
Es gibt im neuen Sommerstück der Unterfränkischen Landesbühne in Maßbach, "Emmas Glück", einen Running Gag, der mehr über die Geschichte aussagt als die Tatsache, dass er für lustvolle Höhepunkte im Leben der einsamen Jungbäuerin Emma sorgt: Immer, wenn ihr Leid wieder mal unerträglich wird, setzt sie sich auf ihr altes Moped und holpert mit wachsendem Lustgewinn auf unrunden Felgen und mit leiberschütternden Fehlzündungen stöhnend über Stock und Stein.
Diese sich wiederholende Szene bedeutet erst einmal, dass der 2006 verfilmte Roman von Claudia Schreiber – in der Bühnenbearbeitung von Heiner Kondschak von Augustinus von Loë inszeniert – mehr ist als eine leichte Sommerkomödie. Die Geschichte handelt von vielerlei gleichzeitig: Von Einsamkeit. Von Sehnsucht nach Liebe. Von Lust auf Sex. Vom Genuss des Augenblicks. Von Sterbehilfe. Vom Tod.

Vom Traum eines idyllischen Landlebens, wo Schweine und Kühe und Hühner fröhlich über Wies und Au springen. Wo sie einen Namen haben und nach glücklichem Leben von ihrer Bäuerin sanft ins Jenseits befördert werden. Weil der nichtvegetarische Mensch sich eben von jeher von Wurst und Fleisch ernährt. Punkt.
Emma verteidigt ihren Bauernhof auf der Bühne in Maßbach mit Messer und Gewehr
Im erstaunlich mobilen, mehrstöckigen und rustikalen Bauernhofambiente – Strohballen-Doppelbett inklusive - von Bühnenbildner Robert Pflanz (Kostüme: Jutta Reinhard) hängen die geräucherten Würste überm Holzofen in der Küche. Zudem wird das Milieu mit Gegacker, Gebell und Gemuhe aus der Konserve orchestriert. Ab und zu mischt sich sogar ein Täubchen aus dem Park in die Szene.
So weit, so gut und so lustig wie die gefüllten Stoffsäckchen, die die Tiere mimen. Da kann der Hof noch so verdreckt und verschuldet sein: Emma verteidigt ihr Refugium mit Schlachtermesser und Schießgewehr. Und man möchte der wunderbar leidenschaftlichen Anna Katharina Fleck als Emma in solchen Augenblicken wirklich nicht über den Weg laufen.
Max landet statt in Mexiko bei Emma auf dem Bauernhof
Es sei denn, man wäre Max. Max – intensiv zurückhaltend gespielt von Ludwig Hohl - ist auf der Flucht. Vor der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs und vor Freund Hans, dem er viel Geld und einen flotten Wagen geklaut hat.

Weil er nur noch wenige Monate zu leben hat, will Max seinem letzten Wunsch näher kommen, wird aber auf dem Weg zum Flughafen mit überhöhter Geschwindigkeit aus der Kurve getragen und landet statt in Mexiko auf Emmas Hof und bald in ihren Armen. Das Theater Schloss Maßbach inszeniert diese Szene so naturalistisch, dass erstmals in der langjährigen Geschichte des Hauses ein leibhaftiges Auto aus dem Nichts auf die Bühne schlittert.
Widerspruch zwischen Liebesgeschichte und Klamauk funktioniert bei "Emmas Glück" nicht
Das ist der Beginn einer schrägen Liebesgeschichte. Sie lebt von zutiefst tragischen Augenblicken, die sogar dazu führen, dass bei absoluter Stille im Publikum Schluchzer voller Teilnahme zu hören sind. Äußerst selten bei einer Sommerkomödie.
Die Geschichte lebt von zwei sympathischen Eigenbrötlern, die verzweifelt hoffnungsvoll gegen den Strom und gegen die Zeit schwimmen. Aber sie lebt auch von haarsträubendem Firlefanz. Als wolle die Autorin – und mit ihr der Regisseur – dem Publikum nicht zu viel Tiefsinn zumuten und mit Klamauk gegensteuern.
Feine Hauptfiguren und komödiantische Neben-Charaktere in Maßbach
Die drei Nebenrollen sind halbfertige Charakter-Karikaturen, so komödiantisch sie die Maßbacher auch spielen. Das lächerliche Muttersöhnchen, Polizist Henner (Marc Marchand) und seine ewig keifende, gehässige Mutter (Susanne Pfeiffer). Und Maxens Freund Hans (Tobias Wollschläger), der sich im Lauf der Geschichte, wie der unglücklich dauerverliebte Henner, wundersam wandelt. Sie bleiben nicht zu Ende gedachte Kontrastfiguren zu den beiden weitaus feiner gezeichneten Hauptpersonen der Geschichte.

Das ist das Dilemma der Inszenierung und wohl auch der Vorlage: Die Geschichte ist unrund wie der Lauf von Emmas Moped. Die Poesie der tragikomischen Liebesgeschichte passt nicht zu den Hau-Drauf-Attitüden und Slapstick-Allüren der Randfiguren. Und deshalb verlässt der Rezensent das Theater mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Weitere Termine: Vorstellungen bis 23. Juli auf der Freilichtbühne.
Weitere Informationen: Infos und Karten über Telefon 09735-235 oder unter theater-massbach.de.