Ab 1995 moderierte Bärbel Schäfer eine Talkshow, die ihren Namen trug, und wurde neben Hans Meiser, Jürgen Fliege oder Arabella Kiesbauer eines der bekanntesten Gesichter der Daily-Talk-Welle, die zu dieser Zeit über die Republik schwappte. Bis 2002 lief ihre Talkshow jeden Nachmittag bei RTL. Dann wurde es stiller um die Moderatorin, die sich als Buchautorin neu erfand. Mittlerweile hat sie acht Bücher geschrieben und moderiert die Radiosendung "Der Sonntagstalk" im Hessischen Rundfunk.
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In ihrem Buch "Ist da oben jemand?" gibt die gebürtige Bremerin Einblicke in ihre Seele und schreibt über Wut, Schmerz und Verzweiflung. Denn sie verlor ihren Bruder durch einen tödlichen Autounfall. Am 5. März liest die 56-Jährige beim Literaturfestival MainLit in Würzburg daraus.
Bärbel Schäfer: Ich habe nicht meine Fernsehkarriere aufgegeben, sondern ein Format, das über viele Jahre sehr erfolgreich war. Die Sendung "Bärbel Schäfer" hat die Fernsehlandschaft richtig aufgewühlt und verändert. Später habe ich auch Formate zu politischen und kulturellen Themen moderiert. Danach war ich einige Zeit als Produzentin fürs Fernsehen tätig. Dafür bin ich dem Genre, dem Journalismus, treu geblieben. Seit zehn Jahren moderiere ich eine wöchentliche Talkshow im Radio. Von daher fühle ich keinen TV-Phantomschmerz.
Schäfer: Es waren so viele Sendungen, ich habe quasi sieben Jahre kaum Tageslicht gesehen (lacht). Die meisten Leute haben von Talkshows ein bestimmtes Bild. Vieles davon stimmt. Vieles aber auch nicht. Bei "Bärbel Schäfer" ging es nicht nur um Themen wie Sex, Schönheit, Streit mit den Eltern oder dem Ex-Freund. Wir haben auch mit Erstwählern über ihre politische Haltung gesprochen, mit Schülern über Zeugnisse diskutiert und wir waren in Solingen und Mölln, als es dort die ersten rassistischen Übergriffe gab.
Schäfer: Ich glaube, das Leben müssen wir alle durchhalten, unabhängig vom Alter. Meine Talkshow war ein Abbild des Lebens, von Krankheit über Schönheit oder Liebe, bis hin um Tod – die Sendung zeigte alle Facetten des Lebens, die uns faszinieren. Klar, wir waren damals ein gutes Team, wir waren alle jung und ungebunden, es war so ein bisschen wie eine Klassenfahrt. Dabei waren wir aber hoch professionell. Wir hatten einen enormen Druck, denn wir waren beim Privatsender und da zählte nur die Quote. Es war einfach harte Arbeit.
Schäfer: Ich habe schon immer gerne geschrieben, Tagebuch, Moderationstexte oder Romane, die noch in irgendwelchen Schubladen schlummern. Aber am liebsten schreibe ich über das Leben, so wie wir es alle schaffen und meistern, das ist für mich faszinierend.
Schäfer: Der Tod von lieben Menschen ist eine Lebenskrise. Das führt dazu, dass sich der Blick auf das Leben radikal verändert. Ich habe in dieser Zeit von vielen gehört: "Dein Bruder ist jetzt oben im Himmel und schaut auf dich herunter." Viele Menschen finden in so einer Situation Trost im Glauben. Bei mit war das nicht so. Ich bin kein gläubiger Mensch. Mir hat meine Familie beim Trauern geholfen, aber auch der Austausch über Schmerz und Verlust mit anderen. Und die Natur war für mich eine unglaubliche Kraftquelle. Einfach mal mit dem Hund über eine Wiese zu laufen, ohne das man mit jemandem quatschen muss, das hat mir gut getan.
Schäfer: Für diesen Schmerz Worte zu finden, war für mich sehr hilfreich. Sonst wäre ich implodiert. Das Leben ist kein Spaziergang, sondern es ist für alle in unterschiedlichen Phasen eher eine Achterbahnfahrt. Das Schreiben hat mir geholfen, alles rauszulassen. Und durch das Feedback der Leser habe ich gemerkt, dass ich mit meinem Schmerz und meiner Trauer nicht alleine bin.
Schäfer: Das kann ich nicht so konkret sagen. Ich denke an ihn, wenn jemand an mir vorbeigeht, der einen ähnlichen Haarschnitt oder ein ähnliches Parfüm hat. Ich denke an ihn, wenn ich auf meiner Playlist einen Song höre, den auch er gerne gehört hat. Mein Bruder war mein Freund, mein Urlaubskumpel, mein Mitbewohner. Wir hatten eine gemeinsame Firma. Er war mein Lebenszeuge. Unser Dialog ist jetzt ein Monolog. Es sind Tausende winzige Nano-Momente, wo diese Trauer-Nadelstiche immer wieder kommen.
Schäfer: Es heilt nicht. Natürlich ist die Wunde nicht mehr so frisch und sie blutet nicht mehr, aber man kann jederzeit daran kratzen. Dann löst sich die Kruste und der Schmerz ist wieder ganz nah. Vor allem, wenn ich an Orten bin, die uns beiden wichtig waren. Dann kommt die Trauer wieder hoch.
Schäfer: Nein. Gott ist für mich keine Option. Ich bin kein gläubiger Mensch. Der Tod meines Bruders hat mich an meine Grenzen gebracht. Für viele Menschen ist es eine große Hilfe, sich in den Glauben fallen zu lassen. Ich habe sehr viele gläubige Menschen dazu befragt und dachte, dass man das vielleicht lernen kann. Aber bei mir hat es nicht funktioniert. Gott ist für mich kein Halt und keine Leitplanke in meinem Leben.
Schäfer: Das hatte ganz pragmatische Gründe. Wir wollten, dass unsere Familie einen Glauben hat. Da der Glaube im Judentum über die Mutter übertragen wird, bin ich konvertiert. Seit ich übergetreten bin, prüfen einige, wie gläubig ich nun bin. Als ich protestantisch war, hat das keinen interessiert. Es gibt ja Millionen Christen, die ihren Glauben auch nicht praktizieren.
Schäfer: Jeder, von dem man öffentlich weiß, dass er jüdisch ist, oder der sich in dieser Gesellschaft für Vielfalt engagiert bekommt Hassmails, die man nicht gerne liest. Es ist furchtbar, was bestimmte Parteien in unserem Land angerichtet haben und noch furchtbarer ist es, dass viele Leute diese Parteien wählen. Aber wir sind auch viele, die lieber lieben als hassen, die das Miteinander der Kulturen und Religionen leben statt gestrig Gegeneinander zu leben.