Der Mann maß von den Füßen bis zum Kopf 2,14 Meter. Entsprechend groß würde nach seinem Ableben sein Sarg ausfallen. Doch so große Särge sah die Satzung des Friedhofs, wo der Mann einmal beerdigt zu werden wünschte, nicht vor. Das empfand er als arge Benachteiligung. Er wandte sich an den Würzburger Ombudsrat. Der nahm sich der Sache an und fand eine Lösung.
Der „Fall Sargmaß“ gehört zu den skurrilsten Fällen, mit denen es der Ombudsrat seit seiner Gründung vor fünf Jahren zu tun hatte. Fast immer geht es tiefer ins Eingemachte, wenn jemand anruft, eine Mail schreibt oder sich über den persönlichen Kontakt zu einem der ehrenamtlichen Ombudsräte an das Gremium wendet. Mit knapp 40 Fällen von Diskriminierung hat es der Ombudsrat pro Jahr zu tun, sagt Mitglied Stefan Lutz-Simon: „Wobei hinter den einzelnen Fällen oft viele Personen stecken.“
Der Ombudsrat kümmert sich dann um Diskriminierung, wenn sie im öffentlichen Raum geschieht, ergänzt Stefanie Köster: „Es geht also nicht um Diskriminierungen zwischen einzelnen Personen.“ Dies könne das ehrenamtliche Gremium, das seit eineinhalb Jahren für fünf Stunden in der Woche von Referent Michael Weis unterstützt wird, gar nicht leisten. Schon jetzt hat das siebenköpfige Team alle Hände voll zu tun. Diskriminierung ist kein seltenes Phänomen. Menschen werden benachteiligt, wenn sie zur Ausländerbehörde gehen. Sie werden von Türstehern an Discos abgewiesen, werden, wegen ihres Aussehens, gebeten, den Bahnhof zu verlassen, oder erhalten, wohl wegen ihres Kopftuchs, keinen Mietvertrag.
Die Stadt Würzburg unterstützte den Ombudsrat von Anfang an. 1500 Euro gab es in den ersten Jahren für Sachmittel. Seit 2014 fließen 9000 Euro jährlich an den „Stachel im eigenen Fleisch“, wie Ombudsrat Harald Ebert das Gremium auf die Stadt bezogen scherzhaft nennt. Denn bequem ist es nicht immer für die Kommune, dass es den Ombudsrat gibt.
Natürlich sind Verwaltung und Politik gegen Diskriminierung. Fragt sich bloß, was in welcher Situation genau unter „Benachteiligung“ verstanden wird. So prangerte der Ombudsrat immer wieder an, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Rathaus anders als deutsche Bürger behandelt werden: Sie erhalten schlicht nicht den Service, der im Bürgerbüro selbstverständlich ist.
Noch stärker scheiden sich die Geister bei einem Fall von politischer Diskriminierung, mit dem sich der Ombudsrat aktuell befasst. Dabei handelt es sich um einen jungen Mann, der heftig gegen Rechtsextremismus und Rassismus kämpfte. „Ziviler Ungehorsam“ nennt sich die von ihm gewählte Protestform, die über das bloße Demonstrieren hinausgeht. Der Protest des jungen Mannes hatte harsche Konsequenzen durch die Polizei. Auch das ist für den Ombudsrat Diskriminierung.
„Wir müssen dicke Bretter bohren“, meint Ebert mit Blick auf die Themen, mit denen sich der Ombudsrat befasst. Viel Holz wurde seit 2010 gebohrt. So gab es Diskotheken, die ihre Türsteher ausgetauscht oder gar die Sicherheitsfirma gewechselt haben. Das Ausländeramt ist auf dem besten Weg, sich in eine „Willkommensbehörde“ zu verwandeln. Und der Stadtrat beschloss, sich mit der Idee eines „Willkommenstickets“ zu befassen.
Doch es bleibt viel zu tun, meint Ombudsrätin Natali Soldo-Bilac. Schockierend ist für sie vor allem, wie diffamierend sich Würzburger im Internet über Flüchtlinge oder Menschen aus anderen Ländern äußern.
In „Freitagsgesprächen“ wird mit Verantwortlichen von „auffälligen“ Institutionen gesprochen, erläutert Ombudsrat Burkhard Hose: „Wenn ein erstes Gespräch nichts nutzt, laden wir weitere Male ein.“ Wobei die Geduld der Ombudsräte nicht grenzenlos ist. Werden offensichtliche Missstände nicht abgestellt, geht das Gremium einen Schritt weiter und prangert die Diskriminierung öffentlich an. Meist hat das dann Wirkung.
Größter Wunsch zum fünfjährigen Bestehen wäre eine eigene Geschäftsstelle. Denn momentan trifft sich der Ombudsrat an verschiedenen Orten - dort, wo die Ehrenamtlichen tätig sind. Außerdem wäre es dringend notwendig, die Stelle von Referent Michael Weis aufzustocken. Die fünf Wochenstunden, die ihm zur Verfügung stehen, reichen gerade so aus, um die Mails abzuarbeiten, sagt er: „Für inhaltliche Zuarbeit an die Ombudsräte bleibt keine Zeit.“
Kontakt: Der Ombudsrat kann unter der Nummer 0321-21-360571 oder ombudsrat@stadt.wuerzburg.de kontaktiert werden.
Jetzt stelle ich mir aber die Frage, warum es "harsche" Konsequenzen
gegen ihn durch die Polizei gab - hat er vielleicht durch gewalttätiges
Verhalten dazu beigetragen, so dass der Polizei keine andere Möglichkeit blieb?
Schon im Artikel hier wird dieser Mann zum Helden verklärt (Kämpfer gegen Rassismus..., ziviler Ungehorsam) - würde der Ombudsrat sich auch für einen
Teilnehmer der Wügida einsetzen - wenn dieser zum Beispiel von so einem oder mehreren "Kämpfern des Guten" attackiert wurde (nicht nur verbal)?
Ein Bericht darüber wäre durchaus interessant!