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BAMBERG/MÜNCHEN
Erkenntnisse nach Razzia: gewaltbereit und Nähe zu Pegida
Im Oktober zerschlug die Polizei eine Neonazi-Zelle in Franken. Vermutlich wurde damals ein Anschlag verhindert. Nun gibt es neue Details zu den Verdächtigen.
Razzia gegen rechte Szene in Bamberg       -  Die Polizei führte im Oktober 2015 mit Unterstützung von Spezialeinheiten in verschiedenen Wohnungen im Stadtgebiet Bamberg Razzien bei mutmaßlichen Rechtsextremisten durch.
Foto: Christian Herse (dpa) | Die Polizei führte im Oktober 2015 mit Unterstützung von Spezialeinheiten in verschiedenen Wohnungen im Stadtgebiet Bamberg Razzien bei mutmaßlichen Rechtsextremisten durch.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:48 Uhr

Nach einer Razzia im vergangenen Herbst gegen die rechtsextreme Szene in Ober- und Mittelfranken kommen jetzt weitere Einzelheiten ans Licht. Die Polizei hatte damals bei mehreren Durchsuchungen 13 Personen festgenommen. Der Verdacht: Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen gegen Ausländer und die linke Szene. Eine Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf eine Anfrage der Grünen im Landtag gewährt nun erste Einblicke in die laufenden Ermittlungen in dem rechtsextremen Netzwerk – und offenbart die kriminellen Karrieren der Verdächtigen.

Rückblick: Bei Durchsuchungen von zwölf Objekten unter anderem in Bamberg und Nürnberg stellten die Beamten im Oktober rechtsextremes Propagandamaterial, Waffen und kistenweise sprengbares Material sicher. Kurz zuvor war es der Polizei gelungen, eine größere Lieferung mit illegalen pyrotechnischen Gegenständen aus Osteuropa abzufangen. Fünf Haftbefehle wurden seither erlassen, drei der Verdächtigen sitzen derzeit noch in Untersuchungshaft.

Wie die Staatsregierung nun in ihrer Antwort, die der Redaktion vorliegt, erklärt, werde weiter gegen alle 13 der damals Festgenommenen ermittelt – gegen Einzelne wegen „der Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens“ und gegen neun von ihnen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit „rechtsextremistischen Zielen“. Während seiner Vernehmung wurde einer der Inhaftierten konkreter: So sei geplant gewesen, am 31. Oktober 2015 das „Café Balthasar“ in Bamberg – ein Treffpunkt der linken Szene – zu stürmen und „plattzumachen“. Außerdem sollten zwei Bamberger Flüchtlingsunterkünfte mit Böllern angegriffen werden. Die illegale Pyrotechnik hätte sich die Gruppe aus Tschechien besorgt, heißt es nun.

„Kugelbomben“ per Post

In dem im Vorfeld der Razzia abgefangenen Paket befanden sich allerdings auch sogenannte „Kugelbomben“. Diese besäßen eine hohe Sprengkraft und seien „höchst gefährliche Explosionsmittel“, die Menschen sogar töten könnten, sagten die Ermittler damals. Dennoch behauptete der Verdächtige in dem Verhör nun, Ziel sei es nicht gewesen, Menschen zu verletzen. Vielmehr habe man „Angst und Schrecken“ unter den Asylbewerbern verbreiten wollen.

Aufschlussreich sind auch die Angaben, die das Justizministerium in München zur kriminellen Biografie der einzelnen Beschuldigten macht: „Gefährliche Körperverletzung“, „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ – die Liste ließe sich fortführen. Konsequenzen waren Geld-, Bewährungs- und Haftstrafen.

Wegen sexuellem Missbrauch von Kindern verurteilt

Einige kriminelle Karrieren in der rechtsextremen Szene begannen demnach offensichtlich recht früh. So sei einer der Beschuldigten im Jahr 2010 unter anderem zu drei Wochen Jugendarrest verurteilt worden. Dem damaligen Hauptschüler wurde sexueller Missbrauch von Kindern, vorsätzliche Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung zur Last gelegt. Er habe seine Mitschüler terrorisiert, schreibt das Ministerium.

Einige der früheren Taten fanden auch in Unterfranken statt: Drei Rechtsextremisten werden laut Staatsregierung verdächtigt, im April 2015 in Stammheim (Lkr. Schweinfurt) ein Banner mit der Aufschrift „Stammheim ist bunt“ entwendet und verbrannt zu haben (wir berichteten).

Die Tat ereignete sich kurz nachdem bekannt wurde, dass sich die Partei „Die Rechte“ in dem Kolitzheimer Ortsteil ansiedeln will. Die Gemeinde versuchte damals vergeblich, die Nutzung eines ehemaligen Gasthofs durch „Die Rechte“ zu verhindern. Unter den im Oktober Festgenommenen waren mehrere Funktionäre der Partei, so die Staatsregierung. Verbindungen zu einer anderen rechtsextremen Partei – „Der III. Weg“ – und der inzwischen verbotenen Neonazi-Kameradschaft „Freies Netz Süd“ sowie in die Hooligan-Szene konnten demnach bei einzelnen Verdächtigen ebenfalls nachgewiesen werden.

Verbindungen gibt es auch zu diversen Pegida-Ablegern im Freistaat. Einzelne Beschuldigte nahmen an Kundgebungen in München, Nürnberg und Würzburg teil. In Würzburg soll einer der Verdächtigen im Januar 2015 nach einer Wügida-Demonstration einen Gegendemonstranten getreten haben; die Ermittlungen wurden allerdings eingestellt. Mitte Oktober – kurz vor der Razzia – trat der Nürnberger „Die Rechte“-Funktionär Dan E. als Redner bei Wügida auf; auch sein Nürnberger Parteikollege Andreas G. nahm an der Kundgebung teil. Beide waren bei der Polizeiaktion im Oktober unter den Festgenommenen, erklärt die Staatsregierung nun und bestätigt damit Recherchen der Redaktion vom vergangenen Herbst.

Grüne wollen Verbot von „Die Rechte“

„Für Bamberg hat die Staatsregierung klar eine Zunahme der rechten Bedrohung eingeräumt. Das ist besorgniserregend“, sagt Katharina Schulze, innenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen. Die aufgedeckten Anschlagspläne seien „beispielhaft für die aktuelle Entwicklung der rechten Szene in Bayern: Sie verbündet sich mit Pegida und tritt zunehmend gewalttätiger auf“, fasst sie zusammen.

Es zeige sich deutlich, wie eng die „Verbindungen von Pegida zur rechtsterroristischen Szene“ seien, so Schulze weiter. Ebenso sind Kontakte und organisatorische Verflechtungen zu den Parteien „Der III. Weg“ und „Die Rechte“ offensichtlich. „Die Übergänge zwischen Pegida, Kameradschaften und Rechtsterroristen sind fließend“, sagt sie und fordert „einen deutlich stärkeren Ermittlungsdruck gegen die rechte Szene in Bayern“ – sowie ein Verbot der Parteien „Die Rechte“ und „Der III. Weg“.

 
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