen auf der Freilichtbühne bis 29. Juli. Infotelefon (09735) 235. www.theater-massbach.de