Elegant schiebt sich die große „Flora“ vor die berühmte Stadtsilhouette von Florenz. Die Skulptur von Fritz Koenig hat eine vorübergehende Heimat in den hügeligen Boboli-Gärten über der Stadt gefunden. Als Motiv auf Einladungskarte und Ausstellungskatalog hat Stefanje Weinmayr, langjährige Leiterin des Landshuter Fritz-Koenig-Skulpturenmuseums und Vertraute des Künstlers, damit eine stimmige Metapher für den Aufstieg des in Würzburg geborenen Künstlers in den internationalen Kunstmarkt geschaffen. Die Ausstellung „Fritz Koenig, 1924-2017, die Retrospektive“ katapultiert Koenig, der den Großteil seines Lebens in und bei Landshut verbrachte, auf Augenhöhe der großen europäischen Künstler.
Anstrengende Vertragsverhandlungen
Eike Schmidt, Direktor der Galerie der Uffizien, und Alexander Ruediger, Initiator der Ausstellung, strahlen. Dabei ist das Verhältnis zum „offiziellen Landshut“ immer noch gespannt, zu anstrengend waren die Verhandlungen, die sich zum Possenspiel in mehreren Akten entfalteten.
Kaum war Fritz Koenig gestorben, begannen Mitglieder des Fördervereins mit dem Ausräumen seines Künstlerhofs am Ganslberg. Erst auf Druck kritischer Berichterstattung seitens der Medien erfolgte ein Kurswechsel. Personalstreitigkeiten bei der Stadt Landshut, Trägerin des Museums, erschwerten die Verhandlungen mit den Uffizien. Sie haben ihre Ursache in der Zuordnung des zuvor selbstständigen Skulpturenmuseums nach dem Tod Fritz Koenigs zu den Städtischen Museen mit Museumsleiter Franz Niehoff, dem Mann, der nach Fritz Koenigs Wunsch nie etwas in seinem Haus zu sagen haben sollte.
Landshut ließ das Abstauben der Skulpturen in die Verträge aufnehmen
Im Frühjahr 2017 war offiziell bestätigt worden, dass Stefanje Weinmayr weiterhin das Skulpturenmuseum leiten solle. Doch ihre Vorschläge wurden ignoriert, sie selbst nach 19 Jahren Museumsleitung ihrer Aufgabe entbunden und Niehoff untergeordnet.
Die Vertragsverhandlungen zwischen Uffizien und Stadt Landshut zogen sich hin. Die Sicherheitsvorkehrungen der Uffizien, die Spitzenwerke der italienischen Kunst seit Gotik und Renaissance etwa von Giotto, Botticelli, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael, Tizian oder Caravaggio beherbergen, wurden hinterfragt, der Vertrag musste um folgenden Passus erweitert werden: „Die Reinigung ist auf die mit aller Vorsicht fachmännisch vorzunehmende Staubentfernung zu beschränken.“ Erst in allerletzter Minute wurden die Verträge unterschrieben.
In Landshut wird Fritz Koenig nur im regionalen Umfeld verortet
Doch Eike Schmidt, überzeugt und begeistert von Fritz Koenigs Werk, bewies Geduld und Langmut, wollte er den Künstler doch mit der Retrospektive aus dem regionalen Umfeld holen, wo ihn der neue Museumsleiter Franz Niehoff mit seiner Ausstellung im Landshuter Skulpturenmuseum verortet. Niehoff präsentiert Fritz Koenig unter dem Titel „Dialog im Labyrinth“ im Umfeld seiner Weggefährten mit Werken seines ehemaligen akademischen Lehrers Anton Hiller (München) und seines Landshuter Künstlerkollegen Karl Reidel.
Schon Ende der 60er Jahre wurde Fritz Koenig von Amerikanern entdeckt. Peggy Guggenheim, MoMA und das Minnesota Museum of Art kauften Skulpturen an. Anfang der 70er Jahre wurde die „Große Kugelkaryatide“ für die Plaza vor dem World Trade Center als Symbol für Frieden durch Handel in Auftrag gegeben. Sie wurde am 11. September 2001 beschädigt, aber nicht zerstört und ist jetzt Hoffnungszeichen für Frieden trotz Terror.
Einer der größten deutscher Bildhauer des 20. Jahrhunderts
Für Eike Schmidt ist Fritz Koenig, von dem einige Arbeiten auch in Würzburg und Schweinfurt zu sehen sind, „der bedeutendste deutsche Bildhauer der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ und „einer der ganz großen Künstler des vergangenen Jahrhunderts überhaupt“. Durch seine künstlerische Innovationskraft habe Fritz Koenig die Gestaltung der menschlichen Figur in expressive Ideogramme, also Zeichen reduziert. Zylinder und Kugeln genügten Koenig, um das Spannungsfeld menschlicher Gefühle zwischen Liebe und Tod in einzigartige Skulpturen auf den Punkt zu bringen.
Inspiration bekam Fritz Koenig durch seine Leidenschaften. Arabische Pferde, weibliche Erotik, die Schönheit der Natur und die Exotik der afrikanischen Kunst prägten sein Schaffen. Doch durch die Schönheit blitzt immer wieder der Tod, mit dem er als Frontsoldat im Zweiten Weltkrieg so oft konfrontiert war.
Am Ganslberg nahe Landshut schuf Fritz Koenig seine ganz persönliche „Arche Noah“ mit Hund und Katz, Pfauen und Hennen und arabischer Pferdezucht. Dort lebte und wirkte er, ließ seinen Freund, den Filmemacher Percy Adlon, beim Zeichnen und Gestalten über die Schulter schauen, woraus drei Filme entstanden.
In den Vasari-Räumen ist das Modell zur „Großen Kugelkaryatide“ zu sehen
Mit 160 Arbeiten im Zusammenspiel von Zeichnungen, kleinen und monumentalen Skulpturen und den Filmen Percy Adlons, kuratiert von Eike Schmid, Alexander Rüdiger und Stefanje Weinmayr, wird nun bis 7. Oktober in den Vasari-Räumen der Uffizien der faszinierende Kosmos des Fritz Koenig sichtbar. Im Zentrum stehen zeichnerisch die „Pferde“, skulptural „Das Paar“. Das Thema weitet sich im „Epitaph für viele“ zum Massengrab des Holocaust und zum Wettbewerbsmodell für das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin. Und in Adlons Dokumentarfilm wird das kleine Ursprungsmodell zur „Großen Kugelkaryatide“.
Doch diese Ausstellung wird noch übertroffen von der Präsentation der Skulpturen in den Boboli-Gärten. Weit ragen sie in den Himmel und entfalten je nach Lichteinfall wunderbare atmosphärische Aura. Mit Eleganz durchkreuzen sie die Linienstrukturen der Renaissance-Anlagen, bauen energetische Felder auf und offenbaren dem umherwandernden Betrachter immer neue Perspektiven.
Zur Person
Geboren 1924 in Würzburg, zog Fritz Koenig 1930 mit seinen Eltern nach Landshut. Die Erlebnisse als Frontsoldat im Zweiten Weltkrieg prägten sein künstlerisches Schaffen, das er 1946 mit dem Studium an der Akademie der Bildenden Künste bei Anton Hiller begann.
Mit Stipendien in Frankreich (1951) und in der Villa Massimo in Rom (1957) folgten die ersten internationalen Preise in London, bei der XXIX. Biennale in Venedig und erste Einzelausstellungen.
1961 begann Fritz Koenig in Ganslberg bei Landshut sein eigenes Reich mit Wohnhaus, Werkstatt, Stall inklusive einer Araberzucht aufzubauen.
1964 bekam er eine Berufung auf den Lehrstuhl für Plastisches Gestalten an der Architektur-Fakultät der Universität München
1969 wurde er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München
1993 vermachte Fritz Koenig über die Fritz- und Maria-Stiftung sein gesamtes Werk der Stadt Landshut, die im Gegenzug ein Skulpturenmuseum in den Hofberg baute.
2017 starb er im Alter von 92 Jahren auf dem Ganslberg
Die bekanntesten Werke: die „Die Große Kugelkaryatide“ in New York vor dem World Trade Center, die den Terrorschlag vom 11. September überstand und jetzt als „Sphere“ ein temporäres Mahnmal gilt; das Mahnmal im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen; das Mahnmal des Terroranschlags bei den Olympischen Spielen 1972 im Münchner Olympiapark
Die Ausstellung „Fritz Koenig, 1924-2017, die Retrospektive“ in den Uffizien und den Boboli-Gärten in Florenz ist bis 7. Oktober zu sehen.