Wie schwer kann es für fränkische Fahnder sein, den mutmaßlichen Mörder der 16-jährigen Mezgin zu schnappen? Unter Verdacht steht Hashem N., der Vater des syrischen Flüchtlingsmädchens. Nach einem Mordversuch am Freund seiner Tochter vor 18 Monaten in Aschaffenburg ist der 44-Jährige auf der Flucht. Die Polizei sucht ihn mit internationalem Haftbefehl – unter Hochdruck, wie es heißt.
"Warum sollte ich mich stellen?"
Doch nun telefonierten Reporter der "Bild" ganz einfach mit dem Mann in seinem Versteck in der Türkei. So, als sei er nebenan. "Ich habe den Behörden schon gesagt, dass ich mit dem Mord an meiner Tochter nichts zu tun habe", behauptete er. "Warum sollte ich mich stellen?" In dem Gespräch kündigte er aber auch an: "Ich plane, nach Deutschland zu kommen, um alles zu klären."
Der Kontakt über eine Telefonnummer in der Türkei bestätigt frühere Informationen aus Ermittlerkreisen, die ihn dort vermuteten. Er lebe in einem Stadtteil von Istanbul, in dem viele seiner aus Syrien geflohenen Landsleute eine Zuflucht gefunden haben, sagte er laut "Bild" am Telefon.
Anfang Mai 2017 vermisst gemeldet
Offenbar kam der 44-Jährige nur schwer damit zurecht, dass sich die 16-jährige Mezgin nach der Flucht von Aleppo nach Aschaffenburg rasch den hiesigen Lebensgewohnheiten junger Mädchen anpasste. "Sie sprach Deutsch, tanzte gerne", erzählte ihre Mutter Hevin.
Anfang Mai 2017 kam Mezgin nicht von der Schule nach Hause. Verwandte meldeten sie vermisst. Mehrere Suchaktionen – sogar mit Tauchern im Main – führten zu nichts.
Dann sollte sich Mezgins Vater wegen der Handgreiflichkeiten gegen seine Tochter vor dem Amtsgericht verantworten. Mit der Geste des Hals-Durchschneidens hatte Hashem N. seiner Tochter gedroht, wenn sie vor Gericht auspacke. Als der Prozess begann, lag das 16-jährige Mädchen bereits tot im Wald, nicht weit von ihrem Wohnort in Goldbach (Lkr. Aschaffenburg).
Skelett im Wald gefunden
Die Polizei suchte intensiv nach der Vermissten. Doch es sollten 19 Monate vergehen, ehe Spaziergänger ihre sterblichen Überreste im Wald entdeckten.
Einen Monat nach ihrem Verschwinden hatte sich Mezgins Vater mitten in der Nacht heimlich mit dem 23-jährigem Freund seiner Tochter in Aschaffenburg getroffen. Dabei soll er – so die Erkenntnis der Kripo – den 23-jährigen Landsmann Shekho R. niedergestochen haben . Dann tauchte er unter und ist seitdem auf der Flucht.
Ex-Gattin gab Reportern die Telefonnummer
Seine Ex-Frau Hevin hat ein Video, das er ihr geschickt haben soll. Es zeigt ihn tanzend bei einer Feier – angeblich in der Türkei. Von der geschiedenen Gattin hat das "Bild"-Team nach eigenen Angaben auch seine Telefonnummer. Die Mutter macht den unterfränkischen Behörden heftige Vorwürfe: "Ich habe den deutschen Behörden genau mitgeteilt, wo mein Mann ist. Auch, als er zwischenzeitlich bei seiner Schwester in Istanbul wohnte, habe ich die Ermittler informiert." Trotzdem sei Hashem noch frei. "Sie halten ihn für den Mörder und können ihn trotz aller Informationen nicht finden. Das kann doch nicht sein."
Natürlich können deutsche Ermittler in einem anderen Land nicht einfach jemanden festnehmen. Schon gar nicht in der Türkei, die zu Deutschland gerade ein kompliziertes Verhältnis pflegt. Dabei ist ein Rechtsstaat bei einem internationalen Haftbefehl aber zur Unterstützung angehalten.
Ermittler geben sich zurückhaltend
Polizeisprecher Michael Zimmer und Axel Weihprecht, Leiter der Staatsanwaltschaft, erklärten auf Anfrage dieser Redaktion: "Die umfangreichen nationalen und internationalen Ermittlungen sowie Fahndungsmaßnahmen nach dem flüchtigen Tatverdächtigen dauern an." Die Ermittler "prüfen dabei auch intensiv vorliegende Hinweise und gehen diesen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nach". Zimmer betont: "Nähere Angaben können wir auch aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit nicht machen."
Dass der unter Mordverdacht stehende Vater freiwillig nach Deutschland kommt, glaubt seine Ex-Frau nicht: "Er will zurück nach Syrien", meint Hevin. Auch ein langjähriger Mordermittler sagt: "Dass der freiwillig nach Deutschland zurückkommt, ist äußerst unwahrscheinlich."