Das Bayernzimmer im Münchner Maximilianeum ist ein gediegener, mit Holz getäfelter Raum übersichtlicher Größe. Edmund Stoiber versuchte dort einst zu erklären, warum es für ihn egal ist, wer unter ihm Bundeskanzler ist. Und auch ein paar Schmutzeleien wurden hinter der doppelten Holztür schon eingefädelt.
Am Donnerstagabend hat nun Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) in den Raum geladen. Um zu erklären, was nur schwer zu erklären ist: Warum insgesamt 79 Parlamentarier seit dem Jahr 2000 eine „Altfallregelung“ genutzt und engste Familienmitglieder beschäftigt haben.
- Listen aktueller und ehemaliger Landtagsabgeordnete, die Verwandte angestellt haben
- Ude fordert von CSU fünf Rücktritte
Vom „Freibier-Parlament“ ist jenseits Bayerns schon die Rede – was die Landtagspräsidentin offensichtlich auch ganz persönlich schmerzt. Seit ihrem Amtsantritt 2008 kämpft Stamm nämlich für eine gute finanzielle und personelle Ausstattung des Landtags. Nicht aus Eigennutz, sondern aus der Überzeugung, dass gute Politik nur möglich ist, wenn Regierung und Ministerialbürokratie von einem selbstbewussten Landtag gefordert werden.
Doch im Lichte der aktuellen Ereignisse zählen solche Argumente nicht mehr viel. Fast jeden Tag tauchen neue Namen von Politikern auf, die ebenfalls auf „Familienhilfe“ bauten – die meisten, aber längst nicht alle, von der CSU. Sechs CSU-Regierungsmitglieder sind inzwischen darunter, was fünf Monate vor der Landtagswahl gewaltigen politischen Sprengstoff birgt.
Doch auch das Ansehen des Landtags liegt am Boden: „Ich bin mir bewusst, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen“, sagt Stamm, die längst selbst im Kreuzfeuer der Kritik steht – auch in den eigenen Reihen. Kämpferisch soll es klingen. Es klingt aber irgendwie auch resigniert. Genau wie ihre Bitte, die längst unübersichtliche Zahl der öffentlich diskutierten Fälle doch möglichst „differenziert“ zu betrachten.
In der Tat gibt es große Unterschiede der im Landtag praktizierten „Familienhilfe“: Sofern ein erster Überblick nicht täuscht, wurden in den meisten Fällen eher übersichtliche Summen für tatsächlich auch geleistete Bürohilfe gezahlt. Die üppig dotierte Firmenkonstruktion im Hause des Ex-CSU-Fraktionschefs Georg Schmid oder die staatlich finanzierte Kinderarbeit beim Ex-CSU-Haushaltsexperten Georg Winter bestimmen zwar die Hitze der Debatte. Die Regel waren solche Tricksereien aber wohl nicht.
Auch die in den letzten Tagen in den Fokus gerückte Beschäftigung von Geschwistern, Schwager, Nichten oder sonstigen Anverwandten nimmt sich bei nüchterner Betrachtung meist harmlos aus: Justizministerin Beate Merk (CSU) etwa beschäftigte ihre Schwester offenbar als Schwangerschaftsvertretung. Ein Mitarbeiter von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger heiratete dessen Schwester. Der Grüne Thomas Gehring zahlte seinem Bruder rund 160 Euro pro Monat für Einrichtung und Pflege seiner Internet-Homepage.
Neun Fälle sind hier bisher öffentlich bekannt: drei bei der CSU, drei bei der SPD, zwei Freie Wähler und ein Grüner. Während bei Kindern oder Ehegatten nur die zeitlich flexibel ausgelegte Übergangsregel galt, stand die Beschäftigung sonstiger Verwandter bisher allen Abgeordneten offen. Offizielle Zahlen haben weder der Landtag noch die Fraktionen – weil das Arbeitsverhältnis bisher zwar vom Staat bezahlt, aber vom Abgeordneten direkt mit seinem Mitarbeiter abgeschlossen wird.
Möglichst alle Fakten sollen nun auf den Tisch. Doch nicht nur Stamm tut sich mangels wasserdichter Informationen schwer damit: „Kommt ein falscher Name in die Zeitung, holt mich die Katz“, stöhnt sie – will sich aber trotzdem lieber verklagen lassen als zu schweigen.
Auch die Sozialdemokraten kämpfen mit ihrer Offenheit: 21 SPD-Abgeordnete haben nach einer vom Landtag veröffentlichten Liste zwischen 2000 und 2008 Ehepartner oder Kinder beschäftigt. Nicht jeder davon will offenbar die dabei gezahlten Summen nennen. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude mag das gar nicht akzeptieren: „Man kann sich nicht über Beträge bei Georg Schmid ereifern, um dann selbst keine Beträge zu nennen“, schreibt er seinen Genossen ins Stammbuch.
Sonst teilt Ude vor allem gegen die CSU kräftig aus: 13 Jahre lang hätten die CSU-Altfälle „gegen einen Parlamentsbeschluss verstoßen, der saubere Verhältnisse schaffen sollte“, schimpft er. Dass das Ende 2000 von CSU, SPD und Grünen einstimmig verabschiedete Verbot der Neubeschäftigung von Ehepartnern eine unbefristete Altfall-Regelung vorsah, sagt Ude nicht. Und dafür, dass auch die SPD 2004 und 2009 die Regelung trotz Vorlage in den zuständigen Landtagsgremien nicht kippte, falle „eine Entschuldigung schwer“, räumt Ude ein.
Jenseits des Wahlkampfgetöses zeigt sich auch der SPD-Spitzenmann nachdenklich: Auch die Opposition im Landtag müsse „reinen Tisch machen“, findet er. Und nein: Von Freude über die Affäre könne keine Rede sein: „Es zementiert Vorurteile gegen Bayern und es mobilisiert Vorurteile gegen die Politik.“
Unterfranken auf der Liste
Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat am Freitag die Namen der 79 Abgeordneten veröffentlicht, die nach dem Jahr 2000 Ehepartner, Eltern oder Kinder als Mitarbeiter beschäftigt hatten. Stamm betonte noch einmal, dass die Altfallregelung geltendes Recht sei. Heute sei eine solche Übergangsregelung aber nicht mehr vermittelbar. Auf der am Freitag veröffentlichten Liste finden sich die im Folgenden aufgeführten unterfränkischen Landtagsabgeordneten.
Im Laufe bzw. bis zum Ende der Wahlperiode von 1998 bis 2003 haben folgende unterfränkische Abgeordnete die Altverträge beendet:
Franz Brosch (CSU, Iphofen)
Ludwig Ritter (CSU, Mömlingen)
Gerhard Hartmann (SPD, Reichenberg)
Heinz Mehrlich (SPD, Partenstein)
Volker Hartenstein (Grüne bzw. Fraktionslos, Ochsenfurt)
Im Laufe bzw. zum Ende der Wahlperiode von 2003 bis 2008 haben folgende unterfränkische Abgeordnete die Altverträge beendet:
Manfred Ach (CSU, Margetshöchheim)
Henning Kaul (CSU, Alzenau)
Hans Gerhard Stockinger (CSU, Schweinfurt)
Rainer Boutter (SPD, Würzburg)
Heinz Kaiser (SPD, Erlenbach)
Bayern ist die Ausnahme: Im Bundestag und in den Landtagen anderer Bundesländer ist es den Abgeordneten verboten, Familienangehörige oder Lebenspartner auf Staatskosten zu beschäftigten. Dies ergab am Freitag eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa. In den befragten Landtagen ist kein Fall einer Vetternwirtschaft wie in Bayern bekannt.
Für den Bundestag ist die einschlägige Regelung in Paragraf 12 Absatz 3 des Abgeordnetengesetzes festgelegt. Dort heißt es: „Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages.“
In manchen Landtagen wie in Nordrhein-Westfalen wird in einem „Überkreuzverbot“ sogar ausgeschlossen, dass Ehepartner anderer Landtagsabgeordneter aus öffentlichen Geldern bezahlt werden. Meistens aber legen die Gesetze fest, dass die Beschäftigung eigener Kinder oder anderer Verwandter ersten, zweiten und in einigen Fällen auch dritten Grades untersagt ist. Text: MP/dpa
Daher fordere ich, keinen Ablasshandel für Kabinettsmitglieder zuzulassen. Es bleibt nur eine richtige Reaktion: Rücktritt von allen Ämtern.
Ja, ich weiß Johannes Eck war anderer Meinung - und Gerhard Eck ist es wohl auch!
Ihre Partei war doch auch nicht besser, auch wenn die Verträge Ihrer Partei-Mitglieder bereits 2009 zu Ende waren. Auch Ihre Partei und deren Mitglieder haben davon profitiert!! Von daher: es ist nicht an Ihnen, hier so zu schäumen und so herumzuwettern!! Ihre Partei sollte besser ebenfalls reinen Tisch machen!! Schämen Sie sich was, Herr Ude!
Auch Ihre Partei hat Steuergelder zweckentfremdet! Sowas geht einfach gar nicht (siehe dazu mein voriges Posting)!!
Welche Kosten sind nun korrekt und vom Steuerzahler zu übernehmen:
1. Mietkosten für Wahlkreisbüros
2. Büroausstattung (Schreibtisch, sonstige Möbel, EDV-Anlage, Telefon, Fax, Internet-Anschluss, Büro-Zubehör wie etwa Druckerpapier, Druckerpatronen, Tacker, Fax-Papier, etc)
3. Strom/Heizung/Beleuchtung für dieses Büro
4. Telekommunikationskosten (Internet, Fax, Telefonanlage)
5. Kaffeemaschine
6. evtl. Security
Was ist dagegen nicht in Ordnung und sollte von denen selbst bezahlt werden:
1. Mitarbeitergehälter für dieses Büro
2. sonstige Luxus-Ausrüstung für das Büro (teure Bilder, teurer TV-Screen an der Wand, teure Ledersitzgarnituren, sonstige Luxus-Ausstattung)
3. Reise-/Hotelkosten/Bahnfahrkarten/Flugtickets)
4. Dienstwagen (Benzin, etc)