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Würzburg
"Hell ist die Nacht": Performance im Keller, in dem 500 Menschen die Bombennacht des 16. März überlebten
Im ehemaligen Luftschutzkeller der Erlöserschwestern verschmelzen Geschichte und Kunst zu einem intensiven Stück, das auch Schülerinnen und Schüler fesselt und ergreift.
Im Keller, der 500 Menschen in der Bombennacht das Leben rettete: Die Mezzosopranistin Elisabeth Wrede spielt die Laura. Das Bild entstand während einer Mozartfest-Aufführung 2024.
Foto: Peter Schuhmann | Im Keller, der 500 Menschen in der Bombennacht das Leben rettete: Die Mezzosopranistin Elisabeth Wrede spielt die Laura. Das Bild entstand während einer Mozartfest-Aufführung 2024.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 12.03.2025 20:30 Uhr

Ein klammer, staubiger Keller, tief unter der Stadt. An den Säulen handgemalte Inschriften wie diese: "Maria voll der Gnade, hilf uns, dass der Feind nicht schade". Hier überlebten 500 Menschen die Bombennacht des 16. März 1945. Als englische Bomber 360.000 Stabbrandbomben über einer Stadt abwarfen, die sich angesichts fehlender Rüstungsbetriebe und großer Kunstschätze einigermaßen sicher vor Bombardierungen gewähnt hatte.

Es ist der ehemalige Luftschutzkeller des Mutterhauses der Würzburger Erlöserschwestern. Heute ist der Raum einer der Schauplätze des außergewöhnlichen Stücks "Hell ist die Nacht". Die "musiktheatrale Installation" wurde erstmals im Juni 2024 als Produktion des Mozartfests aufgeführt.

In acht weiteren Vorstellungen, diesmal unter der Trägerschaft der Kongregation, erleben dieser Tage, kurz vor dem 80. Jahrestag der Bombardierung, rund 550 Schülerinnen und Schüler Würzburger Schulen, wie sich Musik aus drei Jahrhunderten, Lyrik und Zeitzeugenberichte zu einer zutiefst bewegenden Inszenierung verschmelzen lassen.

Kein Geschubse, kein Gekichere, sondern Konzentration und Ergriffenheit

Die knapp 80 Besucherinnen und Besucher pro Vorstellung betreten Säle mit niedrigen Gewölben, meistern steile Treppen, durchstreifen unterirdische Gänge. Auf die Jugendlichen der ersten Schulvorstellung verfehlten Ort und Stück ihre Wirkung nicht. Kein Geschubse, kein Gekichere, sondern eine Konzentration und wohl auch Ergriffenheit allenthalben, die selbst die eine oder andere Lehrkraft überraschte.

Auch Generaloberin Monika Edinger berichtet von positiven Reaktionen: "Ich habe gerade mit vier Jungs gesprochen. Die fanden es 'richtig gut', viel besser als im Theater, obwohl es gar nicht ihre Sprache sei." Sehr bewusst habe sich der Orden entschieden, das Stück wieder aufzulegen: "Jetzt, da die Zeitzeugen immer weniger werden, wollten wir es jungen Leuten zugänglich machen. Schließlich ist die Thematik leider aktueller denn je."

Lyrik und zeitgenössische Zeugnisse werden von den Sängern und den Erlöserschwestern um Generaloberin Monika Edinger (im Bild) eingestreut. Das Bild entstand während einer Mozartfest-Aufführung 2024.
Foto: Dita Vollmond | Lyrik und zeitgenössische Zeugnisse werden von den Sängern und den Erlöserschwestern um Generaloberin Monika Edinger (im Bild) eingestreut. Das Bild entstand während einer Mozartfest-Aufführung 2024.

Es ist die Geschichte von Laura und Hannes in Kriegszeiten. Es geht um Abschied, Sehnsucht, Suche und Verlust. Um Schuld und Vergebung und darum, wie Krieg immer die Leben aller zerstört, die mit ihm in Berührung kommen. Als Hannes aus dem Krieg zurückkehrt, zu einer Laura, die fast die Hoffnung aufgegeben hatte, ist er ein anderer Mann. Überdreht und doch gebrochen, euphorisch und doch abwesend.

Max Koch (Konzept und Regie) und Tamara Yasmin Quick (Konzept und Dramaturgie) haben "Hell ist die Nacht" erdacht und mit Ulrich Cornelius Maier (musikalische Leitung und Klavier) sowie Thorben Schumüller (Bühnen- und Kostümbild) umgesetzt. Die Mezzosopranistin Elisabeth Wrede und der Bariton Uli Bützer spielen das junge Paar mit großer Eindringlichkeit – das Publikum kommt den beiden nicht nur räumlich, sondern auch emotional weit näher als bei jeder Guckkasten-Aufführung.

Zeugnisse, die in ihrer Schlichtheit die ganze brutale Absurdität des Krieges entlarven

Die Säle sind düster, verhangen, neblig. Darin Schutthaufen, umgestürzte Kerzenständer, herrenlose Koffer. Selbst über einer mit milder Patina ausgeleuchteten Blumenwiese hängt die Vorahnung der Zerstörung.

Das Spektrum der Musik reicht von der tapfer gefassten Traurigkeit in Mozarts "Das Traumbild" über das sarkastische "In Flanders Fields" von Charles Ives, erzählt aus der Perspektive eines Gefallenen, bis zu den hypnotischen Streichquartett-Klängen von Gloria Coates, umgesetzt vom Quartett Four4Strings.

Selbst über einer mit milder Patina ausgeleuchteten Blumenwiese hängt die Ahnung künftiger Zerstörung. Im Bild die Mezzosopranistin Elisabeth Wrede, der Bariton Uli Bützer. Am Flügel Ulrich Cornelius Maier. Das Bild entstand während einer Mozartfest-Aufführung 2024.
Foto: Dita Vollmond | Selbst über einer mit milder Patina ausgeleuchteten Blumenwiese hängt die Ahnung künftiger Zerstörung. Im Bild die Mezzosopranistin Elisabeth Wrede, der Bariton Uli Bützer. Am Flügel Ulrich Cornelius Maier.

Die Lyrik wird von den Sängern und den Erlöserschwestern um die Generaloberin eingestreut. Es sind Gedichte von Bert Brecht oder Paul Celan, dessen "Wasser und Feuer" auch der Titel "Hell ist die Nacht" entlehnt ist. Und von Schwester Maria Anselma Graf (1936-2016), deren "Bruder Tod" mit den stärksten Eindruck hinterlässt.

Und dann sind da noch die Zeitzeugenberichte: Menschen, die die Bombennacht erlitten und überlebt haben, den Untergang ihrer Heimat, den Verlust ihrer Liebsten. Zeugnisse, die in ihrer Schlichtheit die ganze brutale Absurdität des Krieges entlarven.

Beim kommenden Mozartfest wird es am 8. und 9. Juni noch einmal vier Vorstellungen geben - Restkarten: www.mozartfest.de

 
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