Nach dem Axt-Anschlag von Würzburg hatten bayerische Sicherheitskräfte mit weiteren Vorfällen gerechnet. Nun erntet die Polizei für den Einsatz in München viel Lob für die Besonnenheit, mit der sie in der Krise reagierte. „Das war es noch nicht“, unkte zwei Tage nach dem Amoklauf von Würzburg am Mittwoch ein hoher Polizeiführer aus Unterfranken. Der Beamte mit über 30 Jahren Erfahrung hatte die richtige Nase. Am Freitagabend sorgte der Vorfall im Olympia-Einkaufszentrum in München für den größten Polizeieinsatz in Deutschland seit den Tagen der Roten Armee-Fraktion.
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„Die Münchner Polizei war offensichtlich gut vorbereitet, auch was die Kommunikation betrifft,“ urteilte der Sicherheitsexperte Malte Roschinksy am Morgen danach. Verblüffend war wirklich das Tempo, mit dem die Polizei eine kleine Armee von 2300 Beamten binnen kurzer Zeit in den Einsatz brachte: Die Antiterroreinheit GSG 9 wurde ein geflogen, Spezialeinheiten aus Baden-Württemberg und Hessen und sogar das Nachbarland Österreich stellte seine Antiterror-Einheit „Cobra“ zur Verfügung. Aus Würzburg war eine Einheit der Bereitschaftspolizei nach München beordert, die eigentlich in Ingolstadt eingesetzt werden sollte.
Mustergültig war aber vor allem das Kommunikationsverhalten, mit dem die Polizei die Initiative ergriff und die verunsicherte Bevölkerung beruhigte. Als Musterbeispiel darf da der Einsatz des Münchner Polizeisprechers Marcus de Gloria Martins gelten – nicht, weil er in der verworrenen Situation viel mehr gewusst hatte als andere. Aber die Sachlichkeit, mit der er gegenüber noch so aufgeregten Journalisten reagierte, vermittelten den Eindruck von Ruhe und Souveränität. Das trug wesentlich zur Beruhigung der Lage bei.
Ganz unaufgeregrt, als mache er das jeden Tag beantwortet der 43-Jährige die vielen Fragen, auch dann noch, wenn sie sich ständig wiederholen. Er, reagiert selbst dann souverän, als ihn einer der Reporter darauf aufmerksam macht, dass die Zahl der Toten inzwischen gestiegen sei. "Ja, mein Kollege nickt eifrig", bestätigt Martins und weist auf die aktuelle Ausnahmesituation hin. Und darauf, dass die "sehr gute" Polizei in München ihre Arbeit mache.
Er traut sich auch, auf die Frage eines Journalisten zu antworten: "Das kann ich ihnen nicht sagen, weil da müsste ich raten. Und das wäre hochgradig unseriös." Das beeindruckt nicht n ur Fernsehzuschauer und Presse: „Gut dass es in einer so schrecklichen Nacht Polizeisprecher wie Marcus da Gloria Martins gibt“, twittert SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann als einer von vielen.
Was der Polizei zugute kam: In Münchner kommuniziert die Polizei bereits selbst über Facebook und Twitter – in Unterfranken läuft dieses Projekt gerade an. Im vorliegenden Fall ermöglichte das der Polizei, den Gerüchten über weitere Vorfälle am Stacchus und Hauptbahnhof schnell die Spitze zu nehmen, die mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die sozialen Netzwerke tobten und die Bevölkerung beunruhigten.
Damit gewann die Polizei das Heft des Handelns zurück und beruhigte die Situation. Schon kurz nachdem um 17.52 Uhr die ersten Meldungen über Schüsse an einem Münchner Einkaufszentrum eingegangen waren, begann die Münchner Polizei auf Twitter und Facebook zu informieren. Zunächst auf Deutsch, später auch auf Englisch, Französisch und Türkisch. Was auch zur Beruhigung beitrug: Die Polizei twitterte den Safety Check von Facebook, über den Nutzer angeben können, dass sie sich in Sicherheit befinden – ein Segen für ängstliche Freunde und Verwandte, die Angehörige am Olympia-Einkaufszentrum vermuteten.
Immer wieder mahnte die Polizei, keine Gerüchte oder Falschmeldungen zu verbreiten – und den oder die Täter (so genau wusste man es zu dem Zeitpunkt noch nicht) nicht über laufende Polizeieinsätze zu warnen, indem man Video davon einstellte. Damit hatte die Pariser Polizei üble Erfahrungen gemacht, als sie sich auf die Erstürmung einer Wohnung vorbereitete und dabei live im Internet zu sehen war.
Die Münchner Beamten machten vor, wie es richtig geht: Ihre Updates waren ruhig, sachlich, Unbestätigtes wurde auch als solches benannt – ohne falsche Sicherheit vorzutäuschen. Weil zunächst unklar war, ob möglicherweise mehrere bewaffnete Täter auf der Flucht waren, gab die Polizei umfassende Warnungen heraus: Öffentliche Plätze meiden, möglichst in geschlossenen Gebäuden bleiben. Der öffentliche Nahverkehr wurde auf Wunsch der Polizei ebenfalls eingestellt.
Der unaufgeregte, sachliche Stil der Polizei München an diesem schweren Tag trotz der unübersichtlichen Lage nötigte Polizeikollegen, Bürgern und Politikern großen Respekt ab. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) betonte in den ARD-„Tagesthemen“: „Die bayerische Polizei hat sehr umsichtig und besonnen reagiert. Das zeigt, dass unsere Sicherheitsbehörden hervorragende Arbeit verrichten mit hohem Einsatz und persönlichem Risiko.“ „Die beste journalistische Arbeit lieferte bisher der sachliche, unaufgeregte Pressesprecher der Polizei München“, twitterte ein Journalist. Mittlerweile hat Sprecher Marcus da Gloria Martins sogar eine eigene Fanseite auf Facebook. Schon in den ersten Stunden bekam die Seite mehr als 700 Likes.
Der Grosseinsatz der Polizei mit Unterstützung aus dem benachbarten Baden Württemberg, aus Hessen uns aus Österreich hat hervorragend geklappt. Mein Sicherheitsgefühl auf jeden Fall ist jetzt höher als zuvor. Auch wenn der Anlass traurig war und alle Opfer und Angehörigen unser Mitgefühl verdienen, es hat doch auch gezeigt, was unsere Polizei zu leisten im Stande ist. Darauf dürfen wir auch ein bisschen stolz sein und unseren Polizisten gelegentlich etwas mehr Achtung entgegenbringen.
WIR können höchstens dankbar sein!!!