
Ungewöhnliche Konzert- oder Theaterformate haben zwar den Reiz des Neuen, mitunter aber den Nachteil, dass das Wesentliche in den Hintergrund tritt: die Musik oder eben das Stück. Zu viele Lichteffekte, zu viel Bewegung, zu viel Ablenkung. Das ist bei "Hell ist die Nacht" nicht so.
Die "musiktheatrale Installation" des Mozartfests 2024 im Mutterhaus der Schwestern des Erlösers in Würzburg zeigte in vier Vorstellungen, wie sich Musik aus drei Jahrhunderten, Lyrik und Zeitzeugenberichte zu einer zutiefst bewegenden Inszenierung verschmelzen lassen.
Die maximal 75 Besucherinnen und Besucher pro Vorstellung betraten beim Rundgang Säle mit niedrigen Gewölben auf gedrungenen Säulen, meisterten steile, enge Treppen, durchstreiften staubige unterirdische Gänge. Und harrten im Luftschutzkeller aus, in dem 500 Menschen – 300 Klosterschwestern und 200 Soldaten - den 16. März 1945 überlebten, als englische Bomber 360.000 Stabbrandbomben über einer Stadt abwarfen, die sich angesichts fehlender Rüstungsbetriebe einigermaßen sicher vor Bombardierungen gewähnt hatte.

Erzählt wird die Geschichte des fiktiven Paares Laura und Hannes in Kriegs- und Nachkriegszeiten. Es geht um Abschied, um Sehnsucht, Suche und Verlust. Und darum, wie der Krieg immer die Leben aller zerstört, die mit ihm in Berührung kommen.
Als Hannes aus dem Krieg zurückkehrt, zu einer Laura, die inmitten der Trümmer schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, ist er ein anderer Mann. Gezeichnet, hart, gebrochen.
Selbst über einer mild ausgeleuchteten Blumenwiese hängt die Ahnung künftiger Zerstörung
Die ehemaligen Stipendiaten des Mozartlabors Max Koch (Konzept und Regie) und Tamara Yasmin Quick (Konzept und Dramaturgie) haben "Hell ist die Nacht" erdacht und mit Ulrich Cornelius Maier (musikalische Leitung und Klavier) sowie Thorben Schumüller (Bühnen- und Kostümbild) umgesetzt. Die Mezzosopranistin Elisabeth Wrede und der Bariton Uli Bützer singen und spielen das junge Paar mit großer Eindringlichkeit – das Publikum kommt den beiden nicht nur räumlich, sondern auch emotional weit näher als bei jeder Guckkasten-Aufführung.

Die Säle sind düster, verhangen, neblig. Darin Kohlen- und Aschehaufen, umgestürzte Kerzenständer, herrenlose Koffer. Selbst über einer mit milder Patina ausgeleuchteten Blumenwiese hängt die Ahnung künftiger Zerstörung. Das vielleicht stärkste Bild: Als Hannes Laura einen Antrag macht, ist im Etui kein Ring, sondern nur Asche.
Zeitzeugen entlarven ohne jedes Selbstmitleid die ganze brutale Absurdität des Krieges
Das Spektrum der Musik reicht von der herzzerreißenden, weil tapfer gefassten Traurigkeit in Mozarts "Das Traumbild" über das sarkastische "In Flanders Fields" von Charles Ives, erzählt aus der Perspektive eines Gefallenen, bis hin zu den mal schneidenden, mal sperrigen, immer hypnotisch intensiven Streichquartett-Klängen von Gloria Coates, hochkompetent umgesetzt vom Quartett Four4Strings.

Die Lyrik wird im Wechsel von den Sängern und den Erlöserschwestern um Generaloberin Monika Edinger, Theotraut Hack, Pietra Hofmann und Walburga Hötzelein eingestreut. Es sind Gedichte von Bert Brecht oder Paul Celan, dessen "Wasser und Feuer" auch der Titel "Hell ist die Nacht" entlehnt ist. Und von Schwester Maria Anselma Graf (1936-2016), deren "Bruder Tod" in seiner Kürze und Symbolkraft mit den stärksten Eindruck hinterlässt.
Und dann sind da noch die Tagebucheinträge und Zeitzeugenberichte: Menschen, die die Bombennacht erlitten und überlebt haben, den Untergang ihrer Heimat, den Verlust ihrer Liebsten. Zeugnisse, die in ihrer Schlichtheit ohne jedes Selbstmitleid die ganze brutale Absurdität des Krieges entlarven.
Vor diesem Hintergrund ist es kaum zu fassen, dass heute wieder Menschen in Europa in Luftschutzbunkern um ihr Leben bangen müssen. Nicht nur deshalb wäre es wünschenswert, "Hell ist die Nacht" beim Mozartfest 2025 zu wiederholen – dem Jahr, in dem sich die Bombennacht in Würzburg zum 80. Mal jährt.