
Welch ein Glück, dass es bei ZF eine flinke Werksfeuerwehr gibt. Wäre sie nicht gewesen, der Auftritt des aus Schweinfurt stammenden Jazz-Pianisten Michael Wollny und seiner Kollegen Christian Weber am Kontrabass und Eric Schaefer am Schlagzeug wäre ernsthaft gefährdet gewesen. Sturmtief „Fabienne“ hatte so sehr gewütet, dass die altehrwürdigen Dachfenster des 101 Jahre alten Kesselhauses bei ZF nicht mehr standhielten – es regnete auf die Bühne. Die wurde flugs mit einer Plane überspannt, das Rauschen des Regens ließ am Abend nach, der Jazz-Rausch setzte ein.
Körperlich fertig, aber mit einem seligen Lächeln nahmen die Musiker nach eineinhalb Stunden virtuosen Spiels die überschäumende Huldigung des Publikums entgegen. Dieses applaudierte stehend, „Bravo“-Rufe schallten durch die Halle. Der 40-jährige Ausnahmekönner Michael Wollny hatte wieder einmal bewiesen, dass er zu den ganz Großen des Jazz weltweit gehört.
Im kreativen Töne-Chaos
Die F.A.Z. nannte Michael Wollny einmal den „vollkommenen Klaviermeister“, ein Musiker immer auf der Suche nach dem Unberechenbaren, dem Neuen, dem Unvorhergesehenen. Kein Wunder, dass er den Jazz als Ausdrucksmittel gewählt hat. Wollny, mittlerweile auch Professor an der Musikhochschule Leipzig, ist ein Künstler ohne Starallüren, ein höflicher Mann, der sich freut, wieder in der Heimat spielen zu dürfen – zuletzt war er vergangenes Jahr im Schweinfurter Theater zu hören – und sich später sogar entschuldigt, dass er beim Aufzählen und Begrüßen der lokalen Weggefährten die Musikschullehrer vergessen hatte.
Wollny sitzt ohne vorgefertigten Plan am Flügel, seine ganz besondere Gabe ist es, eins zu werden mit seiner Musik, mit seinem Instrument. Das Klavier als sein Avatar, so hat er das bezeichnet. Der große Miles Davis erklärte mal, man brauche im Jazz keine Angst vor Fehlern zu haben, es gebe gar keine. Daran orientiert sich auch die Musik Wollnys. Sie ist für den Zuhörer mindestens so anstrengend wie für die Musiker, die ihre Instrumente in einer Art bearbeiten, dass Instrumentenbauer vermutlich am liebsten nach vorne eilen und einschreiten würden.
Wollnys Musikwelt ist voller Ecken und Kanten, rau und unverfälscht, immer auf einer rastlosen, schwindelig machenden, stilistisch vollkommen freien, wohl auch unendlichen Suche – Kenny G. würde wahrscheinlich aus einem Fahrstuhl, in dem Wollnys Art von Jazz dudelt, klettern und in den Schacht springen. Aber wer sein Herz öffnet, dem wird es das Michael Wollny Trio mit purer Freude füllen.
Im bruchlosen Gleichgewicht
In einem Interview sagte Wollny einmal, die besten Konzerte seien die, „wo zwischen dem Moment, in dem ich meinen Kompass ausrichte, und dem Moment des Auftritts ein bruchloses Gleichgewicht herrscht“. Eine Absichtslosigkeit, die aber am Ende doch die Absicht hat, zumindest einen großen Klangteppich zu weben. Mit Eric Schaefer und Christian Weber hat er kongeniale Partner, die ihn nicht nur unterstützen, sondern die er auch zur Geltung kommen lässt, sie als gleichwertig versteht. Bei Jazz-Pianisten ist das keine Selbstverständlichkeit, das eigene Instrument zur Zurückhaltung zu verdonnern, um den anderen Raum zur Entfaltung zu geben.
Genregrenzen gibt es für Wollny nicht, in seiner Musik spiegeln sich Reminiszenzen an die Jazz-Größen früherer Tage genauso wider wie Klassik, Rock, Pop oder Filmmusik. Stücke wie „When a sleeper wakes“ und „Farbenlehre“ sind Meisterwerke des modernen Jazz und zu Recht mit stehend dargebrachten Ovationen gefeiert.