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Würzburg
SPD-Chef und Söder-Herausforderer Florian von Brunn fordert höhere Steuern für die "oberen Zehntausend"
Die Bayern-SPD steckt im Umfragetief. Im Interview sagt von Brunn, was die SPD dagegen tun will - und er bemängelt die Kommunikation von Kanzler Olaf Scholz im Ukraine-Krieg.
'Es wäre gut, wenn mal andere Konstellationen - ohne CSU-Filz - in Bayern regieren würden': Florian von Brunn, der designierte Spitzenkandidat der Bayern, beim Redaktionsbesuch in Würzburg.
Foto: Fabian Gebert | "Es wäre gut, wenn mal andere Konstellationen - ohne CSU-Filz - in Bayern regieren würden": Florian von Brunn, der designierte Spitzenkandidat der Bayern, beim Redaktionsbesuch in Würzburg.
Ivo Knahn
 und  Michael Czygan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:13 Uhr

Als Spitzenkandidat der SPD möchte Florian von Brunn bei der Landtagswahl 2023 Ministerpräsident Markus Söder herausfordern. Der 53-Jährige aus München hat Geschichte und Volkswirtschaft studiert. Vor der Wahl zum Landtagsabgeordneten im Jahr 2013 arbeitete er als Pressesprecher und IT-Berater. Der zweifache Vater ist seit April 2021 gemeinsam mit Ronja Endres Vorsitzender der Bayern-SPD, seit Mai 2021 führt er auch die Landtagsfraktion. Im Rahmen seiner Sommerreise durch Unterfranken traf die Redaktion Florian von Brunn zum Interview.

Frage: Herr von Brunn, Sie sind der designierte Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl. Studieren Sie schon fleißig die unterfränkische Geografie? 

Florian von Brunn (lacht): Oh, gleich zu Beginn die schwierigen Fragen. Also, ich denke, dass ich Aschaffenburg nicht nach Oberfranken verlege.

Die SPD liegt in den Umfragen derzeit bei neun Prozent. Lassen Sie uns mal träumen, es wären 20 Prozent. Was würde sich für eine Familie in Unterfranken ändern?

von Brunn: Besonders wichtig ist mir, dass mehr bezahlbare Wohnungen in Bayern gebaut werden. Dafür wollen wir den Städten und Gemeinden das Geld geben. Und wir wollen kommunale Krankenhäuser und medizinische Versorgungszentren stärker unterstützen, weil es wichtig ist, dass es auch auf dem Land eine gute Gesundheitsversorgung gibt. Mit der SPD gibt es zudem angesichts der hohen Energiepreise zusätzliche Entlastungen für die Menschen in Bayern.

Entlastungen für hohe Energiepreise? Was kann Bayern da tun? Ist das nicht eine Sache des Bundes?

von Brunn: Nicht nur. Der Bund hat ja schon vieles getan. Der Freistaat hat die Möglichkeit, zusätzliche Unterstützung zu leisten. Die Steuerschätzung im Mai hat ergeben, dass wir heuer zwei Milliarden Euro mehr einnehmen als geplant. Wir als SPD sind der Meinung, dass man den Bürgerinnen und Bürgern einen Teil dieses Geldes zurückgeben sollte. Unser Entlastungspaket sieht vor: 100 Euro pro Kind, 50 Euro Klimageld pro Kopf und ein flächendeckendes 365-Euro-Ticket.

Mehr Wohnraum, eine bessere Gesundheitsversorgung, diese Ziele würde die CSU auch unterschreiben.

von Brunn: Das mag schon sein. Aber die CSU hat in der Praxis nichts getan, insbesondere nicht beim Thema Wohnen. Markus Söder hat 2013 als Finanzminister 33.000 Landesbank-Wohnungen verkauft. Die Mieterinnen und Mieter haben die Zeche zahlen müssen – in Form von drastischen Mietsteigerungen. Die "Bayernheim", die er als staatliche Wohnungsbaugesellschaft gegründet hat, hat seit 2018 gerade mal 234 Wohnungen gekauft, aber keine einzige neu gebaut. Söder hat kein Herz für Wohnungssuchende und für Mieterinnen und Mieter. Da ist viel zu tun.

"Söder hat kein Herz für Wohnungssuchende und für Mieterinnen und Mieter."
Florian von Brunn, designierter SPD-Herausforderer zur Landtagswahl
Juniorpartner der CSU zu werden, ist eine Option?

von Brunn: Gerade die Maskengeschäfte haben gezeigt, dass es gut wäre, wenn mal andere Konstellationen – ohne CSU-Filz – in Bayern regieren würden. Die Karten werden sicher erst nach der Wahl neu gemischt, aber wir als SPD wollen gerne mitgestalten.

Warum tut sich die SPD in den Umfragen so schwer? Markus Söder hat aktuell eigentlich gar nicht viel mehr als Ampel-Bashing zu bieten. Sie versuchen sich wiederum vor allem mit Söder-Bashing zu profilieren. Reicht das?

von Brunn: Söder-Bashing würde ich das nicht nennen. Aber es ist unsere Aufgabe, CSU und Freien Wählern auf die Finger zu schauen und man wird nun einmal in der Öffentlichkeit intensiver wahrgenommen, wenn man den Konflikt nicht scheut. Gleichzeitig machen wir aber viele konstruktive Vorschläge: Wir haben zum Beispiel einen großen Plan vorgelegt, wie Bayern sozial gerecht klimaneutral werden kann. Wir haben Vorschläge gemacht, wie die Energieversorgung in Bayern gesichert werden kann – sowohl durch Energiesparen als auch durch den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Florian von Brunn soll Spitzenkandidat der SPD bei der bayerischen Landtagswahl werden.
Foto: Fabian Gebert | Florian von Brunn soll Spitzenkandidat der SPD bei der bayerischen Landtagswahl werden.
Kein Bundesland ist so abhängig von russischem Gas wie Bayern.

von Brunn: CSU und Freie Wähler haben energiepolitisch nicht geliefert. Das ist ein Teil der Misere, die wir jetzt haben. Horst Seehofer und Markus Söder haben die Windkraft ausgebremst. Allein 2014 gab es bayernweit 220 Anträge für neue Windräder. Wenn wir diesen Ausbau nicht durch die 10-H-Regelung gestoppt hätten, hätten wir jetzt 1000 Windräder mehr in Bayern, das entspricht der Leistung eines Atomkraftwerks. Söder und Hubert Aiwanger sind auch gegen die Stromleitungen zu Felde gezogen, die den Windstrom aus dem Norden in den Süden bringen sollen.

Ist die Bundesregierung mit Olaf Scholz eigentlich hilfreich für einen bayerischen SPD-Spitzenkandidaten?

von Brunn: Ich finde, ja. Viele Leute sagen, sie seien froh, dass es einen Bundeskanzler gibt, der besonnen ist, der Regierungserfahrung hat, zu dem sie Vertrauen haben. Jetzt kann man über seine Kommunikation streiten…

Kann man das – oder ist die einfach schlecht?

von Brunn: Ich finde sie nicht schlecht. Ja, man hätte gerade in der Anfangsphase des Ukrainekriegs mehr erklären müssen. Auf der anderen Seite kann man gerade bei einem sicherheitsrelevanten Thema wie Waffenlieferungen nicht über alle Zahlen, Wege, Daten öffentlich reden.

"Noch nie seit Konrad Adenauer musste ein Kanzler in so schwieriger Zeit regieren wie jetzt Olaf Scholz" 
Florian von Brunn, designierter SPD-Herausforderer zur Landtagswahl
Da haben viele Leute Verständnis. Aber Scholz ist schon arg ruhig.

von Brunn: Bei Angela Merkel hat die Öffentlichkeit diese zurückhaltende Form der Kommunikation noch großartig gefunden. Dabei äußert sich Olaf Scholz viel häufiger als seine Vorgängerin in Fernsehtalkshows. Er hält auch mehr öffentliche Reden. Man sollte nicht übertrieben strenge Maßstäbe anlegen. Noch nie seit Konrad Adenauer musste ein Kanzler in so schwieriger Zeit regieren wie jetzt Olaf Scholz. Wir haben Corona noch nicht überwunden, wir haben den Ukraine-Krieg, die Energieversorgungskrise…

Das große Thema der kommenden Wochen wird sein, nach den Pandemie-Folgen nun die Auswirkungen von Ukraine-Krieg und Energiekrise zu bewältigen. Muss die Politik nicht ehrlich sein und offen zugeben, dass es Wohlstandsverluste für breite Schichten der Bevölkerung geben wird?

von Brunn: Ich finde, es wird sehr deutlich gesagt, dass es zu erheblichen finanziellen Belastungen kommt. Gleichzeitig ist es richtig, dass wir uns intensiv darum bemühen, insbesondere Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zu entlasten. Ich als Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender werde auch mehr zahlen müssen, mich aber muss man nicht entlasten. Deswegen ist es richtig, dass wir gezielt den Normalverdienern helfen, den Familien, den Sozialleistungsempfängern, damit diese einigermaßen gut über den Winter kommen. Gleichzeitig müssen wir wirtschaftspolitisch alles dafür tun, damit es nicht zu einer starken Rezession kommt.

Florian von Brunn (Zweiter von rechts) beim Redaktionsbesuch in Würzburg. Mit im Bild sind (von links) Ivo Knahn, der stellvertretende Chefredakteur der Main-Post, Dominik Hutter, Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion, Julia Ney, persönliche Referentin,  und Michael Czygan, Main-Post-Redakteur.
Foto: Fabian Gebert | Florian von Brunn (Zweiter von rechts) beim Redaktionsbesuch in Würzburg. Mit im Bild sind (von links) Ivo Knahn, der stellvertretende Chefredakteur der Main-Post, Dominik Hutter, Pressesprecher der ...
Was kann Bayern über die Bundesinitiativen hinaus tun?

von Brunn: Was wir in jedem Fall brauchen, ist ein wirkungsvolles bayerisches Energiesparprogramm. Nicht ein Feigenblatt wie der aktuelle Vorschlag, der ohnehin viel zu spät kommt, weil CSU und Freie Wähler monatelang Zeit vergeudet und nur mit dem Finger nach Berlin gezeigt haben. Viele Kommunen sind da besser aufgestellt. Nürnberg legt von vier Hallenbädern drei bis zum Herbst still, in München fließt im Rathaus und anderen öffentlichen Einrichtungen nur noch kaltes Wasser aus den Wasserhähnen. Aber wo ist ein ernsthaftes Sparprogramm für ganz Bayern? Ich schlage vor, die kostenlose Energieberatung durch die Verbraucherzentralen und den Verbraucherservice auszuweiten. In diesem Bereich muss der Freistaat mehr Personal finanzieren. Und dann gilt es, die Bremsen bei der Energiewende zu lösen: 10H muss weg, und wir brauchen ein bayerisches Geothermie-Programm.

Das kostet alles eine Menge Geld. Wo soll es herkommen? Können Sie als Sozialdemokrat sich höhere Steuern vorstellen?

von Brunn: Im Moment haben wir immer noch niedrige Leitzinsen, das heißt, man könnte Wirtschaftshilfen auch durch Kredite finanzieren. Das müssen wir mit Finanzminister Lindner diskutieren. Und ja, es gibt Menschen in der Bevölkerung mit sehr hohen Einkommen. Ich finde, gerade in einer Krisensituation ist es richtig, die oberen Zehntausend, die Champagner-Etage, stärker zur Finanzierung heranzuziehen. Ein wichtiger Aspekt ist auch das Thema Übergewinnsteuern. Man muss sich genau ansehen, welche Konzerne, beispielsweise in der Mineralölindustrie, überproportional von dieser Krise profitieren und dagegen etwas unternehmen.

Was wären für Sie sehr hohe Jahreseinkommen?

von Brunn: Ab 200.000, 300.000 Euro und mehr.

Beim Thema Laufzeitverlängerung für die bestehenden Atomkraftwerke haben Sie sich skeptisch gezeigt, andere Sozialdemokraten wie der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter sind da offener. Ohne wird es nicht gehen, zeitnah von Putins Gas loszukommen, oder?

von Brunn: Die Grünen und die SPD in München haben lediglich dafür plädiert, einen Streckbetrieb zu prüfen. Das heißt: mit den vorhandenen Brennstäben Isar II bis März weiterzubetreiben. Da würde kein zusätzlicher Atommüll anfallen. Falls das wirklich notwendig ist: ok. Abstriche bei der Sicherheit darf es nicht geben. Ich bin aber kein Fan, von einem echten Wiedereinstieg in die Atomkraft, verbunden mit einer Neuproduktion von Kernbrennstäben. Keiner weiß, wo der zusätzliche Atommüll hin soll. Ich will nicht, dass die Atomkraft als Alibi genutzt wird, um den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter zu verzögern.

 
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  • W. K.
    Typisch SPD.
    Der Spitzensteuersatz muss immer rauf - wegen der Reichen.
    Aber in Wirklichkeit trifft es die Familien, in denen beide Elternteile arbeiten (müssen). Ich sage nur Steuerklasse 5...
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  • D. E.
    Um Familien mit "200.000, 300.000 Euro und mehr" müssen Sie sich wirklich keine Sorgen machen.
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  • M. R.
    Die nächste Pfeife
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  • R. B.
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