»Ich muss ja in Lohr nicht mehr so wahnsinnig viel erklären«, eröffnet Michael Fitz am Freitag in der Alten Turnhalle seinen fünften Auftritt in der Stadt. Von »Konzert« kann man nicht wirklich sprechen, denn Fitz redet mehr als er singt. Von Mal zu Mal deutlicher werden die Unterschiede zwischen den witzigen Erzählteilen und den nachdenklichen, fast schwermütigen Liedern.
Vor einem halben Jahr ist der von seiner Agentur als Schauspieler, Songpoet und Geschichtenerzähler angekündigte Fitz 60 geworden. Man sieht ihm die Jahre nicht an, Fitz sieht immer noch so aus, wie man ihn seit langem aus dem Fernsehen kennt. Mit vier Gitarren neben sich sitzt er auf der fast dunklen Bühne auf einem abgenutzten Hocker.
120 Zuhörer sind dieses Mal zur Veranstaltung des städtischen Kulturamts gekommen, doppelt so viele wie beim letzten Auftritt im Dezember 2017, aber damals war das Wetter viel schlechter. Gleich geblieben ist dagegen ein erheblicher Teil des Programms, auch wenn es nicht mehr wie seinerzeit »Des bin i« heißt, sondern »Von Jetzt auf gestern«.
Von Besuch überfordert
Fitz spielt wieder »Bsuach« (Besuch), in dem er etwas über seine eigene »Willkommenskultur« erzählen will, die von einem unangekündigten Besuch überfordert wird. Wenn er wolle, dürfe er wieder gehen, lässt er den Besucher wissen, »denn allein ist's auch ganz schön«. Vorher solle er ihm aber helfen, den Schrank 'rauszustellen.
In »Hinter'm Zaun« geht es um Kindheitserinnerungen, die Schlüsselerlebnisse des Sängers sein könnten: Er schildert eine Kinderbande, die bei den Nachbarn Obst klaut. Aber nicht jeder traut sich, mitzumachen, mancher hält sich lieber zurück: »I wart hinter'm Zaun auf di.«
Fitz ist auch einer von denen, die lieber warten, oder wie er singt: »I geh net aufs Eis, i schaug liaber de andren zua.« Denn er hat eine »Intuition, dass da bald etwas passieren wird«. Lieber gräbt er sich zu Hause einen Teich.
Das sind noch die »heiteren« Teile des Programms. Es geht auch deutlich trauriger, schwermütiger und depressiver, wie ihm eine Zuhörerin in Osnabrück mal vorgehalten hat. Etwa in »Zeit«, wo Fitz singt: »I hob koa Zeit, warum muss das Leben so schnell vergeh'n?« Ein anderer Zuhörer, berichtet Fitz, habe ihm einmal gesagt: »Das ist kein Konzert, das ist eine Therapiestunde.«
Der Künstler nimmt sich selbst und sein Publikum auf den Arm, wenn er nach einem Lied sagt, nach der launigen Flamenco-Eröffnung hätte man schon mit etwas Leichterem rechnen können, »aber dann geht's steil bergab«. Seine Auftritte seien eben eine »Achterbahnfahrt«.
Da ist er dann, der völlig andere Erzähler Michael Fitz, ein witziger, auch selbstironischer Plauderer, dem man stundenlang zuhören könnte, wie er von seiner letzten Nord- und Ostseetournee erzählt und von den Einheimischen, die ihm versichern, sein bayerischer Dialekt habe eine ähnliche Sprachmelodie wie ihr Plattdeutsch.
Oder wenn er über den Selbstoptimierungswahn lästert oder feststellt, die Berufswahl Politiker oder Bühnenkünstler könne man nur mit einem »Mangel an Aufmerksamkeit und Zuwendung in der Kindheit« erklären.
Verwirrung hinter der Stirn
Als Zugabe nach gut zwei Stunden gibt es wieder »Hinter meiner Stirn«, ein programmatisches Lied für Fitz. Darin beschreibt er, »was in meinem Kopf los ist«, wie sich der Verstand überall einmischen will, wie»lauter dicke kleine Hausverwalter streiten« und für »Überlastung und Verwirrung« sorgen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.