Es scheint, als hätte der Ire Samuel Beckett Zeit seines Schriftstellerlebens mit genialer Akribie alles beobachtet, was ihm an menschlichen Bewegungen und Regungen begegnete. Um es dann auf unergründliche Weise zu zerstückeln, durcheinanderzuwirbeln und in einem hermetisch abgeschotteten Labor zu einem Kunstwerk zu verdichten, an dem sich seither Generationen von Interpreten die Zähne ausbeißen.
Man sollte also, wenn man die Maßbacher Inszenierung seines zweiten Hauptwerks "Endspiel" (nach "Warten auf Godot") verfolgt, nicht einfach die gegenwärtige Verfassung der Menschheit heranziehen und ausrufen: "Was für ein Visionär, dieser Beckett! Klimakrise. Orientierungslosigkeit. Lebensangst. Tod. Alles aufs Feinste seziert!"
Jeder einzelne Spielzug der vier seltsamen Figuren auf der Bühne, die da seit wer weiß, wie lange in einer kargen, tageslichtlosen Garage hausen – das Draußen scheint öd und leer –, verleitet zwar, Bezüge zur Realität herzustellen, doch die nächste Wendung führt die Gedankenverknüpfung schon wieder ad absurdum.
Die Figuren sind gut getroffen und souverän gespielt
Der junge Regisseur Uwe Reichwaldt, Absolvent des renommierten Wiener Max Reinhardt Seminars und ehemaliger Regieassistent in Maßbach, inszeniert das Stück mit präziser Personenführung und Dramaturgie. Das absolut trostlose Garagenmilieu von Robert Pflanz setzt wieder einmal einen erfreulichen Kontrapunkt zum gerne gesehenen bürgerlichen Raumambiente.
Und die Figuren? So absurd ihre Erscheinung (Kostüme: Jutta Reinhard) auch ist, sie sind gut getroffen und werden souverän gespielt. Ingo Pfeiffer als Hamm: einstmals wohl ein egomanischer Macher. Jetzt blind und gelähmt auf einem Motorrad mitten in der Garage sitzend, wie Hannibal auf einem Elefanten. Hilflos, wehleidig, aber immer noch mit großmächtigem Gebaren. Eine absolut lächerliche Figur.
Das Stück berührt in den Tiefen der eigenen Ängste und Abgründe
Ebenso glaubt man Benjamin Jorns den Clov: zeitlebens ein Dienender. Jetzt gebeugt durch den Raum schlurfend und nörgelnd – unfähig sich zu setzen, unfähig, sich aus dem Duo infernale zu befreien. Und dann Hamms "verfluchte Erzeuger", wie er sie nennt, die wie Sesamstraßenmonster in nebeneinanderstehenden Mülleimern in den letzten Zügen vor sich hinvegetieren. "In heiterer Ironie und bitterer Verzweiflung", wie es heißt: Jacqueline Binder und Marc Marchand, wie man sie noch nie gesehen hat. Allein der vergebliche Versuch von Nagg und Nell, sich über den Tonnenrand hinweg zu küssen, erzeugt bei manchen Zuschauern ein Gefühl von Vertrautheit.
Selbst wenn man immer wieder Assoziationen auf den Leim gehen mag: Es wirkt etwas in dem Stück, das einen in den Tiefen der eigenen Ängste und Abgründe berührt. Man könnte glauben, hier gehe es tatsächlich um die letzten Tage der Menschheit in Gestalt von vier hoffnungslos verlorenen Seelen, die ihren wahren Zustand bis zum letzten Atemzug nicht sehen wollen. Diese nicht unbekannte menschliche Regung lässt sich am besten von stereotypen Figuren verkörpern, in deren Spiel sich sämtliche dämonischen Potenzen des Individuums zu einem absurden letzten Scheingefecht verdichten. Eine beeindruckende Maßbacher Inszenierung der etwas anderen Art.
Vorstellungen in der Maßbacher Lauertalhalle bis zum 21. November. Gastspiele in Haßfurt (Stadthalle, 19. Oktober, 20 Uhr) und Lichtenfels (Stadthalle, 21. Oktober, 19.30 Uhr). Karten zur Zeit nur im telefonischen Vorverkauf mit Zusendung per Post oder E-Mail: (09735) 235.
Mo., Di. , Do., Fr. 9-16 Uhr, Mi. 9-13 Uhr