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SCHWEINFURT
Wie Bärbel Schäfer hilft, das Schweigen zu brechen
Bärbel Schäfer im Gespräch mit Eva Szepesi.
Foto: Martina Müller | Bärbel Schäfer im Gespräch mit Eva Szepesi.
Erna Rauscher
 |  aktualisiert: 05.04.2019 10:03 Uhr

„Das ist alles so lange her. Kannst du keinen Schlussstrich ziehen?“ Bärbel Schäfers Großmutter entzieht sich den Fragen ihrer Enkelin nach der Vergangenheit. Nicht nur sie. Eine ganze Generation zog sich auf das Nichtwissen über den Holocaust zurück, das „unter den Teppich Kehren“ hat Tradition. Die Frankfurter Journalistin, Moderatorin und Autorin las an diesem Abend im Bayernkolleg Schweinfurt aus ihrem Buch „Meine Nachmittage mit Eva“.

Außerdem anwesend war die eigentliche Hauptperson, die in Budapest geborene Jüdin Eva Szepesi, Auschwitzüberlebende, die seit 1956 in Frankfurt am Main lebt.

Wie ein Schatten

Aus einer beruflichen Begegnung vor vier Jahren war zwischen den beiden Frauen eine tiefe Freundschaft entstanden. Einmal in der Woche besuchte Schäfer diese zarte Frau, die sehr persönlichen Gespräche offenbarten ein fünfzig Jahre lang verschwiegenes Leben. Geschichte, wie sie kaum in den Geschichtsbüchern steht. Geschichte, erlebt und dann vor Scham und Schrecken in der Dunkelheit des Schweigens vergraben. Sie wollte den Schmerz nicht zulassen. Dieses Schweigen legte sich wie ein Schatten auf ihr Leben.

Schäfer versteht es in ihrem Buch, die eigene Lebensgeschichte mit der von Eva Szepesi in Beziehung zu bringen. Es entsteht allmählich ein Flechtwerk aus Gestern und Heute, die Vergangenheit schiebt sich in die Gegenwart mit einer Klarheit, die wach macht. Schäfer erhält nun endlich Antworten auf ihre Fragen, die bisher niemand beantwortet hatte. Es sind verstörende Antworten, die das jahrzehntelange Schweigen brechen. Aber sie fragt auch, was diese Antworten mit ihr machen. Wird sie es besser machen als ihre Großmutter? Inzwischen selbst Mutter will sie reden, will erklären und keine Antworten schuldig bleiben.

Was unvergessen bleibt

In Schweinfurt ist es eine Wiederbegegnung mit Eva Szepesi, der zierlichen Dame, der man ihre 85 Lebensjahre kaum ansieht. Bereits im Frühsommer hatte sie im Bayernkolleg aus ihren Erinnerungen gelesen. „Es war nicht richtig, dass ich so lange geschwiegen habe. Ich konnte nicht trauern“, sagt sie jetzt mit leiser, aber fester Stimme. All die Jahre hatte sie gewartet, dass ihre Eltern wiederkommen. 1995 besuchte sie mit ihrer Enkelin eine Gedenkveranstaltung in Auschwitz, 2016 erhielt sie Gewissheit, dass Mutter und Bruder in Auschwitz ihr Leben verloren haben.

„Geht Glück nach Auschwitz?“ fragt Bärbel Schäfer Eva Szepesi. Nach kurzem Überlegen bejaht diese. „Ja, durch die Kinder, Enkel und Urenkel. Doch im Lachen bleibt ein Rest Traurigkeit.“ Man hätte der berührenden Lesung viel mehr Zuhörer gewünscht, Zeitzeugen einer Zeitzeugin. Die Begegnung wird unvergessen bleiben.

 
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