zurück
Würzburg
Die paradiesischen Würzburger Wochen des Dominique Horwitz
Der Schauspieler und Sänger inszeniert am Mainfranken Theater mit "Ariadne auf Naxos" seine zweite Oper. Und ist vor allem vom "besonders begabten" Ensemble begeistert.
'Die sind hier besonders begabt und besonders motiviert': Dominique Horwitz im Mainfranken Theater
Foto: Daniel Peter | "Die sind hier besonders begabt und besonders motiviert": Dominique Horwitz im Mainfranken Theater
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:20 Uhr

Es hat ein bisschen was von einem Springteufel, wenn es Dominique Horwitz ein weiteres Mal vom Sitz reißt, wenn er zwischen den Stuhlreihen zur Seite und dann runter auf die Bühne eilt, um – sozusagen bei laufendem Betrieb – eine Änderung, einen Hinweis, eine Korrektur loszuwerden. Details offenbar, die er den Sängern zuraunt, die dann sofort nicken und verstehen. Oder ein Handybild, das er herumzeigt, um eine Idee zu verdeutlichen. Oder ein Eingriff in ein Ausstattungsdetail: Bacchus mit Weinlaubkranz auf dem Haupt – war eine Idee, funktioniert aber nicht, der Kranz muss weg. Horwitz nimmt ihn Bacchus ab und pflanzt ihn im Vorbeitigern dem Musiklehrer (eine weitere Rolle im Stück) auf.

Probenbild noch ohne Kostüm: Akiho Tsujii wird als laszive Zerbinetta wohl kaum im Holzfällerhemd auftreten. Es tragen sie (von links): Yong Bae Shin, Roberto Ortiz, Daniel Fiolka und Igor Tsarkov.
Foto: Daniel Peter | Probenbild noch ohne Kostüm: Akiho Tsujii wird als laszive Zerbinetta wohl kaum im Holzfällerhemd auftreten. Es tragen sie (von links): Yong Bae Shin, Roberto Ortiz, Daniel Fiolka und Igor Tsarkov.

Dienstagabend im Mainfranken Theater: Es läuft "99 – die öffentliche Probe", ein Format, bei dem 99 Zuschauer vom Rang aus zuschauen dürfen, wie ein Stück entsteht. Zumindest ein bisschen was davon bekommen sie mit, denn an der Richard-Strauss-Oper "Ariadne auf Naxos", die kommenden Samstag Premiere hat, wird natürlich bereits seit Monaten gearbeitet. Das Bühnenbild von Pascal Seibicke steht, die Szenen auch, das Licht weitestgehend auch. Die Sängerinnen und Sänger tragen noch kein Kostüm, in dieser BO – also Bühnenprobe mit Orchester – geht es um die Koordination zwischen Graben und Bühne, szenischen und beleuchterischen Feinschliff.

Es wird am Stück ohne Unterbrechungen gespielt. Die Oper ist zweiteilig, die Besucher erleben den ersten Teil komplett. Der zweite, in dem sich alles ändern wird, ist gewissermaßen noch geheim, deshalb müssen in der Pause alle gehen. "Wir wollen auch in der Premiere versuchen, die Leute alle in der Pause aus dem Saal zu bekommen, damit sie danach die komplette Umwandlung der Bühne umso intensiver erleben", sagt Operndirektor Berthold Warnecke. Tatsächlich, nur so viel sei verraten, ist die Bühne im zweiten Teil nicht wiederzuerkennen.

Dominique Horwitz, Schauspieler, Sängerund Schriftsteller, inszeniert – nach einem  "Freischütz" 2012 in Erfurt – zum zweiten Mal eine Oper. Weil er a) Schauspieler und b) kein Musiker sei, sei er wohl engagiert worden, vermutet er bei einem kleinen, ebenfalls ein wenig springteufeligen Auftritt im oberen Foyer, bevor die 99 in den Saal dürfen. "Es geht um einen leichtfüßigen Umgang mit der Musik - man bleibt respektvoll, aber man macht, worauf man Lust hat."

Ernsthaftigkeit trifft auf Frivolität, Solidität auf Fahrlässigkeit

Mit Berthold Warnecke hat Horwitz schon einige Male gearbeitet, unter anderem eben am "Freischütz". "Ariadne" ist für ihn "die Oper schlechthin", sagt er, "man muss nicht begründen, weswegen man das machen will". Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal haben ein Stück im Stück ersonnen. Es geht um zwei rivalisierende Compagnien, die an einem Abend für einen neureichen Wiener eine ernste Oper beziehungsweise ein derbes Tanzstück aufführen sollen.

Fotoserie

Ernsthaftigkeit trifft auf Frivolität, Solidität auf Fahrlässigkeit, Pflichtbewusstsein auf Lustprinzip. Oder, wie Horwitz sagt:  "E-Musik auf U-Musik." Trotz hingebungsvoll ausgetragener Animositäten wird es aber erst richtig schwierig, als der Geldgeber ausrichten lässt, er wolle beide Stücke gleichzeitig, sozusagen ineinander verzahnt, aufgeführt haben.

Und plötzlich wird aus der klassischen Oper ein Stück über das Wesen des Theaters selbst, idealer Stoff also für den Theatermann Horwitz: "Es wird reflektiert, was das Leben auf der Bühne bedeutet und was es einem abverlangt." Das komplizierte Geflecht aus Figuren, Rollen, Identitäten will er mit einem ausdrücklich schauspielerischen Ansatz entwirren: "Indem ich die Musik und das Libretto ernst nehme, vor allem aber muss man sich um die Figuren kümmern. In diesem Stück hat jeder Recht, jeder Standpunkt ist nachvollziehbar."  

Ein Happy End, das als Appell an eine gespaltene Gesellschaft gelesen werden kann

So ist denn auch das Happy End nach all den Anfeindungen mit einer Versöhnung der Lager und einer herzerwärmenden und besonders herausgearbeiteten Liebesgeschichte nicht wirklich überraschend. Auf die heutzutage beinahe unausweichliche Frage, ob darin auch ein Appell an eine immer stärker gespaltene, zerrissene, zerstrittene Gesellschaft zu lesen sei, zuckt Dominique Horwitz routiniert die Schultern: "Wo könnten Menschen einfacher und schneller zusammenkommen als im Theater und durch das Theater?"

Trotzdem: Wer explizite politische Anspielungen sucht, wird enttäuscht werden. Dominique Horwitz und Ausstatter Pascal Seibicke haben für diese "Ariadne" eine ganz eigene Welt geschaffen, in der vor allem Individuen interessant sind. In Würzburg hat Horwitz dafür das ideale Ensemble gefunden, schwärmt er, und führt aus, was er gemeint hatte, als er eingangs von der "paradiesischen Arbeit" am Mainfranken Theater und von den schönsten Wochen, die er je erlebt habe, gesprochen hatte: "Die sind hier besonders begabt und besonders motiviert. Und sie haben sehr schnell begriffen, dass Schauspielerei nicht nur der Oper nicht schadet, sondern unerlässlich ist, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen."

Premiere: "Ariadne auf Naxos", Oper von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, Mainfranken Theater, Samstag, 26. Januar, 19.30 Uhr. Es gibt noch Premierenkarten: Tel. (0931) 3908-124 oder karten@mainfrankentheater.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Mathias Wiedemann
Begabung
Fahrlässigkeit
Hugo von Hofmannsthal
Mainfranken Theater
Oper
Richard Strauss
Schauspieler
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen