
Trotz des lauen Sommerabends haben 7,33 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer am Sonntagabend den "Tatort" Franken "Hochamt für Toni" eingeschaltet. Das sind zwar weniger als 2022, als 9,36 Millionen beim "Tatort" Franken mit dem Titel "Warum" dabei waren. Dies aber liegt vor allem an den sommerlichen Temperaturen. Denn der Marktanteil ist mit 29,1 Prozent ähnlich hoch wie im Vorjahr (29,7 Prozent). Es wurde am Sonntag also generell weniger Fernsehen geschaut. Bei den 14- bis 49-Jährigen entschieden sich 1,21 Millionen (24,0 Prozent) für den "Tatort".
Vorhang zu, doch alle Fragen offen
Von diesen Zuschauern aber dürften sich am Ende viele mit Bertolt Brecht gefragt haben: "Der Vorhang zu und alle Fragen offen." Dies dominiert zumindest die Reaktionen in den Sozialen Medien: "Die Story habe ich auch nicht ganz verstanden", heißt es da immer wieder, "ich habe es nicht verstanden" oder "super Tatort habe aber auch nicht verstanden, warum die Prostituierte ermordet wurde". Ansonsten wechseln sich Meinungen wie "Was für ein brillanter Tatort" oder "der Höhepunkt des Tatort-Jahres" mit Äußerungen wie "Schlimm, schlimmer, heutiger Tatort" oder "die Schauspieler hätten ein besseres Drehbuch verdient gehabt" ab. Insgesamt aber überwiegen positive Kritiken, immer wieder mit dem Verweis auf logische Fehler.
Und die gibt es in der Tat. Vor allem nach dem dramatischen Endspurt, in dem das vermeintlich zweite Opfer, die diesem "Tatort" den Namen gebende totgeglaubte Antonia (genannt Toni) als Mitwisserin (oder Mittäterin?) wieder auftaucht. Sie nutzte den Mord ihres Bruders an einer Prostituierten, sich endgültig ihrer schrecklichen Familie zu entziehen und jenseits des Atlantiks eine neue Existenz aufzubauen.
Vor diesem Familien-Melodram gerät der eigentliche Mordfall an Pfarrer Marcus Borchert, der zu viel über Tonis Verschwinden wusste, völlig in den Hintergrund. Wobei dieses Drama dann doch ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Wo lässt sich eine Familie im 21. Jahrhundert derart extrem von einem derart fiesen Patriarchen einschüchtern? Und warum flieht gerade Toni, die doch gerade dabei war, ihrem Vater erfolgreich Paroli zu bieten?
Logische Fehler in der Abfolge der Ereignisse
Und dann wäre da noch die Hütte, in der angeblich Toni, in Wahrheit aber eine Prostituierte verbrannte. Die Tatsache, dass sie auf mittelfränkischem Terrain liegt, gibt dem Team um Kommissar Felix Voss überhaupt erst das Recht, offiziell zu ermitteln. Denn der Mord an Pfarrer Borchert geschah in der Oberpfalz. Warum aber mokiert sich Voss, dass nach dem Brand vor knapp zwei Jahren, dem vermeintlichen Selbstmord von Toni, überhaupt nicht ordentlich ermittelt wurde? Warum gehörte der Fall nicht schon damals den Franken-Ermittlern?
Und auch rund um den Mord an dem Pfarrer bleiben viele Fragen offen. Dennoch zeichnet den 9. "Tatort" Franken eine gelungene Mischung aus hintergründigem Melodram, Aktionszenen und Spannung aus. Mit einem völlig unverhofften Ende. Zumindest für Kommissar Felix Voss, dessen große Jugendliebe Toni war – ein Ende fast im Dürrenmattschen Sinn der "schlimmstmöglichen Wende". Auch dieser "Tatort" Franken war wieder einmal mehr als ein bloßer Krimi und macht Lust auf mehr. Schade eigentlich, dass der "Tatort" nur einmal im Jahr aus dem Frankenland kommt.