Sollen wir anfangen?“ Nur diese drei Worte sagt die sonst nicht gerade auf den Mund gefallene Daenerys Targaryen in der ersten Folge der siebten (und vorletzten) Staffel von „Game of Thrones“. Und Tyrion Lennister (Peter Dinklage), sonst der beredteste aller Charaktere der Fantasy-Kultserie, kriegt den Mund gleich gar nicht auf. Die Frage der feuerfesten Sturmtochter und Drachenmutter kommt spät, ganz zum Schluss, am Ende eines lang ersehnten Wiedersehens. Seit über einem Jahr waren die Fans auf Wiederholungen angewiesen. Und auf wildeste Spekulationen, wie es weitergehen werde in dieser Welt aus Feuer und Eis.
Immerhin: Noch hat es keine Sympathieträger erwischt
Es wäre tatsächlich ganz gut, wenn die Herrschaften mal anfangen würden, denn es ist noch nicht allzu viel passiert in dieser ersten Folge. Andererseits, und so viel darf man verraten, das werden auch die Leserinnen und Leser verzeihen, die noch nicht wieder eingestiegen sind, hat Autor George R.R. Martin vorerst auf seine Lieblingsbeschäftigung verzichtet: das Ermorden von Sympathieträgern. Eine ganze Folge lang hat nicht ein einziger Publikumsliebling dran glauben müssen.
Das müsste – ebenso wie die Einschalt- beziehungsweise Streamingquoten zum Start der Staffel – Rekord sein, schließlich kann man sich bei „Game of Thrones“ bislang nur auf eines verlassen: Früher oder später erwischt es auch deinen Liebling!
Wo also stehen wir? Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) hat das Meer überquert und ist mit ihren Getreuen auf Burg Drachenstein eingezogen, dem Stammsitz ihrer Familie. Bislang konnte man ja meinen, Westeros habe außerhalb der prachtvollen Residenzstadt Königsmund vor allem grob zusammengezimmerte, dunkle und feuchte Verliese zu bieten – Winterfell oder die Eiseninseln etwa wären eher triste touristische Destinationen.
Drachenstein wirkt nun auch nicht gerade freundlich, wohl aber beeindruckend. Der Einzug in die meisterhaft und nicht nur digital aus spanischen und irischen Elementen zusammengesetzte Burg mit ihrem riesigen Thronsaal gerät zur Hommage an die Bilderwucht des expressionistischen Kinos der 1920er Jahre.
Immer wieder schließen sich Handlungskreise
Ein großer Reiz der Serie liegt in den sich immer wieder schließenden Kreisen. Als etwa Daenerys Targaryen in dem Felsenzimmer neben dem Thronsaal ihre Finger über den verstaubten Kartentisch von Westeros gleiten lässt, begreift der Zuschauer: Dies ist der Ort, an dem der glücklose Stannis Baratheon seine Feldzüge plante. Typisch „Game of Thrones“: eine symbolische Anspielung, deren Sinn sich freilich erst im nächsten Gemetzel enthüllen wird. Währenddessen hat sich der ebenso unsportliche wie wissbegierige Samwell Tarly in die Bibliothek der Zitadelle von Altsass zurückgezogen, einer Stadt, die von einem befeuerten Turm überragt wird, der sehr an Darstellungen des antiken Leuchtturms von Pharos vor Alexandria erinnert.
Die Bibliothek wirkt mit ihren gigantischen Hallen und Kuppeln ihrerseits wie ein Weltwunder. Doch vor die Bildung haben die Maester der Zitadelle die Arbeit gestellt – harte, unangenehme Arbeit wie das Leeren von Nachttöpfen. Aber wie eine Hermine Granger lässt sich auch ein Samwell Tarly nicht aus dem verbotenen Teil der Bibliothek fernhalten. Sam bekommt dort heraus, wo es bedeutende Vorkommen von Drachenglas gibt, dem einzigen Stoff, mit dem man den Weißen Wanderern beikommen kann.
Die Welt aus Feuer und Eis wird zu einer Welt aus Schnee und Eis
Wir erinnern uns: Die Weißen Wanderer drohen mit ihren Armeen aus Untoten Die Mauer zu überrennen. Denn die Welt aus Feuer und Eis wird zusehens zu einer Welt aus Schnee und Eis – der Winter ist da. Dramaturgisch interessant: Das Drachenglasvorkommen liegt direkt neben Burg Drachenstein. Und dort sitzt eben Daenerys Targaryen, deren Blick nicht nach Norden, sondern in Richtung Königsmund geht.
Daenerys hält sich für die legitime Thronerbin der sieben Königreiche, eine Selbsteinschätzung, zu der inzwischen auch Cersei Lennister (Lena Headey) gelangt ist, die sicher nicht vorhat, den Eisernen Thron so ohne Weiteres zu räumen. Ein bisschen heikel könnte allerdings werden, dass die Lennisters angesichts der Sterblichkeitsraten unter den Adelshäusern kaum noch Verbündete haben.
Arya Stark trifft am Lagerfeuer Ed Sheeran
Das ist übrigens die einzige Szene in Folge eins, die richtig dramatisch ist: In Gestalt des wortbrüchigen Oberfieslings Walder Frey meuchelt Arya Stark (Maisie Williams) dessen ganze Sippschaft (hauptsächlich dauerzechende Dumpfbacken) dahin. Aber da diese Folge eins von Staffel sieben vor allem eine Art Bestandsaufnahme ist, eine gemächliche Exposition, die vor allem Wert auf Atmosphäre legt, ist Platz für einen kleinen Gastauftritt von Popmusiker Ed Sheeran. Der lächelt nett und singt ein wenig am Lagerfeuer, was hartgesottene Fans sofort als sträfliche Verschwendung wertvoller Zeit geißelten.
Doch wer weiß: Vielleicht hat die kleine Begegnung ja noch etwas zu bedeuten. Wohl kaum bedeutungs- und folgenlos wird das Zusammenleben von Jon Snow und Sansa Stark (Sophie Turner) auf Winterfell bleiben. Noch halten sich die beiden für Halbgeschwister. Was wohl passiert, wenn sie erfahren, dass sie es nicht sind?
Die HBO-Serie „Game of Thrones“ ist in Deutschland auf Sky zu sehen und auf den Portalen von Apple TV und Amazon.