
Zwei beherrschende Themen gibt es dieser Tage im Netz, und nein, der Bundestagswahlkampf gehört nicht dazu. Da ist einerseits die Flut in Texas und die Frage, ob Donald Trump auf den Hurrikan „Harvey“ besser oder noch schlechter reagiert hat als weiland George W. Bush auf „Katrina“. Und, als Randerscheinung sozusagen, eine gewisse Ratlosigkeit, wie jemand, in diesem Falle Melania Trump, auf die Idee kommen kann, ein Notstandsgebiet in „Zwölf-Zentimeter-Schlangenleder-Stilettos“ (FAZ) zu besuchen.
Und dann ist da „Game of Thrones“, die Serie, die die Menschen derzeit bewegt wie keine andere – zumindest, wenn man ihre Resonanz in den klassischen und in den Sozialen Medien zum Maßstab nimmt.
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Soeben ist die siebte und vorletzte Staffel zu Ende gegangen, die Gemeinde noch ganz benommen von den jüngsten Entwicklungen auf dem fiktiven Mittelalter-Kontinent Westeros. Kein Feuilleton ohne kulturgeschichtliche, philosophische oder politische Einordnung, keine Showbiz-Plattform ohne listige, verwegene, lustige oder absurde Theorien über den zu erwartenden Fortgang der Saga. Höchstwahrscheinlich kennt sich schon der durchschnittliche Fan besser in den Familienverhältnissen der Stark, Targaryen, Lannister, Greyjoy, Mormont oder Tyrell aus als in seinen eigenen.
Es geht nur noch um Gut gegen Böse
„Game of Thrones“-Neueinsteiger oder -Nachzügler sollten ab hier die Lektüre dieses Artikels einstellen, wollen sie nicht Dinge erfahren, deren Sinnhaftigkeit sich im Grunde nur nach gut 60 Stunden hochkonzentrierter Fernseharbeit erschließt.
Andererseits sind mit dieser jüngsten Staffel (seit Staffel 6 schon wirkt George R. R. Martin, Autor der Buchvorlage, nicht mehr an den Drehbüchern mit) Personal und Handlung so ausgedünnt, dass auch völlig Ahnungslose kein Problem haben dürften, der Serie zu folgen. Sie verstehen halt nicht jede der vielen Anspielungen auf frühere Ereignisse.
Wir sind auf „Herr der Ringe“-Niveau angekommen
„Game of Thrones“ geht aufs Ende zu und ist in dieser Vorschlussrunde enttäuschend übersichtlich geworden: Im Süden sitzt die fiese Cersei als selbsternannte Königin ohne Land (aber mit viel Geld) auf dem Eisernen Thron und träumt von der Weltherrschaft des Hauses Lannister. Von Norden her marschieren die White Walker und ihre Armeen der Untoten ein, um alles Lebende auszulöschen.
Dazwischen einerseits die Drachenmutter und – grob vereinfacht gesagt – Gegenkönigin Daenerys Targaryen mit ihren Vasallen und andererseits die Häuser des Nordens, die dem vermeintlichen Bastard Jon Snow Gefolgschaft geschworen haben.
Damit sind wir auf „Herr der Ringe“-Niveau angekommen: Es geht nunmehr nur noch um Gut gegen Böse. Cersei und die White Walker sind böse, alle anderen sind gut. Denn – letzte Spoiler-Warnung! – Daenerys und Jon haben sich zusammengeschlossen (politisch wie persönlich), um selbstlos alles gegen die Bedrohung aus dem Norden in die Bresche zu werfen. Eine solche hat nämlich der getötete und als Zombie wiedererweckte Drache von Daenerys mit blauem Feuer in die Große Mauer geblasen.
G 20-Treffen der Fantasy-Warlords
Ein klein wenig Spannung für die finale Staffel 8, die – oh Schreck! – möglicherweise erst 2019 rauskommt, liegt noch in der Frage, ob die Alliierten des Guten auf Cerseis List hereinfallen. Die hatte nämlich nach einer Art G 20-Treffen der Fantasy-Warlords gelobt, das Ihre im Kampf gegen die Untoten beizutragen, doch wie sich alsbald zeigt, denkt sie – natürlich – nicht daran, Wort zu halten.
Eine Gemeinheit von derartiger Niedertracht, dass sich nun sogar Jame, Bruder, Liebhaber und Vater ihrer Kinder, endlich aufrafft, sie zu verlassen. Womit ein weiterer psychologischer Konflikt wegfällt.
Vorbei die wuselige Weitläufigkeit, die fortwährend Neues brachte
Vorbei die wuselige Weitläufigkeit, die fortwährend neue Figuren, Kulturen, Motivationen einführte, vorbei die persönlichen Entwicklungen, die „Game of Thrones“ in den besten Zeiten zu einem gigantischen Entwicklungsroman von nahezu shakespearescher Dimension machten. Die Figuren haben jeweils ihre letzte Ausbaustufe erreicht, die Dialoge kommen selten über strategische Scharmützel hinaus.
Und doch: Noch macht es Spaß, diese unglaublich opulenten Bilderfindungen zu bestaunen. Und ein, zwei echte Aufreger stehen ja doch noch bevor. Wie wird Jon Snow reagieren, wenn er endlich (quasi als letzter) erfährt, dass er mitnichten ein Bastard, sondern ein ehelich geborener Targaryen ist und damit rechtmäßiger Thronerbe (und Daenerys seine Tante)? Und was verbindet Bran Stark wirklich mit dem Nachtkönig?
Ein bisschen Drama und ganz viel Schlachtengetümmel wird es wohl noch mal geben, aber wenn die holzschnittartigen Vergröberungen so weitergehen, dürften sich die Entzugserscheinungen nach dem endgültigen Aus der Serie in Grenzen halten.