Bad Kissingen gehört jetzt zum Welterbe. Diese Bedeutung hat das Unseco-Komitee der Stadt an der fränkischen Saale mit zehn anderen europäischen Kurstädten am vergangenen Samstag verliehen. Vor Ort verspricht man sich Impulse für Tourismus und Städtebau. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um die herausragende Auszeichnung.
Die Serie der Städte wurden unter Hunderten von Thermalbädern in ganz Europa ausgewählt. Neben Bad Kissingen haben Baden-Baden (Baden-Württemberg) und Bad Ems (Rheinland-Pfalz) in Deutschland, Karlovy Vary (Karlsbad), Mariánské Lázne (Marienbad) und Františkovy Lázne (Franzensbad) in Tschechien, Vichy (Frankreich), Montecatini Terme (Italien), Baden bei Wien (Österreich), Bath (Großbritannien) sowie Spa (Belgien) Aufnahme gefunden. Die Unesco begrüßt derartige grenzüberschreitende Kooperationen, sagt Peter Weidisch, Projektmanager der Stadt Bad Kissingen.
Mit Ausblicken und Erwartungen hat sich die Stadt bis jetzt zurückgehalten. Oberbürgermeister Dirk Vogel möchte bei einem Festakt am Freitag im Regentenbau mehr verraten. Aber der Welterbe-Erfolg ist in der Stadt schon sichtbar. Plakate sind bereits am Tag der Ernennung um Sticker mit der Aufschrift "Wir sind Welterbe" ergänzt worden. Doch Hoffnungen ruhen auch auf mehr Unterstützung bei der Belebung brachliegender Areale, wie etwa der Unteren Saline.
Der Bund unterstützt bisher Welterbestätten mit eigenen Etats. So gibt es im Jahr 2021 zehn Millionen Euro für die Montanregion Erzgebirge. Mit welcher Unterstützung Bad Kissingen rechnen kann, ist noch ungewiss.
In Bad Kissingen gehören 212 Hektar Fläche zur Welterbestätte, die vom Kaskadental im Norden bis zum Golfplatz im Süden reicht. 40 Einzelelemente hat die Stadt im Zuge der Bewerbung herausgearbeitet. Dazu kommt die Stadtstruktur mit dem locker bebauten Kurviertel sowie viele Gärten und Parks. Sie sind durch Sicht- und Blickachsen aufeinander bezogen.
Die Einzelelemente sind überwiegend durch die Kur geprägt. Darunter Badehäuser, Brunnenhalle und Kultur- und Versammlungsräume wie der Regentenbau oder das Kurtheater. Auch die Versorgungstechnik gehört dazu, wie die Pumpanlagen und der ehemalige Schlachthof. Darüber hinaus Promenadenwege und Sportstätten wie das Turniergebäude in der Au, einst Tribüne für das Publikum von Reitturnieren.
Die Stadt verweist auf das gut erhaltene Kurgartenensemble mit Bauten Friedrich von Gärtners und Max Littmanns. Zudem sei der 1738 angelegte Kurgarten nach aktuellem Forschungsstand der weltweit erste seiner Art.
Die bedeutenden Kurstädte waren Treffpunkte für eine breite internationale Elite aus Wissenschaftlern, Künstlern und Politikern. In der Kursaison wurden sie zur politischen Bühne. Internationale Bedeutung erlangte Bad Kissingen insbesondere durch die zahlreichen Besuche des Reichskanzlers Otto von Bismarck. Das Kissinger Diktat sowie die Grundlagen der weltweit richtungsweisenden deutschen Sozialversicherung wurden hier erdacht und verfasst. Bismarcks Kurquartier mit Originalausstattung ist im Museum Obere Saline erhalten.
Das Areal rund um die Untere Saline im Norden der Altstadt Bad Kissingens besitzt als einzige Stadt innerhalb der zehn Mitwerber ums Welterbe Einrichtungen zur Gewinnung und Nutzung von Siedesole. Es steht stellvertretend für die Bedeutung der salzhaltigen Quellen in der Kurmedizin des 19. Jahrhunderts. Der Einbezug der Sole in das Kurwesen ist in Kissingen gut nachvollziehbar. Er wurde durch zwei Faktoren beflügelt: Den Rückgang der Siedesalzindustrie sowie den Trend, ans Meer und in die Seebäder zu fahren. Bad Kissingen reagierte darauf mit der Einführung von Solebädern und solehaltigen Heilmitteln wie der Mutterlauge sowie auch mit der Umwidmung des Gradierwerks zum Freiluftinhalatorium.
Die Stadt verweist auf viele lebendige Spuren der historischen Kur. Insbesondere die Trinkkur mit Brunnenausschank sei Tradition. Die Rolle der Bayerischen Staatsbadphilharmonie als Kurorchester und die Ausrichtung des klassischen Musikfestivals "Kissinger Sommer" unterstreiche den Anspruch als Weltbad.
Die Kurorte verkörpern die berühmtesten und mondänsten Kurbäder des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie lieferten architektonische Meilensteine und verstehen sich als Vorreiter für Kommunikation und kulturelle Aktivitäten in einer Gesellschaft, in der sich die Mittelschicht entwickelte und sich Konzepte wie Internationalismus und Demokratie durchzusetzen begannen. Die Kurstädte entwickelten sich zu echten Sehnsuchtsorten und wurden als Cafés, Salons und Sommerhauptstädte Europas bekannt.
In Europa gibt es über 400 Kurorte. Der endgültigen Auswahl der elf Kurstädte gingen mehr als zehn Jahre Forschung, fachliche Beratungen, Konferenzen und Debatten voraus. Im 19. Jahrhundert gab es über 600 Kurbäder in Europa. Diese wurden in einer Vergleichsanalyse untersucht und einer Prüfung im Hinblick auf die Erfüllung der Unseco-Kriterien unterzogen. Dabei kristallisierten sich die Favoriten heraus.
Nach Ansicht von Bad Kissingens Stadtverwaltung ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Kur und Kurstadt in dem Bewerbungsverfahren stark vorangekommen. Bad Kissingen brachte sich demnach mit zahlreichen Forschungsergebnissen ein. Etwa zur Entwicklung der Kurgärten oder der Kurmedizin.
Die Unesco beschreibt den Wert so: Welterbestätten sind Orte von besonderer Bedeutung für die Weltgemeinschaft. Sie dienen den Zielen der Globalen Nachhaltigkeitsagenda und dem Mandat der Unesco, Frieden zu fördern. Welterbestätten bedürfen Schutz und Pflege. Die Einschreibung einer Kultur- oder Naturerbestätte in die Welterbeliste ist der Auftakt für die Aufnahme und Verstärkung von Bemühungen um Denkmal- und Naturschutz, nachhaltige Entwicklung, Vermittlung und interkulturelle Verständigung.
Weltweit gibt es aktuell 1153 Welterbestätten in 167 Ländern, darunter die Pyramiden von Gizeh, die Große Mauer in China oder die historische Altstadt Roms. In Deutschland gibt es 50 Welterbestätten, darunter das Wattenmeer, die Museumsinsel in Berlin, den Kölner Dom – und eben nun auch Bad Kissingen als Mitglied der "Great Spas of Europe".
Wie im Artikel beschrieben, bedürfen Welterbestätten (städte) Schutz und Pflege. Die Bemühungen zum Denkmalschutz vielleicht verstärken, mit wachsamen, offenen Augen behutsam den Leerstand füllen und überfällige Baumassnahmen voran bringen.
Sommergrüsse nach Bad Kissingen.