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München
Sondersitzung im Landtag: Söder und Aiwanger schweigen zur Flugblatt-Affäre
Grüne, SPD und FDP sehen noch unbeantwortete Fragen, Kritik kommt auch aus der CSU. Aiwanger und Söder verweigern sich jedoch einer Debatte um das antisemitische Flugblatt.
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) musste sich in einer Sondersitzung des Landtags Vorwürfe im Zusammenhang mit einem antisemitischen Flugblatt anhören, wollte dazu aber wie auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht selbst Stellung nehmen.
Foto: Sven Hoppe, dpa | Hubert Aiwanger (Freie Wähler) musste sich in einer Sondersitzung des Landtags Vorwürfe im Zusammenhang mit einem antisemitischen Flugblatt anhören, wollte dazu aber wie auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ...
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:58 Uhr

Viele Fragen von Grünen, SPD und FDP an Hubert Aiwanger und Markus Söder. Deutliche Kritik am Freie-Wähler-Chef auch aus der Landtags-CSU. Aber kein einziges Wort zur Sache von Aiwanger selbst oder von Ministerpräsident Söder: In einer Sondersitzung mit reduzierter Besetzung debattierte der Landtag vier Wochen vor der Landtagswahl über die Vorwürfe gegen Aiwanger im Zusammenhang mit einem antisemitischen Flugblatt, das einst in seiner Schultasche gefunden wurde. An der Entscheidung von Ministerpräsident Söder vom letzten Sonntag änderte sich jedoch nichts: Aiwanger bleibt als Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister im Amt.

CSU und Freie Wähler lehnten Fragen der Abgeordneten an Aiwanger und Söder ab

Gleich zu Beginn der Sitzung lehnten CSU und Freie Wähler Forderungen der Grünen und der FDP ab, Aiwanger und Söder müssten sich den Fragen der Abgeordneten persönlich stellen: "Wir wollen keine Vorverurteilung von Hubert Aiwanger, aber wir haben viele unbeantwortete Fragen", erklärte der FDP-Abgeordnete Matthias Fischbach. Man werde "keine Showeinlagen der Opposition" zulassen, entgegneten CSU und Freie Wähler. Bei der Besetzung des Kabinetts sei Söder allein "Herr des Verfahrens" und habe seine Entscheidung hier bereits erläutert, befand der CSU-Abgeordnete Tobias Reiß.

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann stellte jedoch als erster Debattenredner klar, wie viele drängende Fragen in der Sache aus seiner Sicht noch immer offen sind: "Herr Aiwanger, was verstehen Sie unter Reue und Demut?", fragte Hartmann direkt den keine zwei Meter neben ihn sitzenden Freie-Wähler-Chef, der seinen Blick starr geradeaus richtete. "Finden Sie es passend, nach einer dürftigen Entschuldigung sofort in den Opfermodus zu wechseln", lautete eine der weiteren Fragen. Und auch Söder sei noch viele Antworten schuldig, so Hartmann: Wie passten zum Beispiel Aiwangers Erinnerungslücken zu Söders Forderung "reinen Tisch" zu machen? "Und empfinden Sie die Auftritte Aiwangers in Bierzelten als Reue und Demut?"

Man könne nicht jede Jugendsünde entschuldigen, findet zudem SPD-Chef Florian von Brunn. Vor allem stelle sich aber die Frage, wie ein Vize-Ministerpräsident mit den Vorwürfen umgehe. Aiwangers Umgang sei aber "sehr widersprüchlicher Art" - etwa wenn er die überfällige Entschuldigung sofort relativiere mit dem Vorwurf einer orchestrierten "Kampagne" und sich selbst zum Opfer erkläre.

"Ich halte Sie nicht für einen Antisemiten", sagt der FDP-Chef in Richtung Aiwanger

"Ich halte Sie nicht für einen Antisemiten", sagte FDP-Fraktionschef Martin Hagen in Richtung Aiwanger. Auch müsse man Menschen zugestehen, sich zu verändern. Wichtig sei aber ein aufrichtiger Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Und da gebe es bei Aiwanger große Defizite im Zusammenhang mit dem Flugblatt, das sich über den Holocaust lustig machte: "Aiwanger sieht nicht die Opfer, er sieht sich als Opfer", kritisierte er. Anders, als Grüne und SPD forderte Hagen jedoch keine politischen Konsequenzen: "Wir verlangen keinen Rücktritt, sondern Aufklärung." Eine Position, von der sich der unterfränkische FDP-Abgeordnete Helmut Kaltenhauser distanzierte: Er sei persönlich der Meinung, dass Aiwanger in seinen Ämtern "nicht mehr haltbar ist", teilte er schriftlich mit.

"Aufrecht und mutig nicht nur im Bierzelt sein", rät die CSU dem Freie-Wähler-Chef

Deutliche Kritik an Aiwanger kam aber auch von der CSU: Aiwangers Glaubwürdigkeit habe durch seinen Umgang mit den Vorwürfen "Schaden genommen", so der CSU-Abgeordnete Tobias Reiß: "Aufrecht und mutig muss man nicht nur im Bierzelt sein, wo die Menschen jubeln", hielt er Aiwanger vor. Er unterstütze zudem ausdrücklich die Kritik von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, dass bei Aiwanger bislang Reue und Demut fehlten, so Reiß. Andererseits gelte auch für Aiwanger mangels Beweisen die Unschuldsvermutung: Söder habe deshalb "richtig entschieden", Aiwanger nicht zu entlassen.

AfD sieht ein "politisches Schmierentheater", bei dem der Ausgang immer feststand

Diese Entscheidung sei nur das Ende eines abgekarteten "politischen Schmierentheaters" gewesen, argwöhnt der AfD-Abgeordnete Ulrich Singer. Söders Fragen an Aiwanger seien gar nicht befriedigend zu beantworten gewesen. Und das Ergebnis, die Koalition fortzuführen, sei von vorneherein festgestanden, glaubt er.

Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl beteuerte dagegen, auch die Partei selbst habe es sich nicht leicht gemacht: Man habe aber "keinen Zweifel an Aiwangers Aussagen oder seiner demokratischen Gesinnung". Wäre dies anders, "dann hätten wir selbst Konsequenzen gezogen." SPD und Grünen warf Streibl zudem Doppelmoral vor: Einerseits werde Aiwanger Populismus vorgeworfen. Andererseits sorge die Art der Kritik am Freie-Wähler-Chef für tiefe politische Gräben und "amerikanische Wahlkampfverhältnisse". Dies aber sei aber eine völlig falsche politische Botschaft.

 
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