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München
Möglicher Lieferstopp von russischem Gas: Was würde das für Bayern bedeuten?
Erdgas sorgt für Wärme in Häusern. Aber wenn die Heizung unvermindert weiterläuft, könnte am Arbeitsplatz bald der Ofen aus sein, sagen Experten. Wichtige Fragen und Antworten zum Thema.
Im Bild: Die Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1. Kremlchef Putin hat mit Wirkung zum 1. April angeordnet, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten.
Foto: Stefan Sauer/dpa | Im Bild: Die Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1. Kremlchef Putin hat mit Wirkung zum 1. April angeordnet, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas ...
dpa
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:05 Uhr

Deutschland bezieht mehr als die Hälfte seiner Gasimporte aus Russland, und Russland droht mit einem Lieferstopp.

Was würde ein Lieferstopp von Gas für Bayern bedeuten?

Dem Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) zufolge werden heute 20 Prozent des Energieverbrauchs unmittelbar durch Erdgas gedeckt. 50 Prozent der Neubauwohnungen werden mit Erdgas direkt oder mit Fernwärme beheizt. Die Industrie braucht Erdgas als Prozesswärme und als Rohstoff für viele Produkte. Hinzu kommt Gas für die Stromerzeugung, als Ersatz für Öl, Kohle und Atomkraft.

Woher bezieht Bayern sein Gas?

"Nordrhein-Westfalen verbraucht das Gas aus Holland, Norddeutschland mehr norwegisches Gas - Bayern hängt physikalisch an dem russischen Strang", sagt VBEW-Geschäftsführer Detlef Fischer. Etwa 90 Prozent des im Freistaat verbrauchten Erdgases kommen aus Russland. Zum einen fließt es durch die Nordstream-1-Pipelines durch die Ostsee über Greifswald, Sachsen und Tschechien in Waidhaus über die Grenze, zum anderen über die Ukraine durch Österreich nach Südbayern.

Wäre Bayern also bei einem Gas-Lieferstopp besonders betroffen?

Theoretisch nein. Wenn die Bundesregierung den Notfall ausruft, soll der Bundeslastverteiler in Zusammenarbeit mit den Fernleitungsnetzbetreibern die Gasströme so umleiten, dass jede Region gleichberechtigt versorgt wird. Das deutsche Fernleitungsnetz ist 40 000 Kilometer lang, daran sind die nachgelagerten Gasverteilernetze angeschlossen. In der Praxis allerdings gab es eine solche Umverteilung noch nie.

Kann der Bäcker nächste Woche keine Brezen mehr backen?

"So schnell wird es nicht gehen", sagt Fischer. Mit den Vorräten, den anderen Gasimporten und dem deutlich niedrigeren Verbrauch im Sommer sollte es zunächst keine größeren Probleme geben. Aber wenn Russland den Hahn zudreht, «dann wird's eng werden im kommenden Winter». Normalerweise werden die Speicher im Winterhalbjahr geleert und im Sommer bei niedrigen Gaspreisen wieder aufgefüllt. Jetzt sind die Speicher in Bayern noch zu 14 Prozent gefüllt, bundesweit zu 25 Prozent. Aber das sagt nichts über die Versorgungssicherheit in einem Bundesland: Das in Bayern eingelagerte Gas kann auch einem Händler in Hamburg gehören und nach Stuttgart verkauft werden, oder umgekehrt.

Was kann man im privaten Bereich tun, um Gas zu sparen?

Energie sparen - vor allem im privaten Bereich. «Muss das Bad ganztägig auf 23 Grad beheizt werden oder alle anderen Räume auf 21 Grad? Dieser Hebel ist viel wirksamer, als Gas in der Industrie einzusparen», sagt Prof. Michael Sterner von der Technischen Hochschule Regensburg. "Die energieintensive Industrie ist schon immer auf Energiesparen und Energieeffizienz getrimmt, sonst wäre sie nicht kosteneffizient und wettbewerbsfähig."

Was hieße ein Gasstopp für die Industrie?

Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) könnte die Industrie nur acht Prozent ihres Erdgasverbrauchs ersetzen. Ein Gasstopp würde sofort Wertschöpfungs- und Lieferketten unterbrechen. Rasch wäre «auch die Automobilindustrie in Form von Plastikteilen oder die Landwirtschaft in Form von Dünger betroffen», sagt Steiner. Die Glas- und die Metallindustrie kann auch nicht einfach auf Strom oder Wasserstoff schwenken. Ein Gasstopp "hätte also massive Auswirkungen auf die Produktion und damit die Arbeitsplätze."

Welche Branchen trifft es sofort direkt?

Der Bayerischen Industrie- und Handelskammertag (BIHK) zufolge ist die gesamte Chemieindustrie besonders betroffen, aber auch Metallindustrie, Zement- und Ziegelfabriken, Nahrungsmittelindustrie mit Molkereien, Zucker, Stärke- und Futtermittelherstellern, die Glas- und Keramikindustrie und Papierhersteller. Allein in diesen Branchen stehen in Bayern mehr als 200 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. «Die Dominoeffekte durch Produktionsausfälle und massive Preissprünge quer durch alle Sektoren wären verheerend», warnte der BIHK und mahnte: "Betriebe, die auf Erdgas angewiesen sind, sollten spätestens jetzt Notfallpläne aufstellen." Die Bundesregierung müsse Kredit- und Hilfsprogramme für besonders betroffene Unternehmen vorbereiten.

Wie wird Gas im Notfall verteilt? Müssen Bürger frieren?

Nein, private Verbraucher gelten bei den Notfallregelungen als geschützte Kunden. «Aber wer seine Heizung zu Hause auf 26 Grad Celsius einstellt, nimmt an seinem Arbeitsplatz das Gas weg», sagt Fischer. Wenn in der Glashütte in Oberfanken plötzlich das Gas fehlt, "dann ist die Schmelzwanne kaputt". Die Frage sei im schlimmsten Fall, wer mehr zähle: Der Glashersteller im Landkreis Kronach? BMW in Dingolfing? Und die Lieferketten seien so komplex, dass eine Planung schnell obsolet werden könnte. "Dann hat man vielleicht Bierflaschen, aber keine Kronkorken zum Verschließen mehr."

 
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  • btamm@t-online.de
    Ein Denkanstoß von mir: Bei der Diskussion über die Folgen eines Gaslieferungsstops seitens Russlands oder auch eines Gasenbargos Deutschlands sollten sich deutsche Politiker einmal an den Grundwerten unserer Verfassung orientieren: Menschenwürde und das Recht auf Leben - die in der Ukraine durch Russland täglich eklatant mit Füßen getreten werden- stehen in den allerersten Artikeln unseres Grundgesetzes, weil deren Wert zu recht als besonders hoch erachtet wird. Das Recht auf Eigentum- das durch die befürchteten wirtschaftlichen Schäden tangiert würde- steht erst in Art. 14! Dies ist juristisch und moralisch sehr bedeutsam! Jeden Tag tötet Putin in der Ukraine unschuldige Menschen. Dagegen wiegen wirtschaftliche Schäden, die ein Gaslieferungsstop für unser Land hätte, nach dem Maßstab unserer Verfassung weit weniger schwer. Diese Moral aus den Werten unseres Grundgesetzes, das in der Ukraine natürlich nicht gilt, ist eigentlich zwingend.
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  • Klaus-Fiederling@gmx.de
    vorhin in GMX u. Tonline gelesen: Russland kündigt ab sofort die deutsche Tochtergesellschaft von Gasprom und was nun? sind wir doch bald auf dem Trockenen bzw. im Kalten? Was, wenn an Ostern wo ja die Bäcker genau so voll die Hände zu tun haben wie an Weihnachten auf einmal der Gashahn ausgeht, kein Gebäck oder Brötchen oder Torten mehr an den Feiertagen.
    In unserem privaten Haushalt heizen wir ja schon immer mit Öl, aber wie wird es da dann bald aussehen? Gute Nacht old-Germany, wenn das so weitergeht, Ende 2022 voraussichtliches Ende der Welt?
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  • Arcus
    Ein Lieferstopp hätte dramatische Auswirkungen auf die Lieferketten. Gerade das CSU geführte Bayern h hat sich von Putin an der Nase herumführen lassen. Den Ausbau der Erneuerbaren verhindert, wos nur ging. Jetzt muß ein Grüner Wirtschaftsminister den Bockmist der CSU/CSU Regierungen aufräumen.
    Aus meiner Sicht können wir uns (so sehr ich mir das wünschen würde) einen Lieferstopp nicht erlauben. Was wir aber können, weniger von verzichtbaren Erdöl aus Russland importieren. Tempo 100 auf BAB, 80 auf Landstraßen und 30 in den Städten. Damit würden wir ganz konkret die Freiheit in der Ukraine verteidigen. Ein Tempolimit muss jetzt dringend umgesetzt werden. Auch gegen den Willen des schwarzen Filzes im Maximilianeum.
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  • elkatvelo@t-online.de
    winnem: was für ein Märchen erzählen Sie hier.
    wer von 23 grad auf 19 Grad runterregelt, muss noch lange nicht frieren.

    Wenn aber die Grundindustrie nicht mehr, oder nur eingeschränkt produzieren kann, dann hängt der allergrößte Teil der verarbeitenden Wirtschaft davon ab.

    Wenn die Glasindustrie nicht mehr produziert, dann kann man evt auf Bierflaschen mal verzichten, aber bei Flaschen für die Babynahrung schaut das schon anders aus.

    Wenn BASF nicht mehr liefert, dann hängen Hunderttausende Arbeitsplätze in der Luft.

    Ich habe noch gut in Erinnerung, dass das Wohnzimmer - "die gute Stube" - falls man so eine große Wohnung überhaupt schon hatte, nur am Sonntag geheizt wurde. Und was ist dann so schlimm daran, wenn dafür die Logistik noch einigermaßen fahren kann.
    Es mussten ja unbedingt, die Läger abgebaut werden. Vor 40 Jahren hat eine ganze Armada von Unternehmensberatern davon gelebt, Just in time zu propagieren. Keine Zahnbürste durfte zuviel am Lager sein
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  • Funkenstern
    ich war schon immer lieber von nem Araber als von einem Russen energiepolitisch abhängig.
    Die letzte Zeit wurde ich da immer belächelt, da passiert doch nichts.
    Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
    Auch ich hinterfrage das Komfortverhalten mancher Bürger. Komme ich da rein zum Arbeiten, könnte ich teilweise kurz gehen. Da kocht man im eigenen Saft vor sich hin.
    Das hinterfragt der Autor und das zurecht.
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  • jebusara@web.de
    Zitat aus dem Artikel: «Muss das Bad ganztägig auf 23 Grad beheizt werden oder alle anderen Räume auf 21 Grad? Dieser Hebel ist viel wirksamer, als Gas in der Industrie einzusparen», sagt Prof. Michael Sterner von der Technischen Hochschule Regensburg.

    Also soll der kleine Mann einsparen sprich frieren?

    Das ist wie Wasser sparen im Sommer. Das soll auch eingespart werden, Rasen vertrocknen, Blumen dürfen eingehen (wie ernähren sich dann die Insekten?) aber die grossen Pools der Villen sind alle gefüllt.
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  • jhuller@gmx.de
    Ich gebe zu, die Aussichten , die der Herr Professor ausstellt, sind nicht schön.

    Wir haben nun mal eine Krise, bei der eine Gasknappheit auftreten könnte. Wenn es soweit ist, müssen an irgendeiner Stelle Einschränkungen in Kauf genommen werden. Ich bin der Meinung, das kann von uns verlangt werden. Niemand hat uns je eine Garantie gegeben, dass es immer nur weiter aufwärts geht und immer nur besser wird.

    Es ist völlig klar, dass es auch Krisen geben kann, wo man sich auch mal einschränken muss. Das muss uns nicht gefallen, jedoch sollten wir es akzeptieren. Wenn hier in Bayern bis zu 200 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, ist der Schaden für alle ungleich höher, als eine 2 Grad kältere Wohnung.

    Wir sollten in Krisenzeiten zusammenhalten, so wie es uns die Ukraine vor macht, statt hier eine weitere Neiddebatte vom Zaun zu brechen und die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Das wäre ganz im Sinne Putins.
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