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München
Söders Kreuzerlass nun Fall vor Gericht: Werden die Kreuze in allen bayerischen Behörden wieder abgehängt?
In jeder Behörde im Freistaat muss am Eingang das christliche Symbol hängen, hatte der Ministerpräsident 2018 beschlossen. Warum die Vorschrift bald fallen könnte.
Im April 2018 hängte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch in der Münchner Staatskanzlei ein Kreuz auf. Sein umstrittener Kreuzerlass ist nun ein Fall für den Verwaltungsgerichtshof. 
Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild) | Im April 2018 hängte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch in der Münchner Staatskanzlei ein Kreuz auf. Sein umstrittener Kreuzerlass ist nun ein Fall für den Verwaltungsgerichtshof. 
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:56 Uhr

Ist die für staatliche Gebäude in Bayern geltende Pflicht, im Eingangsbereich "gut sichtbar ein Kreuz anzubringen" nur ein "Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung", wie die Bayerische Staatsregierung meint? Oder ist die staatliche Kreuzpflicht nicht vielmehr ein Verstoß gegen die im Grundgesetz garantierte weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates, wie die Kreuzpflicht-Kritiker finden?

Söder hatte den Kreuzerlass mitten im Wahlkampf durchgesetzt

Schwierige Rechtsfragen, die nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof juristisch klären soll. Denn im April 2018 hatte der damals frisch gebackene Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den umstrittenen "Kreuzerlass" mitten im Landtagswahlkampf durchgesetzt – auch gegen massive Kritik aus den Kirchen: Söder habe die Bedeutung des Kreuzes "nicht verstanden", kritisierte damals etwa der Münchner Kardinal Reinhard Marx.

Bereits kurz nach dem Inkrafttreten der Kreuzpflicht im Juni 2018 hatten der Bund für Geistesfreiheit (BfG), der sich der weltanschaulichen Neutralität verpflichtet fühlt, sowie 25 Einzelpersonen – darunter der Musiker Konstantin Wecker – gegen die Vorschrift geklagt sowie die Entfernung bereits aufgehängter Kreuze in rund 1100 Behörden verlangt. Im September 2020 reichte das Verwaltungsgericht München das Verfahren dann an den Verwaltungsgerichtshof weiter.

Das Kreuz in den Behörden – eine "Werbemaßnahme" für christliche Kirchen?

Die Vorschrift stelle – fast wie eine Werbemaßnahme – durch ihre Bevorzugung des Symbols nur einer Glaubensrichtung eine Benachteiligung aller anderen weltanschaulichen Gruppen dar, erklärte BfG-Anwalt Hubert Heinhold dort nun bei einer mündlichen Verhandlung. Damit verstoße die Verwaltungsvorschrift gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Der Kreuzerlass sei deshalb "nichts anderes, als die Diskriminierung aller Nicht-Christen", findet Heinhold.

"Der Freistaat Bayern bringt das Kreuz nicht als christliches Symbol an."
Marcus Niese von der Landesanwaltschaft verteidigt Söders Kreuzerlass

"Der Freistaat Bayern bringt das Kreuz nicht als christliches Symbol an", beteuerte dagegen Marcus Niese, der Anwalt des Freistaats Bayern. Vielmehr gehe es um ein Zeichen für die "geschichtliche und kulturelle Prägung" des Landes. Und die Neutralität des Staates in Glaubensfrage bedeute ja nicht, dass man sich "von seiner geschichtlichen Prägung distanzieren" müsse. Darüber hinaus habe der Kreuz-Erlass überhaupt keine Außenwirkung, findet Niese: "Der Adressat sind die Behörden des Freistaats und nicht die Bürger." Besucher der Behörden hätten höchstens einen "flüchtige Kontakt" mit dem Kreuz.

Jeder Bürger, jede Bürgerin müsse Behörden aufsuchen, argumentiert dagegen Assunta Tammelleo, die Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit. Doch dort werde ihnen nun in Bayern "das Kreuz als quasi-staatliches Symbol demonstrativ vorgehalten". Tammelleo hofft deshalb, dass der Verwaltungsgerichtshof Söder nun zwingt, "die Kreuzpflicht in Bayern wieder zurückzunehmen". Anwalt Heinhold verweist auf die öffentlichkeitswirksame Verkündung des Kreuzerlasses im Jahr 2018: Söders Motivation sei wohl eher der Wahlkampf gewesen als die kulturelle Prägung des Abendlandes.

"Der Kreuzerlass ist nichts anderes, als die Diskriminierung aller Nicht-Christen."
Hubert Heinhold, Anwalt des klagenden Bundes für Geistesfreiheit

Das Kreuz "alleine auf die abendländische Kultur zu reduzieren, ist schwierig", findet auch die Vorsitzende Richterin Andrea Breit. Ein flüchtiger Betrachter denke wohl eher an ein christliches Symbol. Die Verwendung solcher Symbole sei dem Staat jedoch nicht verboten - solange er damit "nicht missionieren" wolle.

Verwaltungsgerichtshof will Urteil erst in zwei Wochen verkünden

Söders Kreuzerlass sei "eine bislang ungeklärte Rechtsproblematik", erklärt die Richterin – und damit juristisch eine harte Nuss. Das Urteil will das Gericht deshalb erst in zwei Wochen verkünden. Unabhängig davon dürfte der Rechtsstreit dann allerdings weitergehen – wohl vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 
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  • H. S.
    Wenn sich die Kirche demnächst selbst abgeschafft hat, dann können wir die Kreuze auch abhängen.
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  • H. H.
    Das war auch keine christliche Maßnahme, sondern sollte Ressetiments gegen Muslime schüren. Es ging ja schließlich darum, der AfD Stimmen abzujagen.
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  • R. S.
    Wen so ein Kreuz stört, der scheint keine wirklichen Probleme zu haben... traurig das man sich als Christ jetzt schon in Deutschland rechtfertigen muss!
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  • A. K.
    Kein Christ muss sich rechtfertigen, dass er Christ ist. Das sollte auch kein Angehöriger irgend einer andern Glaubensrichtung tun müssen. Und gerade darum ist es wichtig, dass es keine staatlich verordnete Symbolik irgend einer Religion in staatlichen Gebäuden gibt.
    Der Staat ist kein christlicher Staat, sonder ein säkularer Staat. Also, muss diese södersche Populismussymbolik weg.
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  • G. W.
    Weil hier Manche schon wieder wie wild an irgendwelchen Kopftüchern zerren:

    Meine Oma ist vor 17 Jahren hochbetagt verstorben.
    Diese Frau war zu 100% katholisch
    und ist doch, wie viele andere Frauen auch im ländlichen Franken,
    fast immer MIT Kopftuch
    aus dem Haus gegangen!

    Da gab es eine schiere Unzahl von Kopftüchern,
    für sämtliche Angelegenheiten, alles noch gar nicht lange her.
    Diese wunderbare Tradition ist heutzutage fast ausgestorben;
    wer verfechtet denn da die kulturellen Werte des christlichen Abendlandes, Herr Söder?

    Auf geht's, CSU-Frauen,
    besinnt Euch auf Euere Wurzeln und
    betretet sämtliche Behörden künftig
    nur noch mit traditioneller Kopfbedeckung (Haube geht auch!).
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  • G. W.
    Dem Herrn Söder und seiner Partei ging es beim Missbrauch des Kreuzes zu Wahlkampf-Zwecken und aus parteitaktischen Gründen um die
    "geschichtliche und kulturelle Prägung"
    des Freistaates.
    Geschichtlich und traditionell liefen Frauen
    in Bayern und Franken fast immer mit Kopfbedeckung umeinander.
    Und was genau hat das jetzt mit Obst zu tun?
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  • G. W.
    Christliches Kopftuch aus praktischen Gründen...
    Muslimisches Kopftuch als Unterdrückungsinstrument...

    Nein, bei Ihrer Argumentation will ich Ihnen nicht folgen!!!
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  • R. B.
    GWM, lesen Sie den Koran und beschäftigen Sie sich mit der Scharia, dann verstehen Sie die Symbolik die hinter dem Kopftuch steckt. Mir ist das Kreuz piepegal, aber die Unterdrückung muslimischer Frauen ist allgegenwärtig. Ich habe viele muslimische männliche Mitarbeiter, deren Zuhause in den meisten Fällen mittelalterliche Strukturen pflegt. Es ist die Toleranztrunkenheit in diesem Land, welche muslimischen Frauen schadet.
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  • G. W.
    Ganz grundsätzlich wäre wünschenswert, wenn die Verantwortlichen bei Politik, Justiz und Verwaltung in Bayern dann eben auch christliche Werte vorleben würden.
    Die außerehelichen Kinder der christparteilichen Vorsitzenden Söder, Seehofer usw. sind ja schon fast sprichwörtlich, und auch sonst hält sich kaum einer an die zehn christlichen Gebote.
    Hier geht's auch nicht um Christenverfolgung, sondern um die Verwendung des Kreuzes aus niederen Beweggründen.
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  • A. M.
    Weg mit religiösen Symbolen aus öffentlichen Einrichtungen. Glaube ist Privatsache! Die Trennung von Staat und Kirche sollte noch viel konsequenter durchgezogen werden.
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  • B. F.
    ich bin auch dafür, dass die Kreuze abgehängt werden, allerdings bin auch dafür, dass in Deutschland keiner mit einer Burka herum läuft !
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  • G. W.
    Die wenigsten Menschen, die in Deutschland Burka tragen dürften männlichen Geschlechts sein😉.
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  • U. S.
    kein Problem, soll das Kreuz abgehängt werden, aber dann dürfen auch in Deutschland die unterdrückten islamischen Frauen nicht mehr verhüllt sein, wenn sie öffentliche Gebäude betreten, das betrifft dann auch die Schulen. Dann erkennen in Zukunft alle Lehrer in Berlin ihre Schülerinnen am Gesicht.
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  • U. S.
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  • H. S.
    Bayern ist in Deutschland das wohl zutiefst "Christliche" Bundesland.
    Doch auch Bayern muss sich der Wahrheit stellen, dass hier die Katholiken "nur" etwa 50% der Bevölkerung repräsentieren.
    Insofern müsste neben dem Kreuz auch ein Judenstern hängen, das Om-Symbol der Hinduisten, das Rad des Buddha für die Buddhisten, als auch die Mondsichel für den Islam...

    Das alles stelle ich mir mehr als nur kompliziert vor.
    Daher denke ich mir: Behörden sollten in der Form religionsneutral auftreten, indem sie keine der Religionen bevorzugen, indem sie deren Symbole in ihren Räumen aufhängen.
    Wer wirklich wissen will, welche Religion in Bayern dominiert, soll auf die Straße gehen, und die Kirchtürme zählen. Das sagt sehr viel mehr aus, als irgendwelche "Symbole" in den Ämtern.
    In öffentlichen Einrichtungen, wie Ämtern, Schulen etc. haben religiöse Symbole heute meiner Meinung nach absolut gar nichts mehr verloren! Das sehe sogar ich, als Christ, als Diskriminierung anderer Religionen!
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  • J. N.
    Das sehe ich völlig genauso.

    Mich stört es nicht, wenn jemand ein Kreuz, ein Rad, eine Mondsichel oder sonst was aufhängt, wenn er das möchte.
    Aber sowas von Gesetzes wegen vorzuschreiben, das geht gar nicht.

    Übrigens gilt das für mich auch bei anderen Dingen wie Kopftuch und Co.
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