
Dominique Horwitz: Weniger der Beruf als die Tatsache, dass mir diese Figur letztlich als eine Inkarnation von Weimar erscheint. Der Kutscher lebt im Heute – zugleich lebt er aber vom Gestern, von der ruhmreichen Vergangenheit. Das trifft auch auf die Stadt Weimar zu.
Horwitz: Nein. Die Idee ist viel älter. Die Romanfigur des Kutschers habe ich entwickelt, kurz nachdem ich nach Weimar gezogen bin. Es war Zufall, dass mir, Jahre später, diese Rolle im „Tatort“ angeboten wurde . . . Nein, es war nicht nur Zufall, es war ein Wink des Schicksals, weil ich merkte, die Zeit ist reif, das, was ich mir so lange und reiflich überlegt habe, zu Papier zu bringen.
Horwitz: Der ist überhaupt nicht skurril. Dafür ist es mein Roman über weite Strecken. Ein Krimi mit Tiefe und Komik. Mein Kutscher ist sehr nachdenklich, er ist – wie soll ich sagen –, er ist einer von uns. Er versucht, in dieser komplizierten Welt mit seinem Leben zurecht zu kommen. Er denkt viel, er philosophiert gerne. Er ist ein Philosoph, der Mordfälle löst.
Horwitz: Nee, nee. Der „Tatort“-Kutscher ist wiederum richtig skurril. Er strahlt zwar Liebenswürdiges und Menschliches aus, wie meine Romanfigur. Aber es fehlt ihm gänzlich die philosophische Größe. Beiden Figuren ist nur der Beruf gemein. Und natürlich die Tatsache, dass man mich mit beiden in Verbindung bringt.
Horwitz: Neinneinnein. Das ist schon ernsthaft gedacht. Es steckt natürlich viel von mir in diesem Buch. Und ich arbeite bereits am nächsten.
Horwitz: Ja, es wird das Nachfolgebuch. Die Figuren leben weiter.
Horwitz: Das ist wohl immer eines meiner wichtigsten Projekte gewesen. Ich darf hier so persönlich, so echt und so privat sein wie selten auf der Bühne. Und das singenderweise. Bei diesem Brel-Abend kommt alles zusammen, was mich tatsächlich ausmacht.
Horwitz: Das ist weniger mein Verdienst als das Verdienst Brels. Denn diese Chansons sind so leidenschaftlich, sie sind so schön, so voller Gefühl – und sie beschäftigen sich mit dem Leben, das uns allen vertraut ist.
Es geht letztlich um universale Themen wie Liebe, Hass, Freundschaft oder Tod, und das alles in einer sehr theatralischen Weise. Wobei theatralisch hier sehr positiv gemeint ist. Es sind wie kleine, dreiminütige Theaterstücke, denen man beiwohnt. Alles Glück, alle Freude, alle Leidenschaft werden durch die Musik erfahrbar. Da ich jedes Lied einführe, weiß jeder, worum es geht. Ich hab' es jedenfalls noch nicht erlebt, dass jemand gesagt hätte: „Ich weiß gar nicht, was Sie gesungen haben, klingt aber schön.“ Hingegen habe ich sehr oft gehört: „Ich sprech' zwar kein Französisch, aber ich habe alles verstanden.“
Horwitz: Sehr. Man darf die Brel-Figuren nicht singen, man muss sie spielen – und im besten Falle sein. Brel ist leidenschaftliches Theater in Musik gegossen.
Horwitz: Ja. Der war mir wirklich von Anfang an sehr nah. Ganz Frankreich sang ja seine Lieder.
Horwitz: In meinem Roman geht's auch darum, dass diese Greise, die den „Schiller-Zirkel“ gegründet haben, gegen die Omnipräsenz Goethes opponieren. Die es ja wirklich in Weimar gibt.
Horwitz (amüsiert): Ja, genau. Man denkt doch sehr übers Leben nach, wenn man sich beide Häuser anschaut. Schiller war in seiner Weimarer Zeit von den beiden eigentlich der erfolgreichere. Nach „Werther“ gab's bei Goethe ja künstlerisch 'ne lange Pause.
Horwitz (leise lachend): Ja, Kommunalpolitiker – und kam so zu Reichtum. Der andere war ein Star, doch musste er erst einmal richtig um seine Existenz kämpfen. Das hat sich zwar gewandelt, aber: Der Unterschied springt einen richtig an.
Horwitz: In der Tat. Bei Schiller muss man, wie bei Brel, immer alles geben. In Weimar spielen wir das Stück an einem Abend, alle drei Teile. Das ist ein Monumentalwerk. Es sind – die Pausen abgerechnet – dreieinhalb Stunden Theater. Und die Zuschauer sagen nicht „meine Güte, ist das lang“, sondern „die Zeit verging wie im Fluge.“ Auch das hat Schiller mit Brel gemein: diese unglaubliche Musikalität. Wallenstein zu spielen, ist für mich eine sehr große Ehre, auch wenn ich froh bin, ihn nicht singen zu müssen.
Horwitz: Ich lebe nicht direkt in der Stadt, sondern in einem Dorf nahe Weimar. Grundsätzlich kann ich Stadtleben genießen, aber ich komme sehr gut ohne aus. Ich bin von jeher ein Landmensch. Ich liebe das Landleben. Ich mag's, ausgedehnte Spaziergänge mit meinen Hunden zu machen, ich mag Tiere um mich, ich mag's gerne grün. Ich mag's gerne ruhig.
Horwitz: Es gibt schon deswegen einen Unterschied zwischen Ost und West, weil die älteren Menschen unterschiedlich sozialisiert sind. Bei den jungen Menschen unter 25 merkt man keinen Unterschied mehr. Und in Weimar gibt es auch keinen Unterschied. Weimar hat was von München: Sie müssen lange suchen, bis Sie einen Eingeborenen finden . . .
Dominique Horwitz und sein Gastspiel in Schweinfurt
In Paris am 23. April 1957 geboren, verbrachte Dominique Horwitz Kindheit und frühe Jugend in Frankreich. Seine Eltern waren vor den Nationalsozialisten geflohen, 1971 kehrte die Familie nach Deutschland zurück.
Nach dem Abitur am französischen Gymnasium in Berlin erhielt Horwitz erste Fernsehrollen, machte Kabarett. Theaterengagements folgten, unter anderem am Bayerischen Staatsschauspiel und am Thalia Theater Hamburg.
„Der große Bellheim“, eine Fernsehserie von Dieter Wedel, und der Kinofilm „Stalingrad“ machten Dominique Horwitz einem breiten Publikum bekannt. Neben Film- und Fernsehrollen spielt er immer wieder Theater und ist mit seinem Jacques-Brel-Programm auf Tour.
Im Schweinfurter Theater ist der Schauspieler und Sänger mit Brel-Chansons am 14. November zu Gast. Vorverkauf Tel. (0 97 21) 51 49 55.
„Tod in Weimar“, der erste Roman von Dominique Horwitz, ist in diesem Herbst erschienen. Der ungewöhnliche Krimi lädt zum Schmunzeln ebenso ein wie zum Nachdenken (Knaus, 288 Seiten, 19,99 Euro). Text: hele