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WÜRZBURG
Milchbauern kämpfen um Existenz
Der Milchpreis fällt und fällt: Für uns Verbraucher werden Käse, Joghurt oder Sahne billiger. Derweil leiden die Bauern, sie bekommen für ihre Arbeit immer weniger bezahlt.
Milchbauern kämpfen um Existenz       -  Milchbauern stehen am 17. Mai bei einer Kundgebung in Neustadt an der Aisch (Mittelfranken) in der Nähe des Wahlkreisbüros von Bundesagrarminister Christian Schmidt hinter einer Kuh. Die Aktion ist der Auftakt einer zwei Wochen andauernden Protestaktion des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) gegen die aktuelle Milchpreispolitik des Ministers.
Foto: dpa | Milchbauern stehen am 17. Mai bei einer Kundgebung in Neustadt an der Aisch (Mittelfranken) in der Nähe des Wahlkreisbüros von Bundesagrarminister Christian Schmidt hinter einer Kuh.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 19.10.2020 11:04 Uhr

Der Milchpreis fällt und fällt: Für den Verbraucher werden Käse, Joghurt und frische Milch immer billiger, allen voran bei den Discountern. Derweil bekommen die Bauern für ihre Arbeit immer weniger. „Die Lage für die Höfe ist existenzbedrohend.“ Wenigstens in dieser Einschätzung sind sich der Bauernverband (BBV) und der alternative Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) einig.

 

 

„Dramatisch“ nennt Alois Kraus die Entwicklung. Der Sprecher der Milchbauern im BBV Unterfranken bewirtschaftet einen Hof mit 60 Milchkühen in Biebelried (Lkr. Kitzingen). Derzeit zahlen ihm die Milchwerke Mainfranken, ein Standort der Bayerischen Milchindustrie (BMI), gut 24 Cent pro abgelieferten Liter. Vor einem Jahr seien es noch bis zu 37 Cent gewesen, früher zeitweise noch mehr.

Es geht an die Substanz

Um die Fixkosten im Kuhstall abzudecken, müssten Bauern aber rund 40 Cent erlösen, sagen alle Experten. „Es geht also an die Substanz“, unterstreicht Kraus, zumal die Auflagen für die Erzeuger, etwa beim Tierschutz, nicht weniger würden. Und die Preise sinken weiter. In Norddeutschland sollen die Molkereien teilweise sogar weniger als 20 Cent pro Liter zahlen. Der Biebelrieder Landwirt ist froh, dass er auch noch Getreide und Zuckerrüben anbaut. Sein Sohn, der einmal das Hoferbe antreten soll, übe noch einen weiteren Beruf aus.

 

 

Der Grund für den Preisverfall ist ein Überangebot an Milch. Seitdem die Europäische Union (EU) die Milchquote abgeschafft hat, wird mehr produziert. Gleichzeitig sind wichtige Absatzmärkte weggebrochen – zum einen China, wo die Konjunktur stottert, zum anderen Russland, das im Zuge der EU-Wirtschaftssanktionen die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus dem Westen komplett eingestellt hat.

„Milchgipfel“ in Berlin

Was also tun? Von der Politik erwartet Alois Kraus „nicht viel“. Ein Ansatz sei, sich möglichst schnell mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einigen. Mit einer neuen, EU-weiten Höchstmengen-Begrenzung rechnet der BBV-Mann nicht. Das werde sich die EU nicht antun. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat sich bereits entsprechend geäußert. An kurzfristigen Maßnahmen stellte der Minister in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ derweil Liquiditätshilfen, Bürgschaften, Zuschüsse zur Unfallversicherung und Steuererleichterungen in Aussicht. Außerdem wolle er Bauern fördern, die sich in Sachen Tierwohl, Ökolandbau und Regionalität engagieren. Für den 30. Mai hat der Minister zu einem „Milchgipfel“ nach Berlin eingeladen.

 

 

Ein Dorn im Auge ist Schmidt auch die Marktmacht der Discounter. Dass sich diese brechen lässt, glaubt Kraus nicht. Er fürchtet weitere Probleme, falls das umstrittene Handelsabkommen TTIP zustande kommt. Der Preisdruck werde zunehmen, die Umweltstandards in den USA seien nicht so hoch wie hierzulande.

Neue Absatzmärkte erschließen

Anton Fischer, Milchbauer in Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld), sieht das anders. Seiner Ansicht nach ist es „blanker Populismus“, gegen die Discounter zu wettern oder neue Milchquoten zu fordern. Landwirte müssten sich mit Unterstützung der Politik bemühen, weltweit neue Absatzmärkte zu erschließen. Dazu gehöre, etwa durch Abschluss des TTIP-Abkommens, Handelshemmnisse abzubauen. „Abschottung und Grenzen werden auch uns Bauern in Zeiten der Globalisierung auf Dauer nicht helfen“, so Fischer, der 80 Milchkühe im Stall stehen hat.

„Wenn Aldi zickt, schicken wir die Milch nach China.“ Dieser Spruch habe sich für die Bauern längst als Illusion erwiesen, sagt hingegen Hans Foldenauer, Sprecher des Verbandes der Milchviehhalter, der nach eigenen Angaben rund 40 Prozent der Milchbauern vertritt. Die Ankündigungen von Christian Schmidt seien „keine Hilfe“. Auf den Höfen wachse der Unmut, weil der Minister sich „echten Lösungen“ verweigere. Der BDM fordert ein Konzept, das – etwa durch Entschädigungszahlungen – Anreize schafft, die Milchproduktion zu deckeln. Ansonsten gerieten noch mehr Höfe in Existenznot.

 


 

Milchviehhaltung in der Region

Unterfranken ist keine klassische Milchregion. Laut dem Amt für Landwirtschaft in Würzburg nahmen im Bezirk im Vorjahr 582 Betriebe an der freiwilligen Milchleistungsprüfung teil. Das sind rund 75 Prozent aller Milchvieh-Höfe. Diese Betriebe halten knapp 26 000 Milchkühe. Eine Kuh gibt im Schnitt 7750 Liter Milch pro Jahr.

Bayernweit waren knapp 23 000 Betriebe mit rund einer Million Tieren bei der Leistungsprüfung dabei, die meisten aus Oberbayern und Schwaben.

Klar belegt die Statistik ein Höfesterben. 2010 nahmen noch gut 26 000 Milchvieh-Betriebe im Freistaat an der Leistungsprüfung teil, darunter 721 in Unterfranken. 2007 waren es bayernweit 29 000 sowie 852 in Unterfranken. Die Zahl der untersuchten Kühe ist derweil in etwa konstant geblieben.

 
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  • manfred1249
    Was jetzt bei den Milchviehbauern erfolgt ist ein weiterer Höhepunkt im Jahrzehntelangen Konzentrationsprozess in Richtung industrielle Landwirtschaft. Allen politischen Gegenreden und Beschönigungen zum Trotz. Die finanziellen Hilfen für die kleinen Bauern ist nur ein Sterbegeld. Für die Großen ein gern genommenes Zubrot für weitere Rationalisierung und Erweiterung. Ohne eine neue Landwirtschaftspolitik, die Ernährung, Umwelt, Tierschutz und Marktbedingungen im Blick hat ist der bäuerliche Betrieb in ein bis zwei Jahrzehnten tot.
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    wenn man sie denn wollte:

    keine Milch mehr bei den Discountern kaufen.

    Sondern Biomilch am besten vom Hofladen oder vom Bioladen.

    Zumindest diejenigen, die sich das (problemlos) leisten können. Dann wäre mMn nämlich ganz schnell Schluss mit den immer größeren Betrieben, die auf Teufel komm raus immer mehr immer billiger produzieren wollen bzw. müssen, wenn sich die Investition rechnen soll (und ### auf das so genannte "Tierwohl").

    Dass man einen Nullachtfuffzehn-Plastik-Kuli nicht zum Preis eines Edelfüllfederhalters verkaufen kann, kriegt man zwar normalerweise in der Grundschule mit, aber offenbar wollen manche die Erkenntnis nicht auf andere Bereiche ummünzen. Natürlich kann man mal versuchen, sich den Preisunterschied von den Steuerzahler/innen subventionieren zu lassen, aber da ist halt irgendwann Schluss...
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  • die hiesigen milchbauern werden durch Subventionen gefördert haben in der regel noch viel Hektar Ackerland füttern die biogasanlagen denken sie müssen riesige kuhfabriken bauen werden dafür auch noch bejubelt und sind jetzt geschockt
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  • arnold.friedrich@t-online.de
    Einigung mit Putin würde helfen ?
    Wissen manche Leute überhaupt was sie erzählen! , der Wechselkurs des Rubel zum € ist so schlecht das unsere billige Milch für die Russen noch zu teuer ist. Ausserdem stocken die selber ihre Bestände gewaltig auf. In manchen Regionen in Deutschland werden neue Kuhställe mit 500 Plätzen aufwärts auf teufel komm raus gebaut, da bleiben einfach viele Bauern auf der Strecke.
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