Der rund 3000 Jahre alte sogenannte Berliner Goldhut zählt zu den berühmtesten archäologischen Objekten in Deutschland. Der hohe schmale 74 Zentimeter hohe Kegel aus sehr dünnem Goldblech, hätte womöglich die Sensation für die fränkische Region werden können – ähnlich spektakulär, wie dies die Himmelsscheibe von Nebra für Sachsen-Anhalt wurde. Doch der Goldhut, eine zeremonielle Kopfbedeckung mit kreisrunden Ornamenten, die ein kalendarisches System zu Sonnen- und Mondjahren bilden, kam auf dubiosen Wegen nach Berlin und ist jetzt dort der Besuchermagnet im Neuen Museum beziehungsweise in der dort präsentierten Sammlung des einstigen Museums für Vor- und Frühgeschichte.
Seit langem wird in Fachkreisen vermutet, dass der Berliner Goldhut vom Bullenheimer Berg in der Nähe von Seinsheim (Lkr. Kitzingen) stammen könnte, über dessen Plateau die Grenze zwischen Mittel- und Unterfranken verläuft. Doch die Fundumstände sind bis heute nebulös. Der renommierte Prähistoriker Wilfried Menghin (1942-2013), der das faszinierende Kultobjekt aus der Bronzezeit 1996 in der Schweiz – angeblich aus einer Privatsammlung – angekauft hatte, löste das Rätsel nicht auf.
Bullenheimer Berg war "Eldorado" für Schatzsucher
Dr. Andreas Büttner, Referatsleiter für Bodendenkmäler in Ober- und Unterfranken beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, bedauert dies sehr. Menghin sei bewusst gewesen, dass dieser Museumsankauf eines "Funds ohne Fundort" ein Tabu war; doch er habe natürlich schnell erkannt, was ihm da aus dunklen Kanälen angeboten wurde.Dementsprechend hoch war die Kaufsumme, die Rede ist von umgerechnet einer dreiviertel Million Euro. Europaweit sind bislang nur vier Goldhüte bekannt.
Ebenso bedauerlich sei, so Büttner, dass die Ausgräber zeitlebens eisern schwiegen. So gingen mögliche Erkenntnisse wohl für immer verloren. Der Denkmalschützer ist sich sicher: Wären die Finder des Goldhuts damals nicht nur aufs Geld aus gewesen, sondern hätten vielmehr auch ein archäologisches Interesse besessen, dann könnte der Fund heute "Bullenheimer Goldhut" heißen.
Die Geschichte des Goldhuts begann in den 1970er Jahren, erzählt Büttner. Damals sei der Bullenheimer Berg ein "Eldorado" für Schatzsucher gewesen. Sondengänger waren dort bis vor wenigen Jahren mit ihren Metalldetektoren unterwegs. Es gab viel zu finden. 2012 präsentierte das Knauf-Museum in Iphofen in der Ausstellung "Mythos Bullenheimer Berg" Hortfunde, von denen fast alle aus Raubgrabungen stammen – und dazu eine Replik des Berliner Goldhuts. „Heute ist dort alles geplündert“, so Büttner, "kein Metallstück taucht aus dem Boden mehr auf."
Büttner hat immer wieder mit spannenden Funden und zugleich ungeklärten Fundumständen zu tun. Er ist in Bayern der Experte für den Themenbereich "Illegale Archäologie". Und er hat es schwer – weil im Gegensatz zu anderen Bundesländern die gesetzlichen Vorgaben im Freistaat eine große Lücke aufweisen. "Es muss dringend ein Schatzregal her", fordert Büttner. Doch bislang kämpfte er vergebens dafür.
Die rechtliche Form des "Schatzregals" regelt die Eigentumsverhältnisse eines "herrenlosen" archäologischen Fundes, informiert Bütter. Wenn ein Fund einen herausragenden wissenschaftlichen Wert hat, geht er in das Eigentum des Bundeslandes über. Nicht so in Bayern. Dort gilt uneingeschränkt die "Hadrianische Teilung". Der Fund gehört dem Finder und dem Eigentümer des Grundstücks, wo das archäologische Artefakt aufgespürt wurde.
Was ein fehlendes Schatzregal bedeutet, hat der Bodendenkmalpfleger im April bei der Tagung der Verbände für Altertumskunde in Würzburg erläutert. Dass auch in anderen Bundesländern nicht alles so einfach zu händeln ist mit manchen Sondengängern, wurde durch die Ausführungen seiner Kollegen aus den Bundesländern deutlich, wo es ein Schatzregal gibt. Ein solches sei aber in Bayern dringend nötig – für alle Beteiligten: Archäologen, Denkmalpfleger, Hobbyarchäologen, Sondengänger, professionelle Schatzsucher. Und vor allem für Raubgräber, um deren krimineller Energie Einhalt zu gebieten.
Selbst wenn nach einer Auffindung nachgegraben wird – was auch in Bayern nicht erlaubt ist –, bleibt es bei dieser Regelung, obwohl dies strafrechtlich als Ordnungswidrigkeit gilt. "Raubgräber planen eine mögliche Strafe mit ein", sagt Büttner. Diese würden den Gewinn, den sie beim Verkauf des illegal geborgenen Fundes erzielen, nur geringfügig schmälern.
Ganz ohne gesetzliche Regelungen ist der Freistaat jedoch nicht. Es gelten die sogenannten Schatz-Paragrafen im Bayerischen Denkmalschutzgesetz. "Sondler" können zwar ohne Genehmigung auf die Suche gehen. Und dies laut Büttner auf über 98 Prozent der Flächen. Sie müssten aber die Grundstückseigentümer um Erlaubnis bitten. "Lediglich im Bereich der Bodendenkmäler ist das Sondengehen nicht erlaubt, aber daran halten sich nicht alle." Diese Flächen, in denen sich Kulturdenkmäler im Erdboden befinden (Siedlungsreste, Gräberfelder), sind im Bayerischen Denkmal-Atlas verzeichnet. Er kann im Internet abgerufen werden. "Dort sind die Bodendenkmäler in roten Flächen dargestellt", so Büttner. Aber Schatzräuber seien vor allem auf diesen gekennzeichneten Bodendenkmälerflächen unterwegs.
Raubgräber zerstören archäologischen Fundzusammenhang
Wer auf "erlaubten" Flächen etwas findet, muss den Fund melden. Wenn der Fund archäologisch nicht relevant ist, wird er nach der Registrierung und Auswertung in der Regel an die Finder zurückgegeben. Wenn nicht, dann käme wieder das von Büttner gewünschte Schatzregal ins Spiel, das dem Bundesland zumindest ein Vorkaufsrecht einräumt.
Immer wieder erlebt der Denkmalpfleger, dass die gesetzlichen Regelungen in Bayern von Sondengängern mit krimineller Energie ausgehebelt werden. An ihnen prallt der Hinweis ab, dass durch ihre unprofessionellen und illegalen Raubgrabungen die im Fundkomplex enthaltenen wichtigen Informationen für immer verloren sind. "Sie zerstören die Fundzusammenhänge und damit archäologische Erkenntnisse, die gewonnen werden könnten." Oft genug tauchen im Kunsthandel oder in Auktionshäusern Objekte auf, die zwar spektakulär, aber für die Forschung nur schwer einzuordnen sind, oder deren Fundort verschleiert wird – wie beim "Berliner Goldhut".