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Sommerhausen
Das Festival, das bewusst kein (Wein-)Fest sein will
Beim Sommerhausen Festival soll es im beliebten Weinort ausdrücklich um die Musik gehen. Interessanterweise sind vor allem Auswärtige auf das Angebot angesprungen.
Organisator Herbert Löw (Mitte) mit Jan Pascal (links) und Alexander Kilian vom Gitarrenduo Café del Mundo.
Foto: Thomas Obermeier | Organisator Herbert Löw (Mitte) mit Jan Pascal (links) und Alexander Kilian vom Gitarrenduo Café del Mundo.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:57 Uhr

Normalerweise läuft sowas vermutlich eher so: Ein Veranstalter hat eine Idee, geht damit ins Rathaus und hofft dort auf offene Ohren. Zum Beispiel die Idee eines Festivals, das einen ganzen Ort einen Tag lang mit Beschlag belegt. Unschwer, sich vorzustellen, dass das nicht ganz einfach zu organisieren und genehmigt zu bekommen ist.

Im Falle des "Sommerhausen Festivals", das am Samstag, 17. August, erstmals in dem Weinort am Main stattfindet, lief es genau umgekehrt: Die Marktgemeinde hatte eine Idee und wurde damit beim Veranstalter vorstellig, nämlich bei Herbert Löw, Inhaber der Künstleragentur Artcon, die in Sommerhausen ansässig ist. Gewünscht war eine Kulturveranstaltung mit Betonung auf Kultur, eine ausdrückliche Alternative zur (Wein-)Festkultur. Und es sollte eine für den Ort maßgeschneiderte Veranstaltung werden. Nach dem Vorstoß von Markus Grimm als Stadtschreiber und neben dem traditionsreichen Torturmtheater also eine weitere Initiative, den Weinort auch kulturell ins Gespräch zu bringen.

Ab 16 Uhr können Auswärtige Sommerhausen nur mit Eintrittskarte betreten

In einem zweijährigen Prozess, so berichtet Löw, entstand in Zusammenarbeit mit einem "Festival-Gremium", dem unter anderem Bürgermeister Fritz Steinmann angehörte, das Konzept: Es gibt sechs Bühnen mit je einer Band, verteilt im ganzen Ort, drei drinnen (Vogelhaus, Bartholomäuskirche, Rathaussaal), drei draußen (Marktplatz, Mönchshof, Schlosshof). Die Bands spielen von 17 bis 23 Uhr mehrere 35-minütige Sets, so dass die Besucher Gelegenheit haben, sich nacheinander alle anzuhören. Im großen Faltblatt zum Festival ist extra eine Spalte freigelassen, in der sich die Besucher ihren Fahrplan zusammenstellen können. Ab 16 Uhr können nicht Ortsansässige Sommerhausen nur mit Eintrittskarte betreten.

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Dass die Idee so gut ankommen würde, war vorher nicht klar gewesen. Die 2500 Karten fanden reißenden Absatz, das Festival ist seit Wochen ausverkauft. "Wir haben offensichtlich einen Nerv getroffen", sagt Löw, den vor allem freut, dass das Konzept angenommen wird: Die Auftritte sind als vollwertige Konzerte gedacht, bei denen es kein Kommen und Gehen geben soll. Es gibt ordentliche Bestuhlung und bewusst keine Bierbänke.

60 Prozent der Karten wurden außerhalb Mainfrankens verkauft

Natürlich gibt es auch gastronomische Angebote, stationär und in Form von Food  Trucks. Essen und Trinken sollen aber ausdrücklich abseits der Konzerte stattfinden. "Da muss man sehr diplomatisch, aber bestimmt stein", beschreibt Herbert Löw die Überzeugungsarbeit denjenigen gegenüber, die doch lieber eine kulinarischer orientierte Veranstaltung gesehen hätten.

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60 Prozent der Karten zu 27 Euro sind außerhalb von Mainfranken verkauft worden, was vielleicht auch daran liegt, dass die Sommerhäuser Winzer die Veranstaltung bei ihrer Kundschaft in ganz Deutschland beworben haben. Herbert Löw ist aber überzeugt, dass es gelungen ist, die Zielgruppe zu erreichen und dass es deshalb vor allem Musik- und Kulturinteressierte sind, die am 17. August anreisen werden. 

Die Musik reicht von Folk beziehungsweise Songwriting mit der Simon & Garfunkel Revival Band oder Reinhold Beckmann & Band über das A-cappella-Beatles-Programm von Les Brünettes, bayerisch-kubanische Mixklänge mit Cubaboarisch 2.0, Crossover zwischen Klassik und Hardrock mit den Mozart Heroes bis hin zum Flamenco des Gitarrenduos Café del Mundo, das mit der Tänzerin Azucena Rubio aus Sevilla auftreten wird.

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Auch für Jan Pascal und Alexander Kilian, die beiden Gitarristen des Café del Mundo ist das Sommerhausen Festival ein neues Format. Chance und Ziel: In 35 Minuten eine eigene Dramaturgie aufbauen, die nicht versucht, möglichst viele Aspekte des Repertoires unterzubringen, sondern ein  stimmiges Set zu spielen. "Wir wollen, dass die Menschen beseelt rausgehen", sagt der gebürtige Würzburger Pascal. Die Herausforderung: fünfmal dasselbe Set auf die Bühne bringen, sich fünfmal auf ein neues Publikum einstellen, fünfmal voll da sein.

Café del Mundo haben ihren ganz eigenen Flamenco entwickelt

Café del Mundo spielen 120 Konzerte im Jahr, sie sind schon mal mit Lang Lang aufgetreten, haben eine Samba für Angela Merkel geschrieben ("damit sie ein bisschen lockerer wird") und sind dafür ins Kanzleramt eingeladen wurden. Die beiden haben ihren ganz eigenen Flamenco entwickelt – mit Respekt und im Geiste des spanischen Vorbilds, aber unter Einbeziehung eigener Wurzeln. Johann Sebastian Bach zum Beispiel, oder der Renaissance-Komponist Hans Leo Haßler. Oder Daft Punk. Dass deutsche Romantik und Flamenco sehr gut zusammenpassen, zeigt ihre Version von Franz Schuberts "Erlkönig".

Café del Mundo im März bei einem Auftritt in der Schweinfurter Disharmonie
Foto: Josef Lamber | Café del Mundo im März bei einem Auftritt in der Schweinfurter Disharmonie

Einladungen nach Spanien haben sie jahrelang abgelehnt. Bis sie sich dann doch trauten und mit offenen Armen empfangen wurden – zu Tränen gerührte Spanierinnen inklusive, wie sie erzählen. "Alemandalucía", wurde ihr Stil getauft, eine Fusion aus Alemania (Deutschland) und Andalucía. Natürlich haben sie den Flamenco puro, die strenge Urform studiert. Aber: "Der Flamenco steht heute da, wo der Jazz von 40 Jahren war, er entwickelt sich weiter", sagt Alexander Kilian. "Da kann eine fremde Herkunft wie die unsere durchaus von Vorteil sein."

CD-Tipp: Die beiden Alben "Beloved Europa" (2018) und "Famous Tracks" (soeben erschienen) geben einen guten Überblick über die stilistische Vielfalt der Musik von Café del Mundo. Am 9. November sind die beiden übrigens wieder in Sommerhausen zu hören, in der Bartholomäuskirche.

 
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