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SCHWEINFURT/NÜRNBERG
So nah sind Extremisten der AfD
Die AfD: Rechtsextreme suchen ihre Nähe, auch vom Verfassungsschutz beobachtete Pegida-Ableger tauchen auf ihren Demos auf. Offiziell wehrt sich die Partei – doch mit einer überzeugenden Abgrenzung tut sich die AfD schwer.
Christian Klingen (AfD Unterfranken; Zweiter von links) mit Björn Höcke (AfD-Chef Thüringen), Martin Sichert (AfD Nürnberg) und Petr Bystron (AfD-Chef Bayern; ganz rechts) bei der AfD-Demo in Schweinfurt.
Foto: Josef Lamber | Christian Klingen (AfD Unterfranken; Zweiter von links) mit Björn Höcke (AfD-Chef Thüringen), Martin Sichert (AfD Nürnberg) und Petr Bystron (AfD-Chef Bayern; ganz rechts) bei der AfD-Demo in Schweinfurt.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:51 Uhr

Wir weisen darauf hin, dass hier keine Vertreter extremistischer Verbände oder Parteien erwünscht sind“, eröffnet Christian Klingen, dritter Vorsitzender des AfD-Bezirksverbands Unterfranken, am Donnerstag die Demonstration seiner Partei in Schweinfurt. Doch seine Worte verfehlten ihre Wirkung. Sie sind präsent an diesem Abend auf dem Georg-Wichtermann-Platz: Personen aus dem Umfeld rechter Kameradschaften, NPD-Politiker und Vertreter von Gruppierungen, die der Verfassungsschutz beobachtet. Es war nicht das erste Mal.

Die Behörden haben das Nebeneinander von AfD und solchen Personen im Blick. „Wir achten darauf, ob Extremisten, die wir beobachten, in der AfD Einfluss zu gewinnen versuchen, beziehungsweise inwieweit Aktivitäten der AfD in extremistische Beobachtungsobjekte hineinragen“, erklärt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage. So habe man beispielsweise festgestellt, dass bei Pegida-München – Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes – ein AfD-Vertreter für eine Kundgebung seiner Partei geworben habe. Gleichzeitig gebe es etwa aus der bayerischen NPD Aufrufe, den „Kontakt zu AfD-Gruppen zu suchen“, um im Fall eines NPD-Verbots eine Ausweichmöglichkeit zu haben.

Die AfD wird nicht müde zu betonen, mit solchen Leuten nichts zu tun haben zu wollen, und verweist darauf, dass „ehemalige Mitglieder extremistischer Parteien nicht aufgenommen werden“. Doch lässt man den Worten der Abgrenzung auch Taten folgen?

Nürnberg, 13. März 2016, Wahltag in drei Bundesländern: Unbehelligt nehmen mehrere Funktionäre der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ an einer AfD-Demo teil. Darunter Rainer Biller – einst selbst aus der NPD wegen geschmacklosen Kommentaren zu den NSU-Morden ausgeschlossen – und Dan Eising – im Oktober bei einer Razzia gegen eine rechtsextreme Gruppierung, die unter anderem Sprengstoffanschläge gegen Asylbewerberheime in Bamberg geplant haben soll, festgenommen.

Im Anschluss an die Demonstration lädt die AfD zu einer Wahlparty in ein Gasthaus. Teil der „geschlossenen Gesellschaft“ waren Biller, Eising und ihre Begleiter. Die AfD reagierte schnell: „Wenn sich irgendwelche Extremisten auf unsere Veranstaltungen begeben, dann sei dazu ganz klar gesagt, sie sind nicht willkommen!“, hieß es. Und auf Anfrage der Redaktion erklärt der Nürnberger AfD-Kreisvorsitzende Martin Sichert: „Der Besuch dieser Personen wurde mir im Nachgang bekannt.“

Persönlich kenne er Biller und die anderen nicht. Dabei sucht gerade Biller schon seit längerem Kontakt zur AfD: Im Oktober 2015 sandte er der Nürnberger AfD via Facebook „kameradschaftliche Grüße“ aus einem Mexiko-Urlaub und entschuldigte sich, dass er an einer AfD-Demo nicht teilnehmen könne. „Aber viele meiner Freunde und Kameraden werden eure Veranstaltung unterstützen“, schrieb er. Den Post hatte der AfD-Kreisverband mit „Gefällt mir“ markiert. Im Januar war Biller dann wieder dabei: Fotos belegen seine Anwesenheit bei einer Rede Sicherts.

Warum Rechtsextreme die Nähe zur AfD suchen? Möglich, dass sie eine ideologische Nähe sehen. Den Stoff dafür liefern Funktionäre wie Sichert. Der hatte, als noch Bernd Lucke das Sagen hatte, eigentlich schon gar keine Zukunft in der Partei mehr. Nachdem Facebook-Posts aufgetaucht waren, in denen er erklärte, Türken sprächen „Kanakensprache“ und den Zweiten Weltkrieg hätten die „zwei größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts gewonnen“, strebte Lucke ein Parteiausschlussverfahren gegen Sichert an. Doch dazu kam es nicht mehr. Beim Landesparteitag im Oktober 2015 wollte sich Sichert zum stellvertretenden Landeschef wählen lassen.

Gegen die Anwesenheit von Extremisten in seinem Kreisverband hat Sichert nun einen Plan: „Nachdem wiederholt Akteure aus den extremistischen Spektren auf Veranstaltungen bei uns aufgetaucht sind und wir darauf hingewiesen wurden und es obendrein etliche Gewalttaten aus dem linksextremen Spektrum gegen uns gab, haben wir begonnen eine Datei mit den bekannten Extremisten aus unserer Region zu erstellen.“ Beim Besuch von Co-Parteichef Jörg Meu-then Anfang April sei diese Liste erstmals eingesetzt worden. „Das hat dazu geführt, dass einige Personen draußen bleiben mussten“, so Sichert.

Vielleicht hätte eine solche Liste auch in Schweinfurt am Donnerstag geholfen. Dort demonstrierte die AfD unter anderem Seit' an Seit' mit Axel Michaelis, Vorsitzender des NPD-Bezirksverbands Oberfranken. Weist man AfD-Funktionäre auf die Anwesenheit solcher Personen hin, bekommt man ein lapidares „Was will man machen?“ oder „Wir kennen die Leute ja nicht alle“ als Antwort. Auf Simon Kaupert kann letzteres Argument sicher nicht zutreffen. Der Kopf hinter dem Würzburger Pegida-Ableger, der im vergangenen Jahr regelmäßig auf die Straße ging, nahm an der AfD-Demo in Schweinfurt mit mehreren Begleitern teil. Gerade in der Anfangszeit von Wügida unterstützte die unterfränkische AfD-Spitze die Bewegung. Später ging man auf Distanz. „Pegida Franken“, wie sich Wügida zuletzt nannte, wird seit einigen Monaten vom Verfassungsschutz beobachtet.

Ein Problem scheint man mit der Anwesenheit Kauperts aber nicht zu haben. Immer wieder stand der einstige Wügida-Kopf etwa mit Sebastian Faber vom AfD-Kreisvorstand Main-Spessart/Miltenberg lachend zusammen. Kaupert und Faber können mindestens Sympathien für die „Identitäre Bewegung“ nachgesagt werden. Facebook-Aktivitäten und der Einfluss der Bewegung auf Wügida stützen das. Verfassungsschützer bezeichnen die „Identitäre Bewegung“ als „virtuelle Erscheinungsform des Rechtsextremismus“, deren Aktivisten in Bayern seit Anfang 2015 „über den virtuellen Raum des Internets hinaus mehr und mehr auch realweltliche Aktivitäten“ entfalteten.

Während das Bundesamt für Verfassungsschutz derzeit prüft, ob die „Identitäre Bewegung“ künftig Beobachtungsobjekt wird – wie es in einigen Bundesländern schon der Fall ist –, hat auch die AfD selbst ein Problem mit der Bewegung. In einer Unvereinbarkeitsliste, die der Bundesvorstand im April 2015 beschlossen hatte, wird sie explizit erwähnt. Wie AfD-Sprecher Christian Lüth auf Nachfrage der Redaktion erklärte, ist die Liste unverändert gültig.

Auch Christian Klingen tut sich mit klaren Abgrenzungen schwer. Seine Bemühungen wirken halbherzig. Obwohl er Extremisten am Donnerstag auslud, nahm er mehrfach an Demonstrationen der „Sicheren Heimat“ in Nürnberg teil. Die Bürgerinitiative, in der sich vor allem Russlanddeutsche engagieren, protestiert gegen die Asylpolitik in Deutschland. Rechtsextreme riefen zur Teilnahme auf, Verfassungsschützer bestätigten deren Anwesenheit. „Ich setze mich auch innerhalb der AfD für mehr Sicherheit in unserer Heimat ein“, erklärt Klingen und begründet das mit „steigenden Kriminalitätsraten“. Dass die Zahlen in den Statistiken der bayerischen Polizei – insbesondere in Unterfranken – sinken, ignoriert er. „Das Bedürfnis nach mehr Sicherheit halte ich für richtig“, so Klingen weiter. „Es wird nicht dadurch schlecht oder falsch, dass es auch Menschen teilen, die einen anderen Teil des politischen Spektrums als wir abdecken.“

Vielleicht sieht er solche Personen auch einfach nicht. Seine Frau, ebenfalls AfD-Funktionärin, sagt zu Beginn der Schweinfurter Demo ins Mikrofon: „Ich sehe hier keine Menschen mit brauner Gesinnung.“

 
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