Was macht der Festspielbesucher, wenn er es nach langer Opernnacht morgens mal rechtzeitig aus dem Hotelbett schafft, und bevor er nachmittags wieder hoch auf den Grünen Hügel muss? Er geht – natürlich – ins Wagner-Museum. Nun mögen Außenstehende sagen, Wagner-Bayreuth sei ja wohl insgesamt ein Museum, aber das stimmt nicht. Der Wagner-Kult liegt schon lange nicht mehr in den Händen der Familie oder der Festspiele. Auf dem Grünen Hügel laufen die Dinge ab wie bei jedem anderen professionell veranstaltetem Festival – von den Sicherheitsvorkehrungen über das Catering bis hin zum Facebook-Auftritt. Und dass die Stadt – von der Eisdiele bis zum Sanitätshaus („Stilvoll und vital die Bayreuth Festspiele genießen, mit Kompressionsstrümpfen von . . .“) – mit Wagner dekoriert ist, das ist eher putzig als kultig.
Der eigentliche Wagner-Kult, so er denn überhaupt noch existiert, liegt in den Händen der Wagnerianer, die sich immer noch ganz gerne als Gralshüter gebärden. Und genau die erleben im Wagner-Museum – möglicherweise – eine Überraschung. Denn hier wird peinlichst genau alles vermieden, was irgendeine Form von Kult befördern könnte.
Das Museum besteht aus drei Gebäuden. Dem sagenumwobenen Haus Wahnfried (Inschrift: „Hier wo mein Wähnen Frieden fand“), ehemals Wohnhaus der Familie, dem Neubau, entworfen übrigens von Volker Staab, der in Schweinfurt das Museum Georg Schäfer gebaut hat, und dem Siegfried-Wagner-Haus, Wohnsitz des einzigen Sohns von Richard und Cosima (1869-1930), vor allem aber lange Zeit Festung von Siegfrieds Witwe Winifred (1897-1980), bis zuletzt glühende Nationalsozialistin und Hitler-Verehrerin.
Hier im Siegfried-Wagner-Haus stellen sich Familie und Festspiele der NS-Verstrickung des Wagner-Clans, hier wird an mehreren Dokumentarfilmstationen nüchtern und nachhaltig aufgedröselt, wie es geschehen konnte, dass ein Werk so gründlich und gewinnbringend instrumentalisiert wurde. Im Neubau gibt es historische Kostüme und Bühnenbildmodelle zu bewundern – schon kurios, was Sängerinnen und Sänger da über Jahrzehnte hinweg an Rüstungen, Helmen und Glitzerkram über die Bühne schleppen mussten.
Die Neuinszenierung: „Lohengrin“Werkstatt Bayreuth: Wiederaufnahmen
Haus Wahnfried wiederum ist der Hort der originalen Objekte – betont nüchtern präsentiert in reinweißem Ambiente. Neben Partiturbeispielen, die vor allem Bewunderung für Wagners mikroskopisch kleine und hochpräzise Handschrift abnötigen, gibt es Möbel, Kleider, Schreibwerkzeug, Baupläne und Briefe. Wagners Frack, Hose und Regenmantel sind zu sehen. Und ein Beispiel für die erste Bestuhlung des Festspielhauses, ein eleganter Holzklappsitz mit geflochtener Sitzfläche. Zwei Erkenntnisse: Möglicherweise saß man früher im Festspielhaus bequemer als heute (was niemand wundern würde). Und: Wagner war offenbar recht füllig um die Hüften.