
Michael Fitz wollte seine Herbst-Tournee mit dem Titel "jetz' auf gestern" – das inzwischen achte Solo-Programm – diese Woche starten. An diesem Samstag sollte er in der Alten Synagoge in Kitzingen aufgetreten. Ein Konzert von vielen, die in diesem Jahr nicht stattfinden. Die Kultur ist wieder in der Zwangspause – aber wenigstens darüber reden kann man ja. Was macht Corona mit der Kunst? Michael Fitz hat da eine klare Meinung und gewährt Innenansichten. An diesem Freitag feiert der Mann, der als Tatort-Kriminaloberkommissar Carlo Menzinger (von 1992 bis 2007) populär wurde, seinen 62. Geburtstag. Der Schauspieler, Sänger und Musiker blickt trotz allem positiv in die Zukunft: Das Beste, sagt er, kommt für ihn erst noch.
Michael Fitz: Ich hätte dieses Jahr knapp 80 Auftritte gehabt. Seit 10. März spiele ich keinen normalen Tourplan mehr. Seither hatte ich nur sechs Auftritte: Drei Ende September und drei im Oktober – alle übrigens außerhalb von Bayern. In Kitzingen wäre es mein neunter Auftritt in diesem Jahr gewesen.
Fitz: Wenn ein Künstler Zeit hat, macht er – klar – Kunst. Ich habe an einem neuen Album gearbeitet und hatte endlich mal Zeit, neue Stücke zu machen. Das Album ist fast fertig, im nächsten Frühjahr soll es erscheinen.
Fitz: Ich bin jetzt Anfang 60. In meinem Alter hat man sich natürlich Reserven aufgebaut, weil man das Geschäft kennt und immer etwas passieren kann. Dass etwas in diesem Ausmaß geschieht, damit hat keiner gerechnet. Für mich ist die Situation nicht direkt existenzbedrohend. Ich bekomme aber ein richtiges Problem, wenn es so weiter geht. Im Moment brauche ich Reserven auf, die für die Altersversorgung gedacht waren. In meinem Beruf muss ich anders vorbauen als andere, schon weil die durchgehenden Rentenzeiten fehlen. Eine lange Durststrecke hat bei mir also Langzeitfolgen.
Fitz: Das Hauptproblem ist die Angst der Menschen. Selbst wenn die Infektionszahlen zurückgehen und selbst wenn ein Impfstoff da ist, sind die Leute immer noch von der Angst durchdrungen. Im Zweifelsfall kaufen die Menschen eher keine Konzertkarte, weil es ihnen zu gefährlich ist, mit anderen Menschen zusammenzusitzen. Es wird dauern, bis sich das aus den Köpfen verabschiedet haben wird. Für die Kunst und die Künstler ist das eine Katastrophe.
Fitz: Der Umgang der Verantwortlichen mit der Kunst ist ebenfalls eine Katastrophe in Deutschland. Unter aller Kanone. Man hatte zwischendurch das Gefühl, an die Kunst wird gar nicht gedacht. Als sei schlichtweg schnuppe, was da passiert. Es brechen die Künstler weg und die Veranstaltungsorte. Und damit auch die Dienstleister wie Service, Technik, Licht und Ton. Da wird ein riesiges Loch entstehen. Was die Entschädigungen der Künstler für den November-Lockdown wirklich bringen, muss man erst noch sehen.

Fitz: Es wird Zeit, mehr darüber nachzudenken, wie man das vernünftig kompensiert. Ich habe nicht verstanden, dass ein so reiches Land wie Deutschland lange nicht in der Lage war, hier im Frühjahr ein Programm aufzulegen. Die November-Hilfen sind zumindest eine Geste, ein Zeichen. Man hat uns endlich auf dem Schirm.
Fitz: Für mich ist es gar nicht so sehr die Zahl, sondern die Entfernung. Mein Programm lebt davon, dass die Leute nah dran sind. Dass man die Leute anschauen und ansprechen und von ihren Gesichtern ablesen kann. Viele Veranstalter verlegen die Konzerte in größere Räume, das ist dann von Haus aus zu groß für das, was ich mache. Das ist sehr anstrengend, ich lebe von der Nähe.
Fitz: Die Familie ist irrsinnig groß, es gibt einfach viele Fitzens. Mein Großvater war der Urahne, der Künstler-Dynastie. Er hatte viele Talente, die er großzügig an seine Nachkommen verteilt hat: Er war Regisseur, Roman- und Drehbuchschreiber, Gedichteschreiber, hervorragender Vorträger und konnte gut Laute spielen. Das ist dann gießkannenmäßig auf die Nachfahren übergegangen.
Fitz: Durch die vielen Auftritte könnte der Eindruck entstehen, dass die Musik das Hauptstandbein ist. Reich werden kann man damit aber nicht. Finanziell ist eher so, dass ich mit drei Filmen im Jahr mehr verdiene als beispielsweise durch 80 Auftritte.
Fitz: Manchmal glaube ich, dass meine Zeit noch kommt. Mit zunehmendem Alter bekomme ich einen Charakterkopf. Bis weit in meine 50er hinein habe ich die netten Jungs von nebenan gespielt, oft eher Jüngere. Langsam nähere ich mich mit meinem Spielalter auch meinem Lebensalter. Eine spannende und gute Entwicklung.
Fitz: Ich halte mich da eher an meinen Großvater: Ich bin ein Vortragskünstler. Ich kombiniere Dinge miteinander, hintersinnige Moderationen verbinde ich mit Musik . Ich bin kein klassischer Liedermacher, der ein bisschen auf der Gitarre schrammelt. Ich habe total Spaß an Musik, sie ist für mich genau so wichtig wie der Text. Das italienische Wort "Cantautori" wäre die richtige Bezeichnung: Jemand der erzählt und singt.
Fitz: Ich bin ein großer Verehren von Gianmaria Testa, der leider schon gestorben ist. Mit ihm hätte ich gerne mal auf einer Bühne gestanden. Paolo Conte ist für mich ein genialer Songschreiber und Performer. Da fühle ich mich zuhause.
Fitz: "Jetzt bis gestern" wäre die hochdeutsche Version und bedeutet, dass es auf die Zeit gar nicht ankommt. Man ist im Heute unterwegs, das ist das allerwichtigste. Natürlich hält man immer Rückschau, unsere Vergangenheit ist immer dabei. Und man spekuliert auch gerne in die Zukunft. Was aber wirklich zählt, ist, dass wir jetzt gerade da sind.