Veronika Diefenbacher gehört zu den Sängerinnen, deren Auftritte man nicht vergisst. Ihre runde, warme Stimme, ihre Bühnenpräsenz, die Intensität ihres Spiels. Das wurde in allen Gesprächen mit Theater- und Opernfans deutlich, nachdem die Nachricht ihres Todes die Runde gemacht hatte. "Sie war eine echte Operndiva und Dame", sagt eine Weggefährtin über die Sopranistin, die seit 1973 über 30 Jahre lang am Mainfranken Theater wirkte und bis heute eine ergebene Fangemeinde hat.
Veronika Diefenbacher starb im Alter von 78 Jahren in den Morgenstunden des 28. Mai – dem Tag, an dem das Mozartfest 2021 Premiere hatte. Eine bezeichnende Parallele, wie ihr Sohn Marc Diefenbacher findet: "Sie liebte das Mozartfest. Es war für sie immer ein Höhepunkt, wenn sie da singen konnte."
Veronika Diefenbacher wurde 1943 in der Mark Brandenburg geboren, 1947 floh die Familie in den Kraichgau in Baden-Württemberg. Schon im Schulchor fiel ihre schöne Stimme auf. Mit 18 trat sie bereits in der Operette „Die lustige Witwe“ auf. In dieser Zeit lernte sie auch ihren späteren Ehemann, den Ingenieur Walter Diefenbacher kennen. Mit 19 Jahren heiratete sie, ein Jahr später wurde sie Mutter.
Erst wurde sie Mutter, dann begann sie ihre Karriere
Erst danach studierte sie Gesang an der Musikhochschule Karlsruhe bei Prof. Fritjof Haas. Vertiefend nahm sie Unterricht bei Else Blank und Emmy Seiberlich. 1971 hatte sie ihr erstes Engagement am Staatstheater Karlsruhe, zwei Jahre später wechselte sie nach Würzburg, wo sie als Donna Anna im "Don Giovanni" debütierte.
Veronika Diefenbacher war hier über drei Jahrzehnte lang das Maß der Dinge. Und manchmal ist sie es bis heute. So erinnerte sich ein Kritiker nach der Premiere der Richard-Strauss-Oper "Ariadne auf Naxos" im Januar 2019: "Mit Ilia Papandreou hat Würzburg eine Ariadne, die sich vor der beeindruckenden Leistung Veronika Diefenbachers 1990 nicht verstecken muss."
So zeitlos die Erinnerung an ihre vielen Rollen (es waren über 80 Hauptpartien), etwa die Titelrolle in "Aida", die Marschallin im "Rosenkavalier", Constanze in der "Entführung", Gräfin im "Figaro", Elsa im "Lohengrin", Leonore in "Fidelio" oder ihre Lieblingsrolle Tatjana in "Eugen Onegin", so ungewöhnlich war ihre Laufbahn schon damals: Sie blieb Würzburg treu, obwohl damals wie heute viele der Meinung waren, dass sie eine ähnliche Karriere hätte haben können wie Waltraud Meier oder Diana Damrau. Mit beiden hat sie übrigens gesungen. Ebenso wie mit männlichen Topstars wie Siegfried Jerusalem, Karl Ridderbusch, Francisco Araiza oder Peter Hofmann.
Sie blieb Würzburg treu, obwohl sie auch an großen Häusern hätte bestehen können
"Sie gastierte an großen Häusern, etwa Dortmund, Frankfurt, München, Mannheim, aber sie wollte ihrer Karriere nicht alles andere unterordnen", erzählt ihr Sohn. "Sie liebte Würzburg. Sie war hier glücklich – privat und beruflich. Die Stadt war ein geschützter Bereich für sie. Sie konnte zu Fuß zur Vorstellung kommen und ihre Hunde in der Theatergarderobe lassen, während sie auf der Bühne stand." Die Hunde waren wichtiger Teil ihres Lebens, und da sie die Rolle der Daphne (Richard Strauss) so liebte, nannte sie ihren ersten Hund in Würzburg, einen Basset, Daphne.
"Ihre Elisabeth im ,Tannhäuser' war Weltklasse", sagt der Bariton Christoph von Weitzel, langjähriger Lebensgefährte. Neben der puren Schönheit ihrer Stimme sei es ihr immer auf möglichst klare Aussprache angekommen: "Sie sagte, man solle so singen, wie man spricht. Sie wollte immer den Sinn der Werke transportieren."
"Sie selbst bezeichnete sich als Bauchmensch, der alles gab und auf der Bühne grenzenlos war. Genau das war wohl auch das Geheimnis ihres großen Erfolges. Wie sie selbst im Alter erkannte und formulierte, war dies auch ein hoher Preis, da sie der Beruf sehr viel Kraft kostete und wenig Raum für Privatleben blieb", so Marc Diefenbacher im Nachruf auf seine Mutter.