
Er ist gerührt. Hier, im Theater der Stadt Schweinfurt, wo er vor vielen Jahren als Schüler regelmäßig mit seinem Konzert-Abo in Reihe 16 saß, hier steht Michael Wollny nun selbst auf der Bühne und spielt ein Konzert. Man nimmt ihm diese Freude ab. Als Jazzpianist, der international in unterschiedlichen Formationen unterwegs ist, könnte er den Abend auch als einen der zahllosen Tourtermine verbuchen. So aber greift er die Erinnerung an die musikalischen Entdeckungserlebnisse von damals auf. Und so wurde es ein besonderer Abend für ihn – und auch für die Besucher des Konzertes.
Grenzenloser Kosmos
Gekommen ist Michael Wollny mit Eric Schaefer (Drums) und Christian Weber (Bass). Die drei bilden das Michael Wollny Trio und spielen seit vielen Jahren zusammen. Daraus erwächst eine nahezu blinde Vertrautheit. Wie Teile eines Ganzen nehmen sie wechselseitig die Impulse der anderen auf, verschmelzen zu einem Klangkörper, der funkelt und strahlt, der dunkel schimmert und furios auftrumpft.
Michael Wollny schöpft aus einem scheinbar grenzenlosen Kosmos musikalischer Ideen und macht daraus Wunderbares. Schaefer und Lefebvre begleiten seine Geschichten. Da ist es schon einmal eine Klaviersonate von Paul Hindemith, die Wollny als Schüler gespielt hatte. Jetzt gibt sie das Material für die weit ausgreifenden, Klang gewordenen Geschichten.
Oder das Adagio für Streicher von Samuel Barber, von der BBC zum traurigsten Stück der Musikgeschichte gekürt. Unter den Händen des 38-jährigen Jazzers am Klavier offenbaren sich Zartheit und ein inniges Beben. Stecknadelstill ist es nach dem letzten Ton.
Raumgreifende Ruhe
Mit dabei ist auch der Akkordeonist Vincent Peirani. Mit ihm ist Wollny derzeit auf Tour. Bei einem Konzert im Pariser Jazz Club „New Morning“ sind sie sich begegnet und haben sofort einen Draht zueinander gespürt. Sie nahmen das Album „Tandem“ auf.
So verschieden ihre Instrumente sind, so wundervoll musizieren die beiden zusammen. Es ist, als ob Raum und Zeit für diese Jazzmusiker keine Grenzen parat haben. Die Verbundenheit der beiden ist im Saal greifbar. Alle vier Musiker spielten an diesem Abend zum ersten Mal zusammen.
Es ist eine raumgreifende Ruhe, die Michael Wollny ausstrahlt und die gleichzeitig in die Tiefe geht. Es sind Geschichten, die er am Flügel sitzend erzählt. Die Rezensentin sieht ihn von hinten. Die schmale Gestalt sitzt ruhig vor dem Flügel, den Kopf nach vorne über die Tasten gebeugt. Wollny legt beide Hände auf die Tasten, ein Akkord erklingt, er beginnt zu erzählen. Bewegung ergreift den Pianisten, der Körper ist in Spannung, seine Füße stehen nicht still. Er wird zum Medium.
Ein großes Glücksgefühl hat das große Rund im Schweinfurter Theater ergriffen, Michael Wollny hat mit seiner Musik die Zuhörer berührt.