Die Verwandtenaffäre in Bayerns Staatsregierung und Landtag schlägt immer höhere Wellen. Der Landtag veröffentlichte am Freitag die Namen von 79 Abgeordneten, die seit dem Jahr 2000 Ehepartner, Kinder oder Eltern als Bürohilfen engagiert hatten. Darunter sind zwei weitere ehemalige CSU-Kabinettsmitglieder: der frühere Staatskanzleichef Siegfried Schneider und der langjährige Innenstaatssekretär Hermann Regensburger.
Somit steht fest, dass insgesamt acht amtierende und ehemalige CSU-Minister und Staatssekretäre seit 2000 auf Familienhilfe zurückgegriffen haben. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude sprach von einer „schweren Regierungskrise“ und „Parlamentskrise“ in Bayern. Doch hatten auch 21 Sozialdemokraten im vergangenen Jahrzehnt Familienmitglieder ersten Grades angeheuert, darunter die frühere SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt.
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Ude verlangte den Amtsverzicht von Kultusminister Ludwig Spaenle, Agrarminister Helmut Brunner, Kultusstaatssekretär Bernd Sibler, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Finanzstaatssekretär Franz Pschierer. „Es ist ein Skandal, wenn buchstäblich eine Handvoll Kabinettsmitglieder den Staat als Beute betrachtet.“
CSU-Chef Horst Seehofer betonte auf dem CSU-Parteikonvent am Abend in München: „Ich sichere der Bevölkerung zu: Wir machen konsequent reinen Tisch.“ Wer konsequent aufkläre, brauche sich „auch keine Diffamierungen von der SPD gefallen lassen, die selbst auch betroffen ist“, schimpfte Seehofer. „Schlittenfahren lassen wir mit uns nicht, da sind wir zu stolz“, sagte er mit Blick auf die harsche Kritik von SPD-Spitzenkandidat Christian Ude.
Innenminister Joachim Herrmann nahm seinen Staatssekretär Eck in Schutz: „Diese Rücktrittsforderung ist völlig absurd.“ Eck habe nichts Verbotenes getan, sondern sich nach den Regeln verhalten, die der Landtag mit der Zustimmung der SPD und der Grünen beschlossen habe, betonte der Innenminister.
Kultusminister Spaenle will rund 34 000 Euro zurückzahlen, mit denen er seine Frau seit dem Jahr 2008 als Abgeordneten-Mitarbeiterin bezahlt hatte. Das kündigte Spaenle am Freitagabend an.
Als sechstes Kabinettsmitglied hatte auch Justizministerin Beate Merk zwischen 2010 und 2013 phasenweise ihre Schwester beschäftigt. Ude nahm Merk aber von seinen Rücktrittsforderungen aus, weil die Beschäftigung von Geschwistern nach bayerischem Abgeordnetenrecht erlaubt ist. Die fünf von Ude zum Rücktritt aufgeforderten Minister und Staatssekretäre hatten ihren Frauen im Schnitt Beträge zwischen 500 und knapp 1000 Euro netto pro Monat für Teilzeitarbeit gezahlt. Spaenle hatte seine Frau mit gut 2000 Euro netto entlohnt.
Auch SPD-intern war leichtes Knirschen spürbar: Ude forderte die Landtags-SPD auf, auch die Höhe der Bezüge zu veröffentlichen. Fraktionschef Rinderspacher sagte, das müssten die Betroffenen selbst tun.
Unterdessen hat Bundestagspräsident Norbert Lammert der CSU-Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) versichert, dass die Beschäftigung ihres späteren Ehemanns Oliver Bär als Mitarbeiter im Einklang mit dem Abgeordnetengesetz stand. Wie berichtet, hatte die stellvertretende Generalsekretärin der CSU bestätigt, zwischen 2002 und 2006 insgesamt 30 Monate Bär angestellt und diesem 39 000 Euro aus Steuermitteln gezahlt zu haben. Kurz vor der Hochzeit im Februar 2006 hatte sie ihm gekündigt. Das Gesetz verbietet die Beschäftigung von Ehepartnern, eingetragenen Lebenspartnern, Verwandten und Verschwägerten.