Wer schön ist, hat es einfacher im Leben – das gilt offenbar auch in der Politik. Gut aussehende Politiker haben einer Studie zufolge mehr Erfolg bei Wahlen. Ein Vergleich von insgesamt 1786 weiblichen und männlichen Direkt- und Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl 2017 zeigt demnach: Im Extremfall kann ein sehr attraktiver Kandidat fünf Prozentpunkte mehr bei den Erststimmen gewinnen und seiner Partei bei den Zweitstimmen bis zu drei Punkte mehr verschaffen. Das teilte der Düsseldorfer Soziologieprofessor Ulrich Rosar am Mittwoch mit. Er misst seit 2002 die Attraktivitätswerte von Bundestagskandidaten.
Weitere Ergebnisse: Im Vergleich zu den Wahlen 2002 bis 2013 hatte die Attraktivität beim Urnengang 2017 den bislang größten Einfluss. Und: Laut der Studie erhöht sich auch die Wahlbeteiligung in einem Wahlkreis, je attraktiver die Kandidaten im Durchschnitt sind.
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- Die Attraktivität der Kandidaten ist nicht wahlentscheidend - Standpunkt unseres Autors Benjamin Stahl
AfD-Mann ist der Schönste
Am Anfang der Studie stand eine Art Schönheitswettbewerb: Zwölf Frauen und zwölf Männer begutachteten als Testpersonen anonymisierte Fotos aller Kandidaten. Von zehn prominenten Spitzenkandidaten landete Sahra Wagenknecht (Linke) als attraktivste Politikerin auf Platz eins. Sie kam auf der von 0 (sehr unattraktiv) bis 6 (sehr attraktiv) reichenden Skala auf einen Wert von etwa 4. Zweiter wurde Christian Lindner (FDP) mit 3,4 und Dritte Alice Weidel (AfD) mit 3,25 – beide also eher mittelschön. Schlusslicht ist Alexander Gauland (AfD) mit nur 0,54 Punkten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt auf Rang neun mit einem Wert von etwa 1 und SPD-Chef Martin Schulz auf Platz acht mit 1,67.
Wagenknecht und Lindner sind aber bei Weitem nicht die attraktivsten Politiker bundesweit. Der schönste Mann unter den Kandidaten ist laut der Studie Jan Ralf Nolte (AfD) aus dem hessischen Waldeck. Die schönste Kandidatin ist demnach Celine Erlenhofer, die für die Linke im Wahlkreis Dortmund II antrat.
Die attraktivsten Franken
Die schönsten unterfränkischen Kandidaten waren indes die CSU-Politiker Dorothee Bär aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) und Alexander Hoffmann aus Retzbach (Lkr. Main-Spessart). In Oberfranken machten der Linken-Politiker René Hähnlein (Coburg) und die CSU-Abgeordnete Emmi Zeulner (Kulmbach) das Rennen.
Schönheit allein reicht allerdings nicht, um Wahlen zu gewinnen. Erlenhofer zum Beispiel holte nur 8,6 Prozent der Erststimmen, während die SPD-Kandidatin Sabine Poschmann den Wahlkreis mit fast 40 Prozent gewann. Und auch Nolte gewann seinen Wahlkreis nicht.
Attraktivität ist laut Rosars Studie nur die zweitwichtigste Personeneigenschaft bei der Wahlentscheidung – nach dem Bekanntheitsgrad. Am allerwichtigsten sei für die Wähler zudem immer noch die Parteizugehörigkeit. Hier setzt auch die Kritik des Politologen Oskar Niedermayer an der Studie an.
Wähler vergeben ihre Stimmen taktisch
Bei Wahlentscheidungen spiele die Attraktivität nur eine begrenzte Rolle, sagt Niedermayer. Nach Sachkompetenz, Glaubwürdigkeit und Führungsqualität eines Kandidaten stehe die persönliche Sympathie laut Wahlforschung nur an vierter Stelle. Außerdem vergäben die meisten Wähler Erst- und Zweitstimme an dieselbe Partei. Würden die Stimmen gesplittet, dann nicht, weil ein Kandidat so schön sei, sondern weil der Wähler taktisch wähle.
Dass nur 24 Testpersonen das Aussehen aller Kandidaten bewertet hatten, sehen die Wissenschaftler unterdessen nicht als Problem an. Die Studie sei dennoch aussagekräftig, schließlich gebe es einen „Attraktivitätskonsens“. „Wir wären uns alle einig, dass George Clooney deutlich besser aussieht als Woody Allen“, sagt Rosar. So hätten Psychologen herausgefunden, dass etwa ein konturiertes Kinn und wohldefinierte Lippen bei Männern sowie hohe Wangenknochen bei Frauen als attraktiv gelten. Außerdem gilt: Jugend ist schöner als Alter, und Männer werden im Vergleich zu Frauen als unattraktiver beurteilt.