Am 6. September wäre der CSU-Übervater Franz Josef Strauß 100 Jahre alt geworden. Der Hobby-Pilot gilt als Architekt des modernen Bayern. Beim Politischen Aschermittwoch in Passau trinken CSU-Anhänger noch heute ihr Bier aus Maßkrügen mit dem Konterfei von Franz Josef Strauß. Und im Büro von Ministerpräsident Horst Seehofer steht eine Büste des 1988 gestorbenen CSU-Patriarchen. „FJS“ blicke ihm bei der Arbeit immer über die Schulter, erzählt Seehofer gerne. Der Mythos Strauß lebt auch 27 Jahre nach dem Tod des politischen Schwergewichts. Der Metzgerssohn war im Nachkriegsdeutschland zu einem verehrten, aber auch gehassten Spitzenpolitiker aufgestiegen und hatte mehrere Affären überstanden.
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Strauß hatte es im Zweiten Weltkrieg zum Oberleutnant gebracht, war aber nicht Mitglied der NSDAP. Als politisch unbelastet wurde er wenige Wochen nach Kriegsende 1945 von der US-Militärregierung zum „Assistent Landrat“ im bayerischen Schongau ernannt. Ein Jahr später wählte ihn der Kreistag zum Landrat. 1949 wurde Strauß, damals schon CSU-Generalsekretär, in den ersten Deutschen Bundestag gewählt und fiel im Parlament rasch wegen seiner rhetorischen Begabung auf.
Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) machte ihn 1953 zum Bundesminister für Sonderaufgaben; zwei Jahre später wurde der Befürworter der Kernenergie Atomminister.
1956 wechselte er ins Verteidigungsressort und trieb den Aufbau der ein Jahr zuvor gegründeten Bundeswehr energisch voran. Strauß verantwortete die Anschaffung des technisch unausgereiften Starfighters, der als „fliegender Sarg“ traurige Berühmtheit erlangte. Zahlreiche Piloten verloren bei Abstürzen des Kampfjets ihr Leben. Zudem geriet Strauß in Verdacht, vom Hersteller Lockheed bestochen worden zu sein. Bewiesen wurde nichts.
Über die Titelstory „Bedingt abwehrbereit“ des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ im Herbst 1962 dürfte Strauß sich sein Leben lang geärgert haben. Nach dem Bericht über geheime Pläne der Bundeswehr betrieb er die Festnahme des Autors Conrad Ahlers, nachdem die Bundesanwaltschaft Ermittlungen wegen Landesverrats eingeleitet hatte. Auch „Spiegel“-Chef Rudolf Augstein saß zeitweise im Gefängnis. Strauß musste zugeben, den Bundestag im Bezug auf seine Beteiligung an der Festnahme von Ahlers belogen zu haben. Er trat als Minister zurück, blieb aber CSU-Chef, der er seit 1961 war.
„Plisch und Plum“ in Bonn
Vier Jahre später kehrte er auf die politische Bühne in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn zurück. In der Großen Koalition von Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) wurde er 1966 Finanzminister. Die enge Zusammenarbeit von Strauß mit Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) brachte dem Duo den Spitznamen „Plisch und Plum“ ein. Während der 1969 gebildeten sozialliberalen Koalition von Kanzler Willy Brandt (SPD) und Außenminister Walter Scheel (FDP) bekämpfte Strauß als Oppositionspolitiker deren Ostpolitik. Er wuchs mehr und mehr in die Rolle des Wortführers des konservativen Flügels in der Union hinein. Im Bundestagswahlkampf 1976 attackierte er die SPD mit der Parole „Freiheit statt Sozialismus“ und mit Sätzen wie: „Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören – in ihre Löcher.“ Kanzler blieb dennoch Helmut Schmidt (SPD).
Im Herbst 1976 stieß Strauß die Unionsschwester vor den Kopf. Völlig überraschend kündigte die CSU-Landesgruppe im seitdem legendären oberbayerischen Wildbad Kreuth die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auf. Erst als Parteichef Helmut Kohl mit der Gründung eines eigenen CDU-Landesverbandes in Bayern drohte, gab Strauß sein Vorhaben auf.
1978 wurde Strauß – verheiratet und Vater der drei Kinder Max, Franz Georg und Monika – bayerischer Ministerpräsident. Als Nachfolger des leutseligen Alfons Goppel forcierte er den Wandel Bayerns vom Agrar- zum Industrieland. Immer mehr Firmen der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie der Rüstungsbranche siedelten sich im Freistaat an. Der begeisterte Hobbypilot setzte den Bau des neuen Münchner Flughafens durch, der freilich erst vier Jahre nach seinem Tod in Betrieb ging und nach ihm benannt wurde.
Strauß pflegte einen fast monarchischen Regierungsstil und hatte überhaupt nichts dagegen, wenn Karikaturisten ihn als König darstellten und ihm Zepter und Krone verpassten. Im Norden der Republik kam seine robuste Art freilich weniger gut an. 1980 verlor er als Kanzlerkandidat der Union die Wahl gegen Amtsinhaber Schmidt. Er blieb Regierungschef in Bayern, mischte sich aber von München aus weiterhin fleißig in die Bundespolitik ein. Doch konnte er nicht verhindern, dass der von ihm wenig geachtete Kohl („Der ist total unfähig“) 1982 Kanzler wurde.
1983 handelte Strauß zusammen mit dem erst kürzlich gestorbenen DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski einen Milliardenkredit für die vor der Staatspleite stehende DDR aus. Innerparteilich geriet er damit massiv unter Druck. Viele in der CSU hatten keinerlei Verständnis für den Kursschwenk ihres Vorsitzenden in der Politik gegenüber dem sozialistischen Deutschland.
Das Ende in Regensburg
In seinen letzten Jahren brachte Strauß die Anti-Atom-Bewegung noch einmal massiv gegen sich auf. Im oberpfälzischen Wackersdorf wollte er eine atomare Wiederaufarbeitungsanlage errichten. Vor dem Bauzaun kam es wiederholt zu gewalttätigen Ausschreitungen von Demonstranten und Polizei, Strauß ließ Hubschrauber mit ohrenbetäubendem Lärm über den Köpfen der Protestierer kreisen. Sein Nachfolger Max Streibl beerdigte das Projekt.
Bei einer Hirschjagd brach Strauß, der zuvor das Münchner Oktoberfest besucht hatte, am 1. Oktober 1988 nahe Regensburg bewusstlos zusammen. Nach einer Notoperation in der Domstadt erlangte der 73-Jährige das Bewusstsein nicht wieder. Am 3. Oktober starb er schließlich. Bei der Beerdigung in Rott am Inn, wo er mit seiner Frau Marianne (tödlich verunglückt 1984) eine Privatwohnung hatte, sagte der damalige Kardinal und spätere Papst Joseph Ratzinger über ihn: „Wie eine Eiche ist er vor uns gestanden, kraftvoll, lebendig, unverwüstlich, so schien es. Und wie eine Eiche ist er gefällt worden.“
Affären
Franz Josef Strauß war in eine Reihe von Affären verwickelt. Eine Auswahl: Die „Spiegel“-Affäre 1962: Das Nachrichtenmagazin berichtet über geheime Pläne der Bundeswehr, die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Landesverrats. Strauß lässt den stellvertretenden Chefredakteur Conrad Ahlers in Spanien festnehmen und verliert deswegen später seinen Posten als Bundesverteidigungsminister. Das zementiert die jahrzehntelange Feindschaft zwischen Strauß und der „Spiegel“-Redaktion. Die Lockheed-Affäre 1966: Ende der 50er Jahre kauft Strauß als Verteidigungsminister 300 Lockheed Starfighter. Das Flugzeug ist technisch nicht ausgereift, so dass es als „fliegender Sarg“ bekannt wird. 1966 gerät Strauß in Bestechungsverdacht; der Hersteller Lockheed soll in mehreren Ländern Schmiergeld bezahlt haben. Einen Beweis gibt es nicht. Bis zur Ausmusterung 1987 verliert die Bundeswehr 269 Starfighter, fast ein Drittel der insgesamt georderten über 900 Maschinen. Die Heubl-Affäre 1976: In der Presse tauchen Einzelheiten eines „Dossiers“ über den CSU-Politiker Franz Heubl auf, einen Gegenspieler des Parteichefs. Darin heißt es unter anderem, Heubl arbeite nur acht Stunden die Woche.
Als Urheber gilt Strauß. Der verweigert vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags die Aussage. Die Zwick-Steueraffäre 1990: Diese Affäre kommt erst nach dem Tod von Strauß ins Rollen. Eduard Zwick, „Bäder-König“ und Strauß-Freund, macht Bad Füssing zum bekannten Kurort, zahlt jedoch ungern Steuern. Dennoch lassen die bayerischen Finanzbehörden Zwick jahrelang gewähren. Erst zwei Jahre nach dem Strauß-Tod wird Zwicks Steuerschuld 1990 auf über 70 Millionen Mark geschätzt. Text: dpa