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München
Hass im Internet: Erst anzeigen, dann löschen
Bayerns Medien können ab sofort per Mausklick Hass-Kommentare auf ihren Internet-Seiten bei der Justiz anzeigen. Beide Seiten hoffen auch auf eine abschreckende Wirkung.
Wollen gemeinsam gegen Hass und Hetze im Internet kämpfen: Landesmedien-Chef Siegfried Schneider (links) und Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU).
Foto: S. Heigl, dpa | Wollen gemeinsam gegen Hass und Hetze im Internet kämpfen: Landesmedien-Chef Siegfried Schneider (links) und Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU).
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:57 Uhr

Ob Leugnung des Holocaust, Hass gegen Minderheiten oder Gewalt-Fantasien gegen Frauen: Bayerns Justiz und Bayerns Medien wollen künftig enger zusammenarbeiten, um Hass-Kommentaren und Hetze im Internet entgegenzutreten: Justizminister Georg Eisenreich (CSU) und der Chef der bayerischen Landesmedien-Zentrale (BLM) Siegfried Schneider unterzeichneten deshalb einen Kooperationsvertrag, der von 60 bayerischen Medienhäusern unterstützt wird – darunter auch die Mediengruppe Main-Post.

Spezial-Abteilung der Staatsanwaltschaft prüft die Anzeigen

Kernstück der Vereinbarung ist ein vereinfachtes Verfahren, mit dem Medien strafrechtlich relevante Inhalte in den Kommentarfunktionen ihrer eigenen Internetseiten, aber auch auf eigenen Seiten in sozialen Medien an die Staatsanwaltschaft weiterleiten können: Statt wie bisher schriftlich unter Beifügung von Datenträgern Anzeige zu erstatten, können Hass-Postings künftig unmittelbar über ein Online-Formular an eine zentrale Spezial-Abteilung bei der Staatsanwaltschaft in München übermittelt werden.

"Wir müssen der Verrohung in der Diskussionskultur entgegentreten", forderte Minister Eisenreich: "Denn Hass im Netz kann schnell zu realer Gewalt werden." Schon bislang hätten Medien rechtlich fragwürdige Inhalte in ihren Kommentarspalten gelöscht. Allen Seiten sei aber klar, dass dies nicht ausreiche: "Erst anzeigen, dann löschen", lautet deshalb Eisenreichs Credo: "Das soll auch ein klares Signal an die Gesellschaft sein, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist."

"Eine konsequente Verfolgung der Täter schützt die Meinungsfreiheit"

"Hass-Kommentare sind kein Kavaliersdelikt", betonte auch BLM-Chef Schneider. Im vermeintlichen Schutz der Anonymität des Internets seien Beleidigungen, Diffamierungen und Bedrohungen längst alltäglich. "Die Täter müssen konsequent verfolgt werden", forderte er. Eine konsequente Durchsetzung des geltenden Strafrechts beschränke auch nicht notwendige gesellschaftliche Debatten: "Im Gegenteil: Es schützt die Meinungsfreiheit." 

"Bisher fehlte uns ein klarer Ansprechpartner und ein praktikables Verfahren zur rechtlichen Ahndung", erklärte Markus B. Rick, Geschäftsführer beim Verband Bayerischer Zeitungsverleger. Bayerns Zeitungshäuser hätten die Initiative deshalb "von Anfang an aus voller Überzeugung" unterstützt.

Er hoffe, "dass das neue Angebot nun rege angenommen wird", sagte der zuständige Münchner Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst. Zwar sei die Verfolgung von "Hate-Speech" auch wegen unzureichender Kooperation der Internetkonzerne oft schwierig: "Das ist aber kein Grund, nicht zu verfolgen." Drei Staatsanwälte aus der Abteilung für politisch motivierte Straftaten stünden nun für die rechtliche Prüfung der Medienanzeigen zur Verfügung. Er hoffe zudem auf eine vorbeugende Wirkung, "die Menschen davon abhält, sich im Internet strafbar zu äußern", so Kornprobst.

Grüne fordern mehr staatliche Hilfe für alle Betroffenen von Online-Hass

Im Landtag sagen derweil die Grünen mit eigenen Vorschlägen dem Online-Hass den Kampf an: So fordern sie für alle Betroffenen staatliche Hilfe etwa durch leicht erreichbare Ansprechpartner bei Polizei und Justiz: Die Betroffenen müssten "heraus aus der Opferrolle", verlangt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Es gehe darum, ein starkes Zeichen auszusenden, "dass Hass-Kriminalität im Internet niemals geduldet und immer konsequent verfolgt wird".

In eigener Sache
Wie zahlreiche andere Medienunternehmen im Freistaat unterstützt auch die Mediengruppe Main-Post die gemeinsame Initiative von Staatsregierung und Verlegerverband gegen Hass und Hetze im Internet. "Niemand sollte den Eindruck haben, das Internet sei ein rechtsfreier Raum", so Main-Post-Chefredakteur Michael Reinhard. Dort, wo heute Kommentare auf Facebook-Seiten der Main-Post gelöscht werden, weil es sich möglicherweise um beleidigende oder volksverhetzende Beiträge oder gar die Androhung von Straftaten handelt, solle künftig zuvor ein Hinweis an die zentrale Internet-Staatsanwaltschaft in München erfolgen. Reinhard: "Wir wollen das klare Signal aussenden, dass es bei Hass und Hetze im Netz keine Toleranz geben darf!" Bei der Initiative geht es in erster Linie um die Social-Media-Kanäle, auf denen die Mediengruppe ihre Nachrichten und Fotos verbreitet. Die Nutzerkommentare auf www.mainpost.de werden ohnehin bereits seit vielen Jahren erst geprüft, bevor sie freigeschaltet werden.
 
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