Eva Brönner ist Musikerin. Sie spielt Cello und hat an der Hochschule für Musik in Würzburg studiert. Sie ist in Prag geboren, fühlt sich deshalb tschechischen Komponisten wie Antonín Dvorák verbunden. Sie lebt in Deutschland, im Heimatland ihres Mannes, in der Nähe von Kitzingen. Sie liebt das Stück „Schindler's List" des US-amerikanischen Komponisten John Williams – das Titellied des gleichnamigen Films von Steven Spielberg, der vor 25 Jahren erstmals in die deutschen Kinos kam. Und Eva Brönner ist seit einigen Jahren Familienforscherin in eigener Sache.
All das hängt mit ganz besonderen Auftritten zusammen. Eva Brönner hat mehrmals im Konzentrationslager Dachau gespielt – immer am Jahrestag der Befreiung am 29. April – für ihren Großvater Wladislaus von Krajewski. Und kürzlich in Theresienstadt.
Seit gut fünf Jahren weiß Eva Brönner, dass ihr Großvater im April 1943 in Dachau gestorben ist. In ihrer Familie wurde darüber nicht gesprochen. Eva Brönner hat erst, als sie ihrem Vater Fragen stellte, mehr über ihre Vorfahren erfahren. Nicht im Gespräch. Ihr Vater reagierte auf ihre Fragen eher wortkarg. Er drückte seiner Tochter vielmehr einen Koffer mit Dokumenten und Fotos in die Hand.
Seither vertieft sich Eva Brönner in ihre Familiengeschichte. Über den Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen erfuhr sie, wo der Großvater gestorben ist und was die Todesursache war: angeblich Herz-Kreislauf-Versagen bei offener Tuberkulose.
"Wir weinen zusammen"
In Dachau wurden medizinische Experimente durchgeführt – oft mit tödlichem Ausgang. Eva Brönner hofft, dass ihr Großvater nicht zu den menschlichen „Versuchskaninchen“ gehörte. Diese Vorstellung quält sie, denn sie hat in der Zwischenzeit eine enge emotionale Verbindung zu ihrem Großvater aufgebaut. Ein Foto von ihm, das ihn als jungen Mann zeigt und in dem Koffer lag, hängt in ihrer Wohnung. Er sitzt sozusagen mit am Tisch. „Ich habe ihn sehr lieb gewonnen", sagt die Enkelin.
Ihre Recherchen ergaben, dass Wladislauis von Krajewski nur 28 Jahre alt wurde. Eva Brönner vermutet, dass er ins KZ kam, weil er als Pole auch mit einer Deutschen ein Kind hatte. Das galt unter den Nazis als „Rassenschande“. Er lebte ab den späten 1930er Jahren in Berlin. Im Februar 1941 kam er nach Sachsenhausen, im November 1942 nach Dachau. Fünf Monate später war er tot.
Die professionelle Musikerin spielte in Dachau vor dem Krematorium – für alle Opfer, die dort gefangen waren, gefoltert, misshandelt, getötet wurden. Sie spürte dort nicht nur die Nähe zu ihrem Großvater, sondern auch zu den anderen Angehörigen und Überlebenden. „Wir fühlen uns dort wie eine große Familie, wir weinen zusammen, nehmen uns in den Arm.“ Damals kam Eva Brönner auf die Idee, in Dachau ein Video aufzunehmen, in dem sie Williams' „Schindler's List“ spielt. Doch das erlaubte die Leitung der Gedenkstätte nicht.
Eva Brönner versuchte daraufhin, ihren Plan auf dem Gelände des ehemaligen Lagers Theresienstadt zu verwirklichen. Erst hieß es: „Wir haben so viele Anfragen“, erzählt die Musikerin. Deshalb kam auch von dort die Ablehnung. Und dann die Zusage. Sie könne dort drehen. Womöglich hat das Lied beziehungsweise die Melodie, das Thema des Stücks „Schindler's List“ überzeugt. „Ich habe vorab eine Aufnahme nach Theresienstadt geschickt.“ Besonders stolz ist sie, dass der Komponist John Williams ihr die Erlaubnis dazu gab.
Warum Theresienstadt? „Ich wollte diesen Ort kennenlernen“, erzählt Brönner. „Und meine Intention, in einer Gedenkstätte zu musizieren, hat sich ja nicht verändert. Es geht mir nicht nur um meinen Großvater, sondern um alle Opfer des Holocaust.“ Ihnen zu Ehren möchte sie musizieren, ein besonderes Lied spielen. Und dazu gehört das Titelthema des Films „Schindlers Liste“.
"Es hat mich emotional umgeworfen"
Der Großvater ist nicht das einzige Opfer der Nazis in ihrer Familie. Auch ihre Großmutter gehört dazu. Über sie wusste Eva Brönner ebenfalls lange nichts. Seit kurzem ist klar: Sie starb ebenfalls wie ihr Mann im Alter von 28 Jahren. Nicht in Dachau, sondern in Kiel. Sie war dort als Zwangsarbeiterin eingesetzt.
Die Post mit der Information über ihre Großmutter kam, als sie gerade in Theresienstadt war. Zufall? Fast möchte Eva Brönner nicht daran glauben. „Es hat mich jedenfalls emotional umgeworfen.“
All diese Gedanken gehen ihr durch den Kopf, wenn die Cellistin in den Gedenkstätten spielt, die vielen zerstörten Lebensentwürfe, die Grausamkeiten der Nationalsozialisten. Besonders eindrücklich war der Drehtag in Theresienstadt, wo über 33 000 Menschen, meist aufgrund der katastrophalen Umstände, gestorben sind; und von wo aus über 88 000 Menschen weiter in die Vernichtungslager deportiert wurden.
30 weiße Rosen
30 weiße Rosen hat die Musikerin gekauft. Einige hat sie dem Fluss übergeben, in dem die Asche Tausender Opfer verstreut wurde. Einige hat sie an dem Gedenkmal niedergelegt. Und dann sieht man die Cellistin in dem im Herbst 1942 errichteten Krematorium, zwischen den Öfen, in denen phasenweise Tag und Nacht die Menschen verbrannt wurden.
Als Eva Brönner das Video drehte, wusste sie nicht, dass „Schindlers Liste“ erneut – in einer technisch überarbeiteten Version – in die deutschen Kinos kommen würde: Am 27. Januar ist der Start, am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz beziehungsweise dem Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus. In einer Pressemitteilung der von Steven Spielberg gegründeten Shoah Foundation, teilte der Regisseur mit, dass die Lehren des Films bis heute nachhallen würden. Er meinte damit die Überwindung des Hasses. Er fühle sich geehrt, dass das Publikum nun „die Reise erneut auf der großen Leinwand erleben kann.“
Auch Eva Brönners Reise ist noch nicht zu Ende. Sie sucht nun nach der Halbschwester ihres Vaters in Berlin, jenem Kind ihres Großvaters, weswegen ihm die Nazis „Rassenschande“ vorgeworfen hatten.
Der Film "Schindlers Liste" (in einer technisch überarbeiteten Version) ist ab 27. Januar in diesen Kinos der Region zu sehen: Cinemaxx Würzburg, Cineworld im Mainfrankenpark, Filmwelt Schweinfurt, Movie Marktheidenfeld