Herzschrittmacher senden Daten an die Praxis, der Computer misst den Blutdruck und schickt ihn an den Arzt, Mediziner tauschen sich über Befunde aus. Die Telemedizin erspart Patienten lange Wege und nutzt kostbare Zeit in Notfällen. Beispielsweise kommt sie an der Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Notaufnahme zum Einsatz. Die medizinischen Daten des Patienten werden mit einem Tablet PC an die Notaufnahme geschickt. Das erleichtert es den Ärzten sich auf den Patienten vorzubereiten.
Die Telemedizin ist ein Teilbereich der Telematik im Gesundheitswesen. Trotz räumlicher oder zeitlicher Distanz zwischen dem Arzt und dem Patienten können Diagnostik, Therapie, Rehabilitation und Notfalldienste angeboten werden. Möglich machen das audiovisuelle Kommunikationsdienste. Sie überbrücken die Distanz. Damit hat die Telemedizin besonders im ländlichen Raum Potential Bestandteil der medizinischen Versorgung zu werden. Vor allem chronisch Kranke würden sich so lange Wege zum Arzt sparen und könnten ein weitestgehend normales Leben führen.
Videokonferenzsysteme können kostbare Zeit sparen
Für die nahe Zukunft kann sich Kai Schwedhelm vorstellen, dass ein Videokonferenzsystem flächendeckend zum Einsatz kommt. Schwedhelm leitet beim Zentrum für Telematik in Würzburg den Arbeitskreis „Electronic Health“. Zusammen mit der Uniklinik Würzburg hat das Zentrum für Telematik ein Tele-Intensivmedizin-Projekt ins Leben gerufen. Das Konferenzsystem wird nicht nur für die Erstversorgung in Würzburg genutzt, sondern auch um kleinere Kliniken im Umkreis zu beraten.
Zum Beispiel kann sich die Uniklinik von einem Patienten, der einen Motorradunfall im Landkreis Main-Spessart hatte, mit dem Videokonferenzsystem ein Bild machen. Ohne das System musste der Patient vorher eingeflogen werden. Ein weiterer Vorteil: Das Videokonferenzsystem funktioniert mit dem Smartphone. „Dadurch könnte in den nächsten ein bis drei Jahren die Vermittlung verbessert werden“, sagt Schwedhelm.
Für die weitere Zukunft vermutet er, dass neben der Vermittlung auch die Interpretation von technischen Systemen weiterentwickelt wird. Ein erster Ansatz sei das IBM Watson System. Das Computerprogramm gibt Antworten auf Fragen, die digital eingegeben werden.
„Jeden Tag wird mehr medizinisches Wissen generiert, als sich ein Arzt merken könnte“, weiß Schwedhelm. Unter anderem gibt es in der Krebstherapie je nach Krebsform unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten. „Eine Maschine könnte so die besten drei Therapien für den Patienten analysieren.“ Wegen des Datenschutzes ist es jedoch mehr ein politisches als ein technisches Problem. In den USA ist man in der Hinsicht schon weiter, da es dort weniger regulatorische Maßnahmen gibt. „Der Patient darf nicht identifizierbar sein, aber aus den anonymisierten Daten muss man noch Wissen herausziehen können“, erläutert Kai Schwedhelm das Problem.
Telemedizin als Baustein der Medizinzukunft
Schon jetzt weiß man viel über seine Gesundheit und seinen Körper. Mit verschiedenen Geräten wie Wearables kann man den Schlafrhythmus, gegangene Schritte, gegessene Kalorien aufzeichnen. Doch momentan sammeln wir nur Daten, wir können sie allerdings noch nicht beherrschen. Kann es also sein, dass man in 20 Jahren vielleicht gar nicht mehr zum Arzt muss?
Das sieht Schwedhelm nicht kommen: „Ich weiß nicht, ob man tatsächlich auf den Arzt verzichten möchte.“ Aber er könne sich vorstellen, dass man beispielsweise bei einer Erkältung nicht mehr in die Praxis gehen muss. So könnten sich Ärzte mehr auf schwierige und komplizierte Fälle konzentrieren. Doch noch stehen der Telemedizin wegen des Fernbehandlungsverbots in Deutschland nicht alle Türen offen. Telemedizin könnte also ein fester Bestandteil der Medizin, werden aber nur ergänzend zum Arzt-Patient-Verhältnis.
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